Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriegsgefahr.
harren, deren sie keine Majorität entsetzen könne, und ba-
ten übrigens lediglich um den äußern Frieden. 1

So unvermeidlich eine Antwort dieser Art war, so
fühlte sich doch der Kaiser dadurch nicht wenig gekränkt.
Er ließ die Protestanten wissen, er habe dieselbe "mit merk-
lichem Mißfallen" vernommen. Er sagt in einem seiner
Briefe, er könne nicht beschreiben, wie viel Verdruß ihm
diese Angelegenheit mache. Er hätte an den Ideen der la-
teinischen Christenheit festhaltend, über alle seine Gegner zu
triumphiren gewünscht; sein Ehrgeiz war ritterlicher Natur;
statt dessen sah er sich in diese ihm wesentlich unverständ-
lichen, auf jeden Fall höchst unerfreulichen Händel verwickelt. 2

In der That glaubte er nunmehr alle Mittel erschöpft
zu haben und zu den Waffen greifen zu müssen. Bereits
in dem obenangeführten Schreiben an den Papst sagt er:
"Gewalt wäre jetzt, was die meiste Frucht bringen würde";
es hielt ihn nur noch zurück, daß man nicht hinreichend
dazu vorbereitet war. Nachdem die neue Antwort der
Protestanten eingegangen, eröffnete er der Majorität der
Stände, da er nichts nachgeben könne, was das Wesen
des Glaubens verletze, und da alle gnädige Handlung nichts
geholfen, so sey er bereit, Leib und Gut daran zu strecken
und mit Hülfe und Rath der Stände alles zu thun, was
nothwendig sey. Auch beim Papst und bei andern Fürsten
werde er um Hülfe zu diesem Zwecke ansuchen.

Er schien die Protestanten behandeln zu wollen, wie
seine Mauren in Valencia. Hätte er sofort Kriegsmittel

1 Antwort der Protestanten, datirt vom 8. Septemb. Förste-
manns Urkunden II, 411.
2 Bericht Hellers ibid. 422.

Kriegsgefahr.
harren, deren ſie keine Majorität entſetzen könne, und ba-
ten übrigens lediglich um den äußern Frieden. 1

So unvermeidlich eine Antwort dieſer Art war, ſo
fühlte ſich doch der Kaiſer dadurch nicht wenig gekränkt.
Er ließ die Proteſtanten wiſſen, er habe dieſelbe „mit merk-
lichem Mißfallen“ vernommen. Er ſagt in einem ſeiner
Briefe, er könne nicht beſchreiben, wie viel Verdruß ihm
dieſe Angelegenheit mache. Er hätte an den Ideen der la-
teiniſchen Chriſtenheit feſthaltend, über alle ſeine Gegner zu
triumphiren gewünſcht; ſein Ehrgeiz war ritterlicher Natur;
ſtatt deſſen ſah er ſich in dieſe ihm weſentlich unverſtänd-
lichen, auf jeden Fall höchſt unerfreulichen Händel verwickelt. 2

In der That glaubte er nunmehr alle Mittel erſchöpft
zu haben und zu den Waffen greifen zu müſſen. Bereits
in dem obenangeführten Schreiben an den Papſt ſagt er:
„Gewalt wäre jetzt, was die meiſte Frucht bringen würde“;
es hielt ihn nur noch zurück, daß man nicht hinreichend
dazu vorbereitet war. Nachdem die neue Antwort der
Proteſtanten eingegangen, eröffnete er der Majorität der
Stände, da er nichts nachgeben könne, was das Weſen
des Glaubens verletze, und da alle gnädige Handlung nichts
geholfen, ſo ſey er bereit, Leib und Gut daran zu ſtrecken
und mit Hülfe und Rath der Stände alles zu thun, was
nothwendig ſey. Auch beim Papſt und bei andern Fürſten
werde er um Hülfe zu dieſem Zwecke anſuchen.

Er ſchien die Proteſtanten behandeln zu wollen, wie
ſeine Mauren in Valencia. Hätte er ſofort Kriegsmittel

