Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Viertes Capitel.
tigkeit. Er wollte nicht sagen hören, daß die Macht des
Papstes auf irgend eine Weise beschränkt sey. Es blieb
nur übrig zu beweisen, daß jene Dispensation nicht gehö-
rig begründet gewesen. Aber auch dabei fanden sich un-
übersteigliche Schwierigkeiten, da die Königin -- worauf
alles ankam -- fortwährend behauptete, ihre Ehe mit dem
Bruder Heinrichs sey nie vollständig vollzogen worden.
Sie hatte so viel Würde und Haltung, daß man ihr das
allgemein glaubte. Auch versäumte sie nicht das Rechts-
mittel der Protestation gegen die beiden Richter, die sie für
parteiisch erklärte, zu gebrauchen.

Während dieser Zögerungen aber schloß sich der Papst
besonders seit jenen florentiner Ereignissen immer enger an
den Kaiser an, der die Sache seiner Tante für seine eigne
erklärte. Im Mai 1529 fürchtete der englische Abgeord-
nete, die Commission der beiden Cardinäle werde förmlich
widerrufen werden. 1

Wahrscheinlich war dieß der Grund, weshalb der Kö-
nig, ohne länger zu zögern, die Verhandlungen in aller
Form eröffnen ließ.

Am 31. Mai 1529 fingen sie an, aber schon unter
dem 29sten ward Campeggio von Rom aus angewiesen, so
langsam wie möglich vorzuschreiten, und auf keine Weise
das Urthel ergehen zu lassen. 2 Er führte dieß wörtlich
aus. Es war zu nichts als zu Vorbereitungen und For-
3

1 Bellay: 17. Nov. 1528.
2 Gardiner 4 Mai. Which was confirmed by divers other
letters from our agents. Herbert p.
232.
3 Sanga al Cl Campeggio 29 Maggio 1529. Sua Beatitu-
dine ricorda, che il procedere sia lento et in modo alcuno non
si venghi al giudicio. Lettere di principi II.

Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
tigkeit. Er wollte nicht ſagen hören, daß die Macht des
Papſtes auf irgend eine Weiſe beſchränkt ſey. Es blieb
nur übrig zu beweiſen, daß jene Dispenſation nicht gehö-
rig begründet geweſen. Aber auch dabei fanden ſich un-
überſteigliche Schwierigkeiten, da die Königin — worauf
alles ankam — fortwährend behauptete, ihre Ehe mit dem
Bruder Heinrichs ſey nie vollſtändig vollzogen worden.
Sie hatte ſo viel Würde und Haltung, daß man ihr das
allgemein glaubte. Auch verſäumte ſie nicht das Rechts-
mittel der Proteſtation gegen die beiden Richter, die ſie für
parteiiſch erklärte, zu gebrauchen.

Während dieſer Zögerungen aber ſchloß ſich der Papſt
beſonders ſeit jenen florentiner Ereigniſſen immer enger an
den Kaiſer an, der die Sache ſeiner Tante für ