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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.
bereit gehabt, wäre er nicht an die Beschlüsse der Majo-
rität gebunden gewesen, so würde er sich aller seiner Milde
zum Trotz durch die Consequenz seiner Verpflichtungen wahr-
scheinlich haben bewegen lassen, an dieß Werk zu schreiten.

Es ist aber wohl sehr erklärlich, wenn die Majorität
des Reichstags doch einiges Bedenken trug, hierauf einzu-
gehen. Es hatten sich doch, wie berührt, Interessen erge-
ben, in denen die Stände mit dem Kaiser nicht völlig über-
einstimmten; 1 sich ihm zu einem Kriegszug so unbedingt
anzuschließen waren sie nicht gemeint. So durchaus hat-
ten die alten reichsständischen Gesinnungen dem religiösen
Hasse noch nicht Platz gemacht. Vielmehr erregte so eben
der Plan der römischen Königswahl, wir werden darauf
zurückkommen, neue Verstimmung.

Die Stände brachten einen Abschied in Vorschlag,
der den Krieg zwar in Aussicht stellte, aber noch ver-
schob: den Protestanten sollte bis den nächsten 5. Mai Be-
denkzeit gestattet werden, um sich über die unverglichen ge-
bliebenen Artikel zu erklären.

Unglücklicherweise war aber auch dieser Entwurf wie-
der in Ausdrücken abgefaßt, welche das Selbstgefühl der
Protestanten verletzten. Es hieß darin, sie sollten Nie-
mand zu ihrer Secte nöthigen; Wort und Sache war ihnen
gleich verhaßt; er enthielt Anordnungen, denen sie sich schlech-
terdings nicht unterwerfen zu dürfen glaubten, z. B. in Sa-
chen des Glaubens binnen dieser Zeit nichts Neues drucken
zu lassen, den Mönchen Beichte und Messe zu gestatten;

1 Königklich wirde zu Hungern etc. Revocation der babstlichen
bulle so auf den vierten Tail d' geistlichen gutter erlangt bei Förste-
mann Urk. II, 843.

Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
bereit gehabt, wäre er nicht an die Beſchlüſſe der Majo-
rität gebunden geweſen, ſo würde er ſich aller ſeiner Milde
zum Trotz durch die Conſequenz ſeiner Verpflichtungen wahr-
ſcheinlich haben bewegen laſſen, an dieß Werk zu ſchreiten.

Es iſt aber wohl ſehr erklärlich, wenn die Majorität
des Reichstags doch einiges Bedenken trug, hierauf einzu-
gehen. Es hatten ſich doch, wie berührt, Intereſſen erge-
ben, in denen die Stände mit dem Kaiſer nicht völlig über-
einſtimmten; 1 ſich ihm zu einem Kriegszug ſo unbedingt
anzuſchließen waren ſie nicht gemeint. So durchaus hat-
ten die alten reichsſtändiſchen Geſinnungen dem religiöſen
Haſſe noch nicht Platz gemacht. Vielmehr erregte ſo eben
der Plan der römiſchen Königswahl, wir werden darauf
zurückkommen, neue Verſtimmung.

Die Stände brachten einen Abſchied in Vorſchlag,
der den Krieg zwar in Ausſicht ſtellte, aber noch ver-
ſchob: den Proteſtanten ſollte bis den nächſten 5. Mai Be-
denkzeit geſtattet werden, um ſich über die unverglichen ge-
bliebenen Artikel zu erklären.

Unglücklicherweiſe war aber auch dieſer Entwurf wie-
der in Ausdrücken abgefaßt, welche das Selbſtgefühl der
Proteſtanten verletzten. Es hieß darin, ſie ſollten Nie-
mand zu ihrer Secte nöthigen; Wort und Sache war ihnen
gleich verhaßt; er enthielt Anordnungen, denen ſie ſich ſchlech-
terdings nicht unterwerfen zu dürfen glaubten, z. B. in Sa-
chen des Glaubens binnen dieſer Zeit nichts Neues drucken
zu laſſen, den Mönchen Beichte und Meſſe zu geſtatten;

1 Koͤnigklich wirde zu Hungern etc. Revocation der babſtlichen
bulle ſo auf den vierten Tail d’ geiſtlichen gutter erlangt bei Foͤrſte-
mann Urk. II, 843.
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[286/0302] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. bereit gehabt, wäre er nicht an die Beſchlüſſe der Majo- rität gebunden geweſen, ſo würde er ſich aller ſeiner Milde zum Trotz durch die Conſequenz ſeiner Verpflichtungen wahr- ſcheinlich haben bewegen laſſen, an dieß Werk zu ſchreiten. Es iſt aber wohl ſehr erklärlich, wenn die Majorität des Reichstags doch einiges Bedenken trug, hierauf einzu- gehen. Es hatten ſich doch, wie berührt, Intereſſen erge- ben, in denen die Stände mit dem Kaiſer nicht völlig über- einſtimmten; 1 ſich ihm zu einem Kriegszug ſo unbedingt anzuſchließen waren ſie nicht gemeint. So durchaus hat- ten die alten reichsſtändiſchen Geſinnungen dem religiöſen Haſſe noch nicht Platz gemacht. Vielmehr erregte ſo eben der Plan der römiſchen Königswahl, wir werden darauf zurückkommen, neue Verſtimmung. Die Stände brachten einen Abſchied in Vorſchlag, der den Krieg zwar in Ausſicht ſtellte, aber noch ver- ſchob: den Proteſtanten ſollte bis den nächſten 5. Mai Be- denkzeit geſtattet werden, um ſich über die unverglichen ge- bliebenen Artikel zu erklären. Unglücklicherweiſe war aber auch dieſer Entwurf wie- der in Ausdrücken abgefaßt, welche das Selbſtgefühl der Proteſtanten verletzten. Es hieß darin, ſie ſollten Nie- mand zu ihrer Secte nöthigen; Wort und Sache war ihnen gleich verhaßt; er enthielt Anordnungen, denen ſie ſich ſchlech- terdings nicht unterwerfen zu dürfen glaubten, z. B. in Sa- chen des Glaubens binnen dieſer Zeit nichts Neues drucken zu laſſen, den Mönchen Beichte und Meſſe zu geſtatten; 1 Koͤnigklich wirde zu Hungern etc. Revocation der babſtlichen bulle ſo auf den vierten Tail d’ geiſtlichen gutter erlangt bei Foͤrſte- mann Urk. II, 843.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/302>, abgerufen am 22.11.2024.