1 Antwort der Proteſtanten, datirt vom 8. Septemb. Foͤrſte-
manns Urkunden II, 411.
2 Bericht Hellers ibid. 422.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0301" n="285"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kriegsgefahr</hi>.</fw><lb/>
harren, deren &#x017F;ie keine Majorität ent&#x017F;etzen könne, und ba-<lb/>
ten übrigens lediglich um den äußern Frieden. <note place="foot" n="1">Antwort der Prote&#x017F;tanten, datirt vom 8. Septemb. Fo&#x0364;r&#x017F;te-<lb/>
manns Urkunden <hi rendition="#aq">II,</hi> 411.</note></p><lb/>
            <p>So unvermeidlich eine Antwort die&#x017F;er Art war, &#x017F;o<lb/>
fühlte &#x017F;ich doch der Kai&#x017F;er dadurch nicht wenig gekränkt.<lb/>
Er ließ die Prote&#x017F;tanten wi&#x017F;&#x017F;en, er habe die&#x017F;elbe &#x201E;mit merk-<lb/>
lichem Mißfallen&#x201C; vernommen. Er &#x017F;agt in einem &#x017F;einer<lb/>
Briefe, er könne nicht be&#x017F;chreiben, wie viel Verdruß ihm<lb/>
die&#x017F;e Angelegenheit mache. Er hätte an den Ideen der la-<lb/>
teini&#x017F;chen Chri&#x017F;tenheit fe&#x017F;thaltend, über alle &#x017F;eine Gegner zu<lb/>
triumphiren gewün&#x017F;cht; &#x017F;ein Ehrgeiz war ritterlicher Natur;<lb/>
&#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ah er &#x017F;ich in die&#x017F;e ihm we&#x017F;entlich unver&#x017F;tänd-<lb/>
lichen, auf jeden Fall höch&#x017F;t unerfreulichen Händel verwickelt. <note place="foot" n="2">Bericht Hellers <hi rendition="#aq">ibid.</hi> 422.</note></p><lb/>
            <p>In der That glaubte er nunmehr alle Mittel er&#x017F;chöpft<lb/>
zu haben und zu den Waffen greifen zu mü&#x017F;&#x017F;en. Bereits<lb/>
in dem obenangeführten Schreiben an den Pap&#x017F;t &#x017F;agt er:<lb/>
&#x201E;Gewalt wäre jetzt, was die mei&#x017F;te Frucht bringen würde&#x201C;;<lb/>
es hielt ihn nur noch zurück, daß man nicht hinreichend<lb/>
dazu vorbereitet war. Nachdem die neue Antwort der<lb/>
Prote&#x017F;tanten eingegangen, eröffnete er der Majorität der<lb/>
Stände, da er nichts nachgeben könne, was das We&#x017F;en<lb/>
des Glaubens verletze, und da alle gnädige Handlung nichts<lb/>
geholfen, &#x017F;o &#x017F;ey er bereit, Leib und Gut daran zu &#x017F;trecken<lb/>
und mit Hülfe und Rath der Stände alles zu thun, was<lb/>
nothwendig &#x017F;ey. Auch beim Pap&#x017F;t und bei andern Für&#x017F;ten<lb/>
werde er um Hülfe zu die&#x017F;em Zwecke an&#x017F;uchen.</p><lb/>
            <p>Er &#x017F;chien die Prote&#x017F;tanten behandeln zu wollen, wie<lb/>
&#x017F;eine Mauren in Valencia. Hätte er &#x017F;ofort Kriegsmittel<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0301] Kriegsgefahr. harren, deren ſie keine Majorität entſetzen könne, und ba- ten übrigens lediglich um den äußern Frieden. 1 So unvermeidlich eine Antwort dieſer Art war, ſo fühlte ſich doch der Kaiſer dadurch nicht wenig gekränkt. Er ließ die Proteſtanten wiſſen, er habe dieſelbe „mit merk- lichem Mißfallen“ vernommen. Er ſagt in einem ſeiner Briefe, er könne nicht beſchreiben, wie viel Verdruß ihm dieſe Angelegenheit mache. Er hätte an den Ideen der la- teiniſchen Chriſtenheit feſthaltend, über alle ſeine Gegner zu triumphiren gewünſcht; ſein Ehrgeiz war ritterlicher Natur; ſtatt deſſen ſah er ſich in dieſe ihm weſentlich unverſtänd- lichen, auf jeden Fall höchſt unerfreulichen Händel verwickelt. 2 In der That glaubte er nunmehr alle Mittel erſchöpft zu haben und zu den Waffen greifen zu müſſen. Bereits in dem obenangeführten Schreiben an den Papſt ſagt er: „Gewalt wäre jetzt, was die meiſte Frucht bringen würde“; es hielt ihn nur noch zurück, daß man nicht hinreichend dazu vorbereitet war. Nachdem die neue Antwort der Proteſtanten eingegangen, eröffnete er der Majorität der Stände, da er nichts nachgeben könne, was das Weſen des Glaubens verletze, und da alle gnädige Handlung nichts geholfen, ſo ſey er bereit, Leib und Gut daran zu ſtrecken und mit Hülfe und Rath der Stände alles zu thun, was nothwendig ſey. Auch beim Papſt und bei andern Fürſten werde er um Hülfe zu dieſem Zwecke anſuchen. Er ſchien die Proteſtanten behandeln zu wollen, wie ſeine Mauren in Valencia. Hätte er ſofort Kriegsmittel 1 Antwort der Proteſtanten, datirt vom 8. Septemb. Foͤrſte- manns Urkunden II, 411. 2 Bericht Hellers ibid. 422.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/301
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/301>, abgerufen am 17.05.2024.