Schon am 2. September ward Campeggi erinnert, daß, so verpflichtet sich auch Seine Heiligkeit dem König von England fühle, sie doch auch auf den siegreichen Kai- ser Rücksicht zu nehmen habe, und ihm nicht neuen Anlaß zum Bruch geben dürfe, was nicht allein den Frieden ver- hindern, sondern auch zum äußersten Ruin des Kirchen- staats gereichen würde. 1
Im October 1528 kam Campeggi in England an. So stark auch zuweilen die Ausdrücke waren, deren er sich gegen den Kaiser bediente, so zeigte sich doch gar bald, daß er nichts Ernstliches wider ihn vornehmen würde. Er er- mahnte noch zuweilen den König, zuweilen Wolsey, von ihrem Vorhaben abzustehen. Eine Bulle, mit welcher Wol- sey dem geheimen Rathe des Königs den guten Willen des Papstes zu beweisen hoffte, weigerte er sich schlechterdings vorzuzeigen; 2 er hat sie wahrscheinlich selber verbrannt; bei jedem Schritte machte er Miene, nach Rom zu recur- riren. Die Meinung, die sich allmählig Bahn brach, da eine Vermählung mit des Bruders Wittwe im alten Testa- mente verboten worden, so sey das ein Fall, wo der Papst gar nicht dispensiren könne, verwarf er mit großer Lebhaf-
1 Sanga an Campeggi, Viterbo 2. Sptr. 1528. Päpste I, 126.
2 Pallavicini läugnet lib. II, c. XV die Existenz dieser Bulle, welche Guicciardini behauptet hatte. Allein man braucht nur den schon erwähnten Bericht von Casalis über seine Verhandlungen mit dem Papst im December 1528 zu lesen, um alle Zweifel fahren zu lassen. S. D. N. injecta in meum brachium manu, -- dixit -- bullam decretalem dedisse, ut tantum regi ostenderetur concremaretur- que. Burnet. Records II, 17, p 42. Was nun aber diese Bulle ent- hielt, ist natürlich nicht auszumachen, da sie Niemand gesehen hat, als der König und Campeggi. Da möchte ich denn freilich den Ver- sicherungen Guicciardinis auch nicht glauben.
Verhandlungen zwiſchen Rom und England.
Schon am 2. September ward Campeggi erinnert, daß, ſo verpflichtet ſich auch Seine Heiligkeit dem König von England fühle, ſie doch auch auf den ſiegreichen Kai- ſer Rückſicht zu nehmen habe, und ihm nicht neuen Anlaß zum Bruch geben dürfe, was nicht allein den Frieden ver- hindern, ſondern auch zum äußerſten Ruin des Kirchen- ſtaats gereichen würde. 1
Im October 1528 kam Campeggi in England an. So ſtark auch zuweilen die Ausdrücke waren, deren er ſich gegen den Kaiſer bediente, ſo zeigte ſich doch gar bald, daß er nichts Ernſtliches wider ihn vornehmen würde. Er er- mahnte noch zuweilen den König, zuweilen Wolſey, von ihrem Vorhaben abzuſtehen. Eine Bulle, mit welcher Wol- ſey dem geheimen Rathe des Königs den guten Willen des Papſtes zu beweiſen hoffte, weigerte er ſich ſchlechterdings vorzuzeigen; 2 er hat ſie wahrſcheinlich ſelber verbrannt; bei jedem Schritte machte er Miene, nach Rom zu recur- riren. Die Meinung, die ſich allmählig Bahn brach, da eine Vermählung mit des Bruders Wittwe im alten Teſta- mente verboten worden, ſo ſey das ein Fall, wo der Papſt gar nicht dispenſiren könne, verwarf er mit großer Lebhaf-
1 Sanga an Campeggi, Viterbo 2. Sptr. 1528. Paͤpſte I, 126.
2 Pallavicini laͤugnet lib. II, c. XV die Exiſtenz dieſer Bulle, welche Guicciardini behauptet hatte. Allein man braucht nur den ſchon erwaͤhnten Bericht von Caſalis uͤber ſeine Verhandlungen mit dem Papſt im December 1528 zu leſen, um alle Zweifel fahren zu laſſen. S. D. N. injecta in meum brachium manu, — dixit — bullam decretalem dedisse, ut tantum regi ostenderetur concremaretur- que. Burnet. Records II, 17, p 42. Was nun aber dieſe Bulle ent- hielt, iſt natuͤrlich nicht auszumachen, da ſie Niemand geſehen hat, als der Koͤnig und Campeggi. Da moͤchte ich denn freilich den Ver- ſicherungen Guicciardinis auch nicht glauben.
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Verhandlungen zwiſchen Rom und England.
Schon am 2. September ward Campeggi erinnert,
daß, ſo verpflichtet ſich auch Seine Heiligkeit dem König
von England fühle, ſie doch auch auf den ſiegreichen Kai-
ſer Rückſicht zu nehmen habe, und ihm nicht neuen Anlaß
zum Bruch geben dürfe, was nicht allein den Frieden ver-
hindern, ſondern auch zum äußerſten Ruin des Kirchen-
ſtaats gereichen würde. 1
Im October 1528 kam Campeggi in England an.
So ſtark auch zuweilen die Ausdrücke waren, deren er ſich
gegen den Kaiſer bediente, ſo zeigte ſich doch gar bald, daß
er nichts Ernſtliches wider ihn vornehmen würde. Er er-
mahnte noch zuweilen den König, zuweilen Wolſey, von
ihrem Vorhaben abzuſtehen. Eine Bulle, mit welcher Wol-
ſey dem geheimen Rathe des Königs den guten Willen des
Papſtes zu beweiſen hoffte, weigerte er ſich ſchlechterdings
vorzuzeigen; 2 er hat ſie wahrſcheinlich ſelber verbrannt;
bei jedem Schritte machte er Miene, nach Rom zu recur-
riren. Die Meinung, die ſich allmählig Bahn brach, da
eine Vermählung mit des Bruders Wittwe im alten Teſta-
mente verboten worden, ſo ſey das ein Fall, wo der Papſt
gar nicht dispenſiren könne, verwarf er mit großer Lebhaf-
1 Sanga an Campeggi, Viterbo 2. Sptr. 1528. Paͤpſte I, 126.
2 Pallavicini laͤugnet lib. II, c. XV die Exiſtenz dieſer Bulle,
welche Guicciardini behauptet hatte. Allein man braucht nur den
ſchon erwaͤhnten Bericht von Caſalis uͤber ſeine Verhandlungen mit dem
Papſt im December 1528 zu leſen, um alle Zweifel fahren zu laſſen.
S. D. N. injecta in meum brachium manu, — dixit — bullam
decretalem dedisse, ut tantum regi ostenderetur concremaretur-
que. Burnet. Records II, 17, p 42. Was nun aber dieſe Bulle ent-
hielt, iſt natuͤrlich nicht auszumachen, da ſie Niemand geſehen hat,
als der Koͤnig und Campeggi. Da moͤchte ich denn freilich den Ver-
ſicherungen Guicciardinis auch nicht glauben.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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