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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Siege der Wiedertäufer.

Sie waren jetzt in Münster zum ersten Mal in der
Welt zu einem gesetzlich anerkannten Daseyn gelangt. Von
allen Seiten strömten die Gleichgesinnten daselbst zusam-
men; Männer ohne ihre Frauen, Frauen ohne ihre Män-
ner; auch ganze Familien; Rottmann hatte jeden, der
sich einfinden würde, zehnfältigen Ersatz alles dessen, was
er verlassen, versprochen.

So rasch war der Umschwung, daß, als es am 21.
Februar zu einer neuen Rathswahl kam, die Wiedertäufer
die Oberhand gewannen. Schon die Wahlherren wur-
den nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist
gewählt; es waren lauter erleuchtete Handwerker. Diese
besetzten nun, wie sich versteht, alle öffentlichen Stellen
mit ihren Glaubensgenossen. Knipperdolling ward zum
Bürgermeister gewählt. Die ganze städtische Gewalt ging
über in die Hände der Wiedertäufer.

Und diese waren nun nicht gemeint, ihre Gegner zu
schonen, oder auch nur einen Augenblick neben sich zu dul-
den. Am 27. Februar ward eine große Versammlung
bewaffneter Wiedertäufer auf dem Rathhaus gehalten.
Eine Zeitlang brachten sie im Gebete zu; der Prophet
schien wie in Schlaf verfallen; plötzlich aber fuhr er auf,
und erklärte, man müsse die Ungläubigen, wofern sie sich
nicht bekehren, sofort verjagen, das sey der Wille Gottes.
Er verbarg nicht, worauf es zunächst abgesehn war. "Hin-
weg mit den Kindern Esaus" rief er, "die Erbschaft ge-
hört den Kindern Jacobs." Mit dem Enthusiasmus ver-
einigte sich die Habsucht. Hierauf erscholl das Geschrei
"heraus ihr Gottlosen," furchtbar durch die Straßen.

Siege der Wiedertaͤufer.

Sie waren jetzt in Münſter zum erſten Mal in der
Welt zu einem geſetzlich anerkannten Daſeyn gelangt. Von
allen Seiten ſtrömten die Gleichgeſinnten daſelbſt zuſam-
men; Männer ohne ihre Frauen, Frauen ohne ihre Män-
ner; auch ganze Familien; Rottmann hatte jeden, der
ſich einfinden würde, zehnfältigen Erſatz alles deſſen, was
er verlaſſen, verſprochen.

So raſch war der Umſchwung, daß, als es am 21.
Februar zu einer neuen Rathswahl kam, die Wiedertäufer
die Oberhand gewannen. Schon die Wahlherren wur-
den nicht mehr nach dem Fleiſch, ſondern nach dem Geiſt
gewählt; es waren lauter erleuchtete Handwerker. Dieſe
beſetzten nun, wie ſich verſteht, alle öffentlichen Stellen
mit ihren Glaubensgenoſſen. Knipperdolling ward zum
Bürgermeiſter gewählt. Die ganze ſtädtiſche Gewalt ging
über in die Hände der Wiedertäufer.

Und dieſe waren nun nicht gemeint, ihre Gegner zu
ſchonen, oder auch nur einen Augenblick neben ſich zu dul-
den. Am 27. Februar ward eine große Verſammlung
bewaffneter Wiedertäufer auf dem Rathhaus gehalten.
Eine Zeitlang brachten ſie im Gebete zu; der Prophet
ſchien wie in Schlaf verfallen; plötzlich aber fuhr er auf,
und erklärte, man müſſe die Ungläubigen, wofern ſie ſich
nicht bekehren, ſofort verjagen, das ſey der Wille Gottes.
Er verbarg nicht, worauf es zunächſt abgeſehn war. „Hin-
weg mit den Kindern Eſaus“ rief er, „die Erbſchaft ge-
hört den Kindern Jacobs.“ Mit dem Enthuſiasmus ver-
einigte ſich die Habſucht. Hierauf erſcholl das Geſchrei
„heraus ihr Gottloſen,“ furchtbar durch die Straßen.

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[525/0541] Siege der Wiedertaͤufer. Sie waren jetzt in Münſter zum erſten Mal in der Welt zu einem geſetzlich anerkannten Daſeyn gelangt. Von allen Seiten ſtrömten die Gleichgeſinnten daſelbſt zuſam- men; Männer ohne ihre Frauen, Frauen ohne ihre Män- ner; auch ganze Familien; Rottmann hatte jeden, der ſich einfinden würde, zehnfältigen Erſatz alles deſſen, was er verlaſſen, verſprochen. So raſch war der Umſchwung, daß, als es am 21. Februar zu einer neuen Rathswahl kam, die Wiedertäufer die Oberhand gewannen. Schon die Wahlherren wur- den nicht mehr nach dem Fleiſch, ſondern nach dem Geiſt gewählt; es waren lauter erleuchtete Handwerker. Dieſe beſetzten nun, wie ſich verſteht, alle öffentlichen Stellen mit ihren Glaubensgenoſſen. Knipperdolling ward zum Bürgermeiſter gewählt. Die ganze ſtädtiſche Gewalt ging über in die Hände der Wiedertäufer. Und dieſe waren nun nicht gemeint, ihre Gegner zu ſchonen, oder auch nur einen Augenblick neben ſich zu dul- den. Am 27. Februar ward eine große Verſammlung bewaffneter Wiedertäufer auf dem Rathhaus gehalten. Eine Zeitlang brachten ſie im Gebete zu; der Prophet ſchien wie in Schlaf verfallen; plötzlich aber fuhr er auf, und erklärte, man müſſe die Ungläubigen, wofern ſie ſich nicht bekehren, ſofort verjagen, das ſey der Wille Gottes. Er verbarg nicht, worauf es zunächſt abgeſehn war. „Hin- weg mit den Kindern Eſaus“ rief er, „die Erbſchaft ge- hört den Kindern Jacobs.“ Mit dem Enthuſiasmus ver- einigte ſich die Habſucht. Hierauf erſcholl das Geſchrei „heraus ihr Gottloſen,“ furchtbar durch die Straßen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/541>, abgerufen am 22.11.2024.