haben nicht gewußt," sagten sie, "daß solches der Obrig- keit Rechte selbst geben."
Den Ernst ihrer Bedenklichkeiten bewies es, daß diese so lange festgehalten wurden und auch später von Zeit zu Zeit wieder emporstiegen.
Auf Luther machte es noch besondern Eindruck, daß wie er schon immer bemerkt hatte, der Kaiser gar nicht selbständig verfuhr, sondern nach dem Rathe des Papstes und der deutschen Fürsten. Man urtheilte, er sey kein Meh- rer des Reichs, sondern ein Hauptmann und Geschworner des Papstes. Und sollte man den alten Feinden, den bö- sen Nachbarn, die sich nun der Autorität des kaiserli- chen Namens bedienen wollten, damit Muth machen, daß man den Widerstand für unerlaubt erklärte? Sie hoffen, sagt Luther, daß man sich nicht wehren werde: wollen sie aber Ritter werden an dem Unsern Blut, so sollen sie es mit Gefahr und Sorgen werden. 2
Und auf diesen Grund nun trug Sachsen bei den ver- sammelten Ständen auf ein Bündniß zur Gegenwehr selbst wider den Kaiser an. Man habe ihn bei früheren Verei- nigungen immer ausgenommen, doch könne das nichts hel- fen, da die Partei der Gegner sich des kaiserlichen Na- mens bediene. 3
1
2 Vgl. Warnung an seine lieben Deutschen Altb. V p. 538. "Alles ist ein Getrieb des obersten Schalks in der Welt." Er rieth nicht, die Waffen zu ergreifen, sondern wie er an Spengler schreibt, Ego pro mea parte dixi: ego consulo ut theologus sed si juristae possent docere legibus suis, id licere, ego permitterem eos suis legibus uti. Ipsi viderint.
3 "Dieselbig Widerpartei die Sachen in die kaiserlich Majestät, als ob sy diselbig gar nicht zu thun hätte schieben wil."
1 Bedenken der Theologen ibid. cap. 9.
Grundlegung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
haben nicht gewußt,“ ſagten ſie, „daß ſolches der Obrig- keit Rechte ſelbſt geben.“
Den Ernſt ihrer Bedenklichkeiten bewies es, daß dieſe ſo lange feſtgehalten wurden und auch ſpäter von Zeit zu Zeit wieder emporſtiegen.
Auf Luther machte es noch beſondern Eindruck, daß wie er ſchon immer bemerkt hatte, der Kaiſer gar nicht ſelbſtändig verfuhr, ſondern nach dem Rathe des Papſtes und der deutſchen Fürſten. Man urtheilte, er ſey kein Meh- rer des Reichs, ſondern ein Hauptmann und Geſchworner des Papſtes. Und ſollte man den alten Feinden, den bö- ſen Nachbarn, die ſich nun der Autorität des kaiſerli- chen Namens bedienen wollten, damit Muth machen, daß man den Widerſtand für unerlaubt erklärte? Sie hoffen, ſagt Luther, daß man ſich nicht wehren werde: wollen ſie aber Ritter werden an dem Unſern Blut, ſo ſollen ſie es mit Gefahr und Sorgen werden. 2
Und auf dieſen Grund nun trug Sachſen bei den ver- ſammelten Ständen auf ein Bündniß zur Gegenwehr ſelbſt wider den Kaiſer an. Man habe ihn bei früheren Verei- nigungen immer ausgenommen, doch könne das nichts hel- fen, da die Partei der Gegner ſich des kaiſerlichen Na- mens bediene. 3
1
2 Vgl. Warnung an ſeine lieben Deutſchen Altb. V p. 538. „Alles iſt ein Getrieb des oberſten Schalks in der Welt.“ Er rieth nicht, die Waffen zu ergreifen, ſondern wie er an Spengler ſchreibt, Ego pro mea parte dixi: ego consulo ut theologus sed si juristae possent docere legibus suis, id licere, ego permitterem eos suis legibus uti. Ipsi viderint.
