Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Fünftes Capitel.
von Schwerin, der sich den Veränderungen heftig wider-
setzte. Der Churfürst von der Pfalz, ehedem so gut wie
einverstanden, verbot jetzt seinen Leuten, die Predigt zu be-
suchen. Man glaubte, er werde von seinem Bruder, Pfalz-
graf Friedrich, der sich aufs neue Hoffnung auf eine östrei-
chische Prinzessin machte, dazu bestimmt. "Pfalz," heißt es
in einem Schreiben aus Speier, "kennt kein Sachsen mehr."

Unter diesen Umständen, von einer ihren Wünschen ent-
sprechenden Stimmung umgeben, konnten nun die kaiserli-
chen Commissarien in ihrer Proposition -- 15. März --
mit einem Antrag von entscheidendem Inhalt hervortreten. 2

Indem sie ein Concilium mit größerer Bestimmtheit
als früher, da nun auch der Papst damit einverstanden sey,
ankündigten, und dabei die alte Frage berührten, wie es
bis zu demselben gehalten werden solle, schlugen sie vor,
jenen Artikel des Abschieds von 1526, kraft dessen alle bis-
herigen Neuerungen unternommen worden, weil er "zu gro-
ßem Unrath und Mißverstand" Anlaß gegeben, förmlich zu
widerrufen und ihn gegen eine andre, geradezu entgegenge-
setzte, die geistliche Obrigkeit begünstigende Anordnung zu
vertauschen.

Es war das wohl ein Gedanke, den die meisten Alt-
1

2 "Damit aber" etc. -- -- heißt es in der Proposition, "so
hebt J. Kais. Maj. angezaigten Artikel, wie der in gedachten Ab-
schied begriffen ist, hiemit auf, cassirt und vernichtet denselben, jetzt
als dann, dann als jetzt alles aus Kaiserlicher Machtvollkommenheit."
-- Müller Historie von der evangelischen Stände Protestation und
Appellation p. 22.
1 Besorg, schreibt Jacob Sturm an Peter Bütz, Mitte März,
wie ich die Personen, so hie sind ansehe, es werd nitt vil zu erlan-
gen sinn. In Summa, Christus est denuo in manibus Caiphae
et Pilati,
bei Jung: Gesch. des Reichstags zu Speier, Beil. nr. 4.

Fuͤnftes Buch. Fuͤnftes Capitel.
von Schwerin, der ſich den Veränderungen heftig wider-
ſetzte. Der Churfürſt von der Pfalz, ehedem ſo gut wie
einverſtanden, verbot jetzt ſeinen Leuten, die Predigt zu be-
ſuchen. Man glaubte, er werde von ſeinem Bruder, Pfalz-
graf Friedrich, der ſich aufs neue Hoffnung auf eine öſtrei-
chiſche Prinzeſſin machte, dazu beſtimmt. „Pfalz,“ heißt es
in einem Schreiben aus Speier, „kennt kein Sachſen mehr.“

Unter dieſen Umſtänden, von einer ihren Wünſchen ent-
ſprechenden Stimmung umgeben, konnten nun die kaiſerli-
chen Commiſſarien in ihrer Propoſition — 15. März —
mit einem Antrag von entſcheidendem Inhalt hervortreten. 2

Indem ſie ein Concilium mit größerer Beſtimmtheit
als früher, da nun auch der Papſt damit einverſtanden ſey,
ankündigten, und dabei die alte Frage berührten, wie es
bis zu demſelben gehalten werden ſolle, ſchlugen ſie vor,
jenen Artikel des Abſchieds von 1526, kraft deſſen alle bis-
herigen Neuerungen unternommen worden, weil er „zu gro-
ßem Unrath und Mißverſtand“ Anlaß gegeben, förmlich zu
widerrufen und ihn gegen eine andre, geradezu entgegenge-
ſetzte, die geiſtliche Obrigkeit begünſtigende Anordnung zu
vertauſchen.

