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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Erstes Capitel.
dingung wählen, würde heißen, seinen eignen Feinden das
Messer reichen. Man müsse für Einen Mann stehn und
sich gemeinschaftlich der Obedienz erwehren. Später werde
es an Unterhandlung doch nicht fehlen. Da habe man
dann gute Gelegenheit den König zu verpflichten, daß er
dem Fiscal Stillstand gebiete, oder den Abschied gänzlich
aufhebe. 1 Man könne ihm, so ist der Ausdruck, "ein Ge-
biß ins Maul legen."

Ansichten, welche sich sehr gut hören ließen, besonders
den Meinungen Landgraf Philipps entsprachen, auch den
Beifall bei weitem der meisten Stände für sich hatten.

Nur Markgraf Georg und seine Nachbarn zu Nürn-
berg wollten so weit nicht gehen. Der eine stand in zu
mannichfaltigen und eigenthümlichen Verhältnissen zu Fer-
dinand, als daß er hätte wagen sollen, ihn persönlich zu
beleidigen. Die andern liebten, sich ganz besonders als Un-
terthanen des Kaisers anzusehn. Auf die erste kaiserliche
Aufforderung hatten sie bereits den Krönungsornat, der bei
ihnen verwahrt wurde, verabfolgt, und ihre Gesandten zu
dem Acte selber an den kaiserlichen Hof gesandt.

Und damit stand nun noch eine andre Frage in enger
Verbindung.

Wenn gleich die nächsten Angriffe, die man zu besor-
gen hatte, mehr juridischer Natur waren, so ließ sich doch
nicht verkennen, daß der Kaiser im Nothfall Gewalt zu
brauchen gedenke. Man bemerkte, daß er im Reichsabschiede
zwar Andern Frieden geboten, aber nicht selber zugesagt

1 Artikel, so auf künftigen Tag zu Schmalkalden seind zu han-
deln (Weim. Arch.).

Sechstes Buch. Erſtes Capitel.
dingung wählen, würde heißen, ſeinen eignen Feinden das
Meſſer reichen. Man müſſe für Einen Mann ſtehn und
ſich gemeinſchaftlich der Obedienz erwehren. Später werde
es an Unterhandlung doch nicht fehlen. Da habe man
dann gute Gelegenheit den König zu verpflichten, daß er
dem Fiscal Stillſtand gebiete, oder den Abſchied gänzlich
aufhebe. 1 Man könne ihm, ſo iſt der Ausdruck, „ein Ge-
biß ins Maul legen.“

Anſichten, welche ſich ſehr gut hören ließen, beſonders
den Meinungen Landgraf Philipps entſprachen, auch den
Beifall bei weitem der meiſten Stände für ſich hatten.

Nur Markgraf Georg und ſeine Nachbarn zu Nürn-
berg wollten ſo weit nicht gehen. Der eine ſtand in zu
mannichfaltigen und eigenthümlichen Verhältniſſen zu Fer-
dinand, als daß er hätte wagen ſollen, ihn perſönlich zu
beleidigen. Die andern liebten, ſich ganz beſonders als Un-
terthanen des Kaiſers anzuſehn. Auf die erſte kaiſerliche
Aufforderung hatten ſie bereits den Krönungsornat, der bei
ihnen verwahrt wurde, verabfolgt, und ihre Geſandten zu
dem Acte ſelber an den kaiſerlichen Hof geſandt.

Und damit ſtand nun noch eine andre Frage in enger
Verbindung.

Wenn gleich die nächſten Angriffe, die man zu beſor-
gen hatte, mehr juridiſcher Natur waren, ſo ließ ſich doch
nicht verkennen, daß der Kaiſer im Nothfall Gewalt zu
brauchen gedenke. Man bemerkte, daß er im Reichsabſchiede
zwar Andern Frieden geboten, aber nicht ſelber zugeſagt

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deln (Weim. Arch.).
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[310/0326] Sechstes Buch. Erſtes Capitel. dingung wählen, würde heißen, ſeinen eignen Feinden das Meſſer reichen. Man müſſe für Einen Mann ſtehn und ſich gemeinſchaftlich der Obedienz erwehren. Später werde es an Unterhandlung doch nicht fehlen. Da habe man dann gute Gelegenheit den König zu verpflichten, daß er dem Fiscal Stillſtand gebiete, oder den Abſchied gänzlich aufhebe. 1 Man könne ihm, ſo iſt der Ausdruck, „ein Ge- biß ins Maul legen.“ Anſichten, welche ſich ſehr gut hören ließen, beſonders den Meinungen Landgraf Philipps entſprachen, auch den Beifall bei weitem der meiſten Stände für ſich hatten. Nur Markgraf Georg und ſeine Nachbarn zu Nürn- berg wollten ſo weit nicht gehen. Der eine ſtand in zu mannichfaltigen und eigenthümlichen Verhältniſſen zu Fer- dinand, als daß er hätte wagen ſollen, ihn perſönlich zu beleidigen. Die andern liebten, ſich ganz beſonders als Un- terthanen des Kaiſers anzuſehn. Auf die erſte kaiſerliche Aufforderung hatten ſie bereits den Krönungsornat, der bei ihnen verwahrt wurde, verabfolgt, und ihre Geſandten zu dem Acte ſelber an den kaiſerlichen Hof geſandt. Und damit ſtand nun noch eine andre Frage in enger Verbindung. Wenn gleich die nächſten Angriffe, die man zu beſor- gen hatte, mehr juridiſcher Natur waren, ſo ließ ſich doch nicht verkennen, daß der Kaiſer im Nothfall Gewalt zu brauchen gedenke. Man bemerkte, daß er im Reichsabſchiede zwar Andern Frieden geboten, aber nicht ſelber zugeſagt 1 Artikel, ſo auf kuͤnftigen Tag zu Schmalkalden ſeind zu han- deln (Weim. Arch.).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/326>, abgerufen am 22.11.2024.