3 „Dieſelbig Widerpartei die Sachen in die kaiſerlich Majeſtaͤt, als ob ſy diſelbig gar nicht zu thun haͤtte ſchieben wil.“
1 Bedenken der Theologen ibid. cap. 9.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0329"n="313"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Grundlegung des ſchmalkaldiſchen Bundes</hi>.</fw><lb/>
haben nicht gewußt,“ſagten ſie, „daß ſolches der Obrig-<lb/>
keit Rechte ſelbſt geben.“</p><lb/><p>Den Ernſt ihrer Bedenklichkeiten bewies es, daß dieſe<lb/>ſo lange feſtgehalten wurden und auch ſpäter von Zeit zu<lb/>
Zeit wieder emporſtiegen.</p><lb/><p>Auf Luther machte es noch beſondern Eindruck, daß<lb/>
wie er ſchon immer bemerkt hatte, der Kaiſer gar nicht<lb/>ſelbſtändig verfuhr, ſondern nach dem Rathe des Papſtes<lb/>
und der deutſchen Fürſten. Man urtheilte, er ſey kein Meh-<lb/>
rer des Reichs, ſondern ein Hauptmann und Geſchworner<lb/>
des Papſtes. Und ſollte man den alten Feinden, den bö-<lb/>ſen Nachbarn, die ſich nun der Autorität des kaiſerli-<lb/>
chen Namens bedienen wollten, damit Muth machen, daß<lb/>
man den Widerſtand für unerlaubt erklärte? Sie hoffen,<lb/>ſagt Luther, daß man ſich nicht wehren werde: wollen<lb/>ſie aber Ritter werden an dem Unſern Blut, ſo ſollen ſie<lb/>
es mit Gefahr und Sorgen werden. <noteplace="foot"n="2">Vgl. Warnung an ſeine lieben Deutſchen Altb. <hirendition="#aq">V p.</hi> 538.<lb/>„Alles iſt ein Getrieb des oberſten Schalks in der Welt.“ Er rieth<lb/>
nicht, die Waffen zu ergreifen, ſondern wie er an Spengler ſchreibt,<lb/><hirendition="#aq">Ego pro mea parte dixi: ego consulo ut theologus sed si juristae<lb/>
possent docere legibus suis, id licere, ego permitterem eos suis<lb/>
legibus uti. Ipsi viderint.</hi></note></p><lb/><p>Und auf dieſen Grund nun trug Sachſen bei den ver-<lb/>ſammelten Ständen auf ein Bündniß zur Gegenwehr ſelbſt<lb/>
wider den Kaiſer an. Man habe ihn bei früheren Verei-<lb/>
nigungen immer ausgenommen, doch könne das nichts hel-<lb/>
fen, da die Partei der Gegner ſich des kaiſerlichen Na-<lb/>
mens bediene. <noteplace="foot"n="3">„Dieſelbig Widerpartei die Sachen in die kaiſerlich Majeſtaͤt,<lb/>
als ob ſy diſelbig gar nicht zu thun haͤtte ſchieben wil.“</note></p><lb/><noteplace="foot"n="1">Bedenken der Theologen <hirendition="#aq">ibid. cap.</hi> 9.</note><lb/></div></div></body></text></TEI>
[313/0329]
Grundlegung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
haben nicht gewußt,“ ſagten ſie, „daß ſolches der Obrig-
keit Rechte ſelbſt geben.“
Den Ernſt ihrer Bedenklichkeiten bewies es, daß dieſe
ſo lange feſtgehalten wurden und auch ſpäter von Zeit zu
Zeit wieder emporſtiegen.
Auf Luther machte es noch beſondern Eindruck, daß
wie er ſchon immer bemerkt hatte, der Kaiſer gar nicht
ſelbſtändig verfuhr, ſondern nach dem Rathe des Papſtes
und der deutſchen Fürſten. Man urtheilte, er ſey kein Meh-
rer des Reichs, ſondern ein Hauptmann und Geſchworner
des Papſtes. Und ſollte man den alten Feinden, den bö-
ſen Nachbarn, die ſich nun der Autorität des kaiſerli-
chen Namens bedienen wollten, damit Muth machen, daß
man den Widerſtand für unerlaubt erklärte? Sie hoffen,
ſagt Luther, daß man ſich nicht wehren werde: wollen
ſie aber Ritter werden an dem Unſern Blut, ſo ſollen ſie
es mit Gefahr und Sorgen werden. 2
Und auf dieſen Grund nun trug Sachſen bei den ver-
ſammelten Ständen auf ein Bündniß zur Gegenwehr ſelbſt
wider den Kaiſer an. Man habe ihn bei früheren Verei-
nigungen immer ausgenommen, doch könne das nichts hel-
fen, da die Partei der Gegner ſich des kaiſerlichen Na-
mens bediene. 3
1
2 Vgl. Warnung an ſeine lieben Deutſchen Altb. V p. 538.
„Alles iſt ein Getrieb des oberſten Schalks in der Welt.“ Er rieth
nicht, die Waffen zu ergreifen, ſondern wie er an Spengler ſchreibt,
Ego pro mea parte dixi: ego consulo ut theologus sed si juristae
possent docere legibus suis, id licere, ego permitterem eos suis
legibus uti. Ipsi viderint.
3 „Dieſelbig Widerpartei die Sachen in die kaiſerlich Majeſtaͤt,
als ob ſy diſelbig gar nicht zu thun haͤtte ſchieben wil.“
1 Bedenken der Theologen ibid. cap. 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/329>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.