Es war das wohl ein Gedanke, den die meiſten Alt-
1

2 „Damit aber“ etc. — — heißt es in der Propoſition, „ſo
hebt J. Kaiſ. Maj. angezaigten Artikel, wie der in gedachten Ab-
ſchied begriffen iſt, hiemit auf, caſſirt und vernichtet denſelben, jetzt
als dann, dann als jetzt alles aus Kaiſerlicher Machtvollkommenheit.“
— Muͤller Hiſtorie von der evangeliſchen Staͤnde Proteſtation und
Appellation p. 22.
1 Beſorg, ſchreibt Jacob Sturm an Peter Buͤtz, Mitte Maͤrz,
wie ich die Perſonen, ſo hie ſind anſehe, es werd nitt vil zu erlan-
gen ſinn. In Summa, Christus est denuo in manibus Caiphae
et Pilati,
bei Jung: Geſch. des Reichstags zu Speier, Beil. nr. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0162" n="146"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
von Schwerin, der &#x017F;ich den Veränderungen heftig wider-<lb/>
&#x017F;etzte. Der Churfür&#x017F;t von der Pfalz, ehedem &#x017F;o gut wie<lb/>
einver&#x017F;tanden, verbot jetzt &#x017F;einen Leuten, die Predigt zu be-<lb/>
&#x017F;uchen. Man glaubte, er werde von &#x017F;einem Bruder, Pfalz-<lb/>
graf Friedrich, der &#x017F;ich aufs neue Hoffnung auf eine ö&#x017F;trei-<lb/>
chi&#x017F;che Prinze&#x017F;&#x017F;in machte, dazu be&#x017F;timmt. &#x201E;Pfalz,&#x201C; heißt es<lb/>
in einem Schreiben aus Speier, &#x201E;kennt kein Sach&#x017F;en mehr.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Unter die&#x017F;en Um&#x017F;tänden, von einer ihren Wün&#x017F;chen ent-<lb/>
&#x017F;prechenden Stimmung umgeben, konnten nun die kai&#x017F;erli-<lb/>
chen Commi&#x017F;&#x017F;arien in ihrer Propo&#x017F;ition &#x2014; 15. März &#x2014;<lb/>
mit einem Antrag von ent&#x017F;cheidendem Inhalt hervortreten. <note place="foot" n="2">&#x201E;Damit aber&#x201C; <hi rendition="#aq">etc.</hi> &#x2014; &#x2014; heißt es in der Propo&#x017F;ition, &#x201E;&#x017F;o<lb/>
hebt J. Kai&#x017F;. Maj. angezaigten Artikel, wie der in gedachten Ab-<lb/>
&#x017F;chied begriffen i&#x017F;t, hiemit auf, ca&#x017F;&#x017F;irt und vernichtet den&#x017F;elben, jetzt<lb/>
als dann, dann als jetzt alles aus Kai&#x017F;erlicher Machtvollkommenheit.&#x201C;<lb/>
&#x2014; Mu&#x0364;ller Hi&#x017F;torie von der evangeli&#x017F;chen Sta&#x0364;nde Prote&#x017F;tation und<lb/>
Appellation <hi rendition="#aq">p.</hi> 22.</note></p><lb/>
          <p>Indem &#x017F;ie ein Concilium mit größerer Be&#x017F;timmtheit<lb/>
als früher, da nun auch der Pap&#x017F;t damit einver&#x017F;tanden &#x017F;ey,<lb/>
ankündigten, und dabei die alte Frage berührten, wie es<lb/>
bis zu dem&#x017F;elben gehalten werden &#x017F;olle, &#x017F;chlugen &#x017F;ie vor,<lb/>
jenen Artikel des Ab&#x017F;chieds von 1526, kraft de&#x017F;&#x017F;en alle bis-<lb/>
herigen Neuerungen unternommen worden, weil er &#x201E;zu gro-<lb/>
ßem Unrath und Mißver&#x017F;tand&#x201C; Anlaß gegeben, förmlich zu<lb/>
widerrufen und ihn gegen eine andre, geradezu entgegenge-<lb/>
&#x017F;etzte, die gei&#x017F;tliche Obrigkeit begün&#x017F;tigende Anordnung zu<lb/>
vertau&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Es war das wohl ein Gedanke, den die mei&#x017F;ten Alt-<lb/><note place="foot" n="1">Be&#x017F;org, &#x017F;chreibt Jacob Sturm an Peter Bu&#x0364;tz, Mitte Ma&#x0364;rz,<lb/>
wie ich die Per&#x017F;onen, &#x017F;o hie &#x017F;ind an&#x017F;ehe, es werd nitt vil zu erlan-<lb/>
gen &#x017F;inn. In Summa, <hi rendition="#aq">Christus est denuo in manibus Caiphae<lb/>
et Pilati,</hi> bei Jung: Ge&#x017F;ch. des Reichstags zu Speier, Beil. <hi rendition="#aq">nr.</hi> 4.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0162] Fuͤnftes Buch. Fuͤnftes Capitel. von Schwerin, der ſich den Veränderungen heftig wider- ſetzte. Der Churfürſt von der Pfalz, ehedem ſo gut wie einverſtanden, verbot jetzt ſeinen Leuten, die Predigt zu be- ſuchen. Man glaubte, er werde von ſeinem Bruder, Pfalz- graf Friedrich, der ſich aufs neue Hoffnung auf eine öſtrei- chiſche Prinzeſſin machte, dazu beſtimmt. „Pfalz,“ heißt es in einem Schreiben aus Speier, „kennt kein Sachſen mehr.“ Unter dieſen Umſtänden, von einer ihren Wünſchen ent- ſprechenden Stimmung umgeben, konnten nun die kaiſerli- chen Commiſſarien in ihrer Propoſition — 15. März — mit einem Antrag von entſcheidendem Inhalt hervortreten. 2 Indem ſie ein Concilium mit größerer Beſtimmtheit als früher, da nun auch der Papſt damit einverſtanden ſey, ankündigten, und dabei die alte Frage berührten, wie es bis zu demſelben gehalten werden ſolle, ſchlugen ſie vor, jenen Artikel des Abſchieds von 1526, kraft deſſen alle bis- herigen Neuerungen unternommen worden, weil er „zu gro- ßem Unrath und Mißverſtand“ Anlaß gegeben, förmlich zu widerrufen und ihn gegen eine andre, geradezu entgegenge- ſetzte, die geiſtliche Obrigkeit begünſtigende Anordnung zu vertauſchen. Es war das wohl ein Gedanke, den die meiſten Alt- 1 2 „Damit aber“ etc. — — heißt es in der Propoſition, „ſo hebt J. Kaiſ. Maj. angezaigten Artikel, wie der in gedachten Ab- ſchied begriffen iſt, hiemit auf, caſſirt und vernichtet denſelben, jetzt als dann, dann als jetzt alles aus Kaiſerlicher Machtvollkommenheit.“ — Muͤller Hiſtorie von der evangeliſchen Staͤnde Proteſtation und Appellation p. 22. 1 Beſorg, ſchreibt Jacob Sturm an Peter Buͤtz, Mitte Maͤrz, wie ich die Perſonen, ſo hie ſind anſehe, es werd nitt vil zu erlan- gen ſinn. In Summa, Christus est denuo in manibus Caiphae et Pilati, bei Jung: Geſch. des Reichstags zu Speier, Beil. nr. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/162
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/162>, abgerufen am 03.05.2024.