meinschaft in den Vogteien, sobald der eine Theil der Herr- schaften den Glauben verfolgte, in welchem der andere sein Heil erblickte? Wie konnten die evangelischen Mitglieder des Bundes überhaupt zusehen, daß ihre Glaubensgenossen ein paar Meilen von ihnen mit Gefängniß bestraft wurden? Darin lag doch im Grunde nichts, als eine Anerkennung der Christlich- keit des neuen Zustandes; nur diese nahmen sie in Anspruch.
In diesen Zeiten hatte sich aber das religiöse Bekenntniß viel zu enge mit der Staatsgewalt vereinigt, als daß Zuge- ständnisse auch nur solcher Art anders als auf dem Wege des Zwanges hätten durchgesetzt werden können. Die Staats- gewalt in den fünf Orten beruhte auf der ausschließenden Herrschaft des Katholicismus. Hätten die Machthaber sich bequemt, die entgegengesetzten Meinungen zuzulassen, so würde sich unter ihren Augen ein ihnen feindseliges Element in der Bevölkerung gebildet haben, das von den Tendenzen der Zeit getragen, und von außen her unterstützt ihnen leicht selbst hätte gefährlich werden können. Sie wiesen alle jene Anmuthungen entschieden von der Hand.
Da trug nun Zwingli kein Bedenken, Krieg zu fordern, unverzüglichen Angriff, so lange man den Vortheil in Hän- den habe; er bewirkte, daß Zürich, wo jetzt Niemand mehr ihm offen widersprach, sich in seinem Sinn erklärte.
In Bern jedoch war seine Autorität nicht so groß. Zwangsmaaßregeln hielt auch Bern für nothwendig, aber es wollte nicht zu den äußersten Mitteln schreiten. Es setzte durch, daß man, wie es auch in dem Landfrieden schon vor- gesehen war, die fünf Orte zuerst durch Entziehung der Zu- fuhr zu bekämpfen beschloß.
Wie hätte das aber Zwingli befriedigen sollen? Er
Forderungen der Buͤrgerſtaͤdte.
meinſchaft in den Vogteien, ſobald der eine Theil der Herr- ſchaften den Glauben verfolgte, in welchem der andere ſein Heil erblickte? Wie konnten die evangeliſchen Mitglieder des Bundes überhaupt zuſehen, daß ihre Glaubensgenoſſen ein paar Meilen von ihnen mit Gefängniß beſtraft wurden? Darin lag doch im Grunde nichts, als eine Anerkennung der Chriſtlich- keit des neuen Zuſtandes; nur dieſe nahmen ſie in Anſpruch.
In dieſen Zeiten hatte ſich aber das religiöſe Bekenntniß viel zu enge mit der Staatsgewalt vereinigt, als daß Zuge- ſtändniſſe auch nur ſolcher Art anders als auf dem Wege des Zwanges hätten durchgeſetzt werden können. Die Staats- gewalt in den fünf Orten beruhte auf der ausſchließenden Herrſchaft des Katholicismus. Hätten die Machthaber ſich bequemt, die entgegengeſetzten Meinungen zuzulaſſen, ſo würde ſich unter ihren Augen ein ihnen feindſeliges Element in der Bevölkerung gebildet haben, das von den Tendenzen der Zeit getragen, und von außen her unterſtützt ihnen leicht ſelbſt hätte gefährlich werden können. Sie wieſen alle jene Anmuthungen entſchieden von der Hand.
Da trug nun Zwingli kein Bedenken, Krieg zu fordern, unverzüglichen Angriff, ſo lange man den Vortheil in Hän- den habe; er bewirkte, daß Zürich, wo jetzt Niemand mehr ihm offen widerſprach, ſich in ſeinem Sinn erklärte.
In Bern jedoch war ſeine Autorität nicht ſo groß. Zwangsmaaßregeln hielt auch Bern für nothwendig, aber es wollte nicht zu den äußerſten Mitteln ſchreiten. Es ſetzte durch, daß man, wie es auch in dem Landfrieden ſchon vor- geſehen war, die fünf Orte zuerſt durch Entziehung der Zu- fuhr zu bekämpfen beſchloß.
