söhnung mehr. Er sah voraus, daß er in seine Fürsten dringen werde, eben so gut die ganze Lehre fahren zu las- sen. Nicht daß er den Kaiser selbst für gewaltsam gehal- ten hätte, er spricht von dem edlen Blut "Kaiser Carolus" nie ohne Ehrerbietung, aber er weiß, in welchen Händen der Herr ist; er erblickt in ihm nur die Larve, hinter der sich die alten Feinde verbergen. Er bezweifelt nicht, daß diese nur auf Gewalt denken, auf ihre Mehrzahl trotzen. Er meint, jener Florentiner auf dem päpstlichen Stuhl werde wohl noch Gelegenheit finden, den Deutschen ein Blutbad anzurichten.
Aber diese Absichten schrecken ihn nicht. "Laß sie nur machen, sie sind noch nicht am Ende."
Daran könnte er nicht denken, einen Schritt breit wei- ter nachzugeben: "Tag und Nacht lebe ich in diesen Din- gen. Ich durchsuche die Schrift, überlege, disputire: täg- lich wächst mir die Gewißheit: ich werde mir nichts mehr nehmen lassen, es gehe mir darüber wie Gott will." Es macht ihn lachen, daß sie auf Restitution dringen. "Sie mögen erst das Blut des Leonhard Kaiser herausgeben und so vieler Andern, die sie unschuldig ermordet."
Daß er aber so wenig fürchtet, ist allein die Folge der Ueberzeugung, daß seine Sache Gottes Sache ist. "Ei- nige sind wehmüthig, als habe Gott unser vergessen; da er doch uns nicht vergessen kann, er müßte denn zuvor sein selbst vergessen: unsre Sache müßte nicht seine Sache, unsre Lehre nicht sein Werk seyn. Wäre aber Christus nicht mit uns, wo wäre er denn in der Welt? Hätten wir nicht Gottes Wort, wer hätte es denn. -- Er tröstet sich des
Stimmung Luthers.
ſöhnung mehr. Er ſah voraus, daß er in ſeine Fürſten dringen werde, eben ſo gut die ganze Lehre fahren zu laſ- ſen. Nicht daß er den Kaiſer ſelbſt für gewaltſam gehal- ten hätte, er ſpricht von dem edlen Blut „Kaiſer Carolus“ nie ohne Ehrerbietung, aber er weiß, in welchen Händen der Herr iſt; er erblickt in ihm nur die Larve, hinter der ſich die alten Feinde verbergen. Er bezweifelt nicht, daß dieſe nur auf Gewalt denken, auf ihre Mehrzahl trotzen. Er meint, jener Florentiner auf dem päpſtlichen Stuhl werde wohl noch Gelegenheit finden, den Deutſchen ein Blutbad anzurichten.
Aber dieſe Abſichten ſchrecken ihn nicht. „Laß ſie nur machen, ſie ſind noch nicht am Ende.“
Daran könnte er nicht denken, einen Schritt breit wei- ter nachzugeben: „Tag und Nacht lebe ich in dieſen Din- gen. Ich durchſuche die Schrift, überlege, disputire: täg- lich wächſt mir die Gewißheit: ich werde mir nichts mehr nehmen laſſen, es gehe mir darüber wie Gott will.“ Es macht ihn lachen, daß ſie auf Reſtitution dringen. „Sie mögen erſt das Blut des Leonhard Kaiſer herausgeben und ſo vieler Andern, die ſie unſchuldig ermordet.“
Daß er aber ſo wenig fürchtet, iſt allein die Folge der Ueberzeugung, daß ſeine Sache Gottes Sache iſt. „Ei- nige ſind wehmüthig, als habe Gott unſer vergeſſen; da er doch uns nicht vergeſſen kann, er müßte denn zuvor ſein ſelbſt vergeſſen: unſre Sache müßte nicht ſeine Sache, unſre Lehre nicht ſein Werk ſeyn. Wäre aber Chriſtus nicht mit uns, wo wäre er denn in der Welt? Hätten wir nicht Gottes Wort, wer hätte es denn. — Er tröſtet ſich des
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Stimmung Luthers.
ſöhnung mehr. Er ſah voraus, daß er in ſeine Fürſten
dringen werde, eben ſo gut die ganze Lehre fahren zu laſ-
ſen. Nicht daß er den Kaiſer ſelbſt für gewaltſam gehal-
ten hätte, er ſpricht von dem edlen Blut „Kaiſer Carolus“
nie ohne Ehrerbietung, aber er weiß, in welchen Händen
der Herr iſt; er erblickt in ihm nur die Larve, hinter der
ſich die alten Feinde verbergen. Er bezweifelt nicht, daß
dieſe nur auf Gewalt denken, auf ihre Mehrzahl trotzen.
Er meint, jener Florentiner auf dem päpſtlichen Stuhl werde
wohl noch Gelegenheit finden, den Deutſchen ein Blutbad
anzurichten.
Aber dieſe Abſichten ſchrecken ihn nicht. „Laß ſie
nur machen, ſie ſind noch nicht am Ende.“
Daran könnte er nicht denken, einen Schritt breit wei-
ter nachzugeben: „Tag und Nacht lebe ich in dieſen Din-
gen. Ich durchſuche die Schrift, überlege, disputire: täg-
lich wächſt mir die Gewißheit: ich werde mir nichts mehr
nehmen laſſen, es gehe mir darüber wie Gott will.“ Es
macht ihn lachen, daß ſie auf Reſtitution dringen. „Sie
mögen erſt das Blut des Leonhard Kaiſer herausgeben und
ſo vieler Andern, die ſie unſchuldig ermordet.“
Daß er aber ſo wenig fürchtet, iſt allein die Folge
der Ueberzeugung, daß ſeine Sache Gottes Sache iſt. „Ei-
nige ſind wehmüthig, als habe Gott unſer vergeſſen; da
er doch uns nicht vergeſſen kann, er müßte denn zuvor
ſein ſelbſt vergeſſen: unſre Sache müßte nicht ſeine Sache,
unſre Lehre nicht ſein Werk ſeyn. Wäre aber Chriſtus nicht
mit uns, wo wäre er denn in der Welt? Hätten wir nicht
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/283>, abgerufen am 24.11.2024.
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