Wie hätte das aber Zwingli befriedigen ſollen? Er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0373"n="357"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Forderungen der Buͤrgerſtaͤdte</hi>.</fw><lb/>
meinſchaft in den Vogteien, ſobald der eine Theil der Herr-<lb/>ſchaften den Glauben verfolgte, in welchem der andere ſein<lb/>
Heil erblickte? Wie konnten die evangeliſchen Mitglieder des<lb/>
Bundes überhaupt zuſehen, daß ihre Glaubensgenoſſen ein<lb/>
paar Meilen von ihnen mit Gefängniß beſtraft wurden? Darin<lb/>
lag doch im Grunde nichts, als eine Anerkennung der Chriſtlich-<lb/>
keit des neuen Zuſtandes; nur dieſe nahmen ſie in Anſpruch.</p><lb/><p>In dieſen Zeiten hatte ſich aber das religiöſe Bekenntniß<lb/>
viel zu enge mit der Staatsgewalt vereinigt, als daß Zuge-<lb/>ſtändniſſe auch nur ſolcher Art anders als auf dem Wege<lb/>
des Zwanges hätten durchgeſetzt werden können. Die Staats-<lb/>
gewalt in den fünf Orten beruhte auf der ausſchließenden<lb/>
Herrſchaft des Katholicismus. Hätten die Machthaber ſich<lb/>
bequemt, die entgegengeſetzten Meinungen zuzulaſſen, ſo<lb/>
würde ſich unter ihren Augen ein ihnen feindſeliges Element<lb/>
in der Bevölkerung gebildet haben, das von den Tendenzen<lb/>
der Zeit getragen, und von außen her unterſtützt ihnen leicht<lb/>ſelbſt hätte gefährlich werden können. Sie wieſen alle jene<lb/>
Anmuthungen entſchieden von der Hand.</p><lb/><p>Da trug nun Zwingli kein Bedenken, Krieg zu fordern,<lb/>
unverzüglichen Angriff, ſo lange man den Vortheil in Hän-<lb/>
den habe; er bewirkte, daß Zürich, wo jetzt Niemand mehr<lb/>
ihm offen widerſprach, ſich in ſeinem Sinn erklärte.</p><lb/><p>In Bern jedoch war ſeine Autorität nicht ſo groß.<lb/>
Zwangsmaaßregeln hielt auch Bern für nothwendig, aber<lb/>
es wollte nicht zu den äußerſten Mitteln ſchreiten. Es ſetzte<lb/>
durch, daß man, wie es auch in dem Landfrieden ſchon vor-<lb/>
geſehen war, die fünf Orte zuerſt durch Entziehung der Zu-<lb/>
fuhr zu bekämpfen beſchloß.</p><lb/><p>Wie hätte das aber Zwingli befriedigen ſollen? Er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[357/0373]
Forderungen der Buͤrgerſtaͤdte.
meinſchaft in den Vogteien, ſobald der eine Theil der Herr-
ſchaften den Glauben verfolgte, in welchem der andere ſein
Heil erblickte? Wie konnten die evangeliſchen Mitglieder des
Bundes überhaupt zuſehen, daß ihre Glaubensgenoſſen ein
paar Meilen von ihnen mit Gefängniß beſtraft wurden? Darin
lag doch im Grunde nichts, als eine Anerkennung der Chriſtlich-
keit des neuen Zuſtandes; nur dieſe nahmen ſie in Anſpruch.
In dieſen Zeiten hatte ſich aber das religiöſe Bekenntniß
viel zu enge mit der Staatsgewalt vereinigt, als daß Zuge-
ſtändniſſe auch nur ſolcher Art anders als auf dem Wege
des Zwanges hätten durchgeſetzt werden können. Die Staats-
gewalt in den fünf Orten beruhte auf der ausſchließenden
Herrſchaft des Katholicismus. Hätten die Machthaber ſich
bequemt, die entgegengeſetzten Meinungen zuzulaſſen, ſo
würde ſich unter ihren Augen ein ihnen feindſeliges Element
in der Bevölkerung gebildet haben, das von den Tendenzen
der Zeit getragen, und von außen her unterſtützt ihnen leicht
ſelbſt hätte gefährlich werden können. Sie wieſen alle jene
Anmuthungen entſchieden von der Hand.
Da trug nun Zwingli kein Bedenken, Krieg zu fordern,
unverzüglichen Angriff, ſo lange man den Vortheil in Hän-
den habe; er bewirkte, daß Zürich, wo jetzt Niemand mehr
ihm offen widerſprach, ſich in ſeinem Sinn erklärte.
In Bern jedoch war ſeine Autorität nicht ſo groß.
Zwangsmaaßregeln hielt auch Bern für nothwendig, aber
es wollte nicht zu den äußerſten Mitteln ſchreiten. Es ſetzte
durch, daß man, wie es auch in dem Landfrieden ſchon vor-
geſehen war, die fünf Orte zuerſt durch Entziehung der Zu-
fuhr zu bekämpfen beſchloß.
Wie hätte das aber Zwingli befriedigen ſollen? Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/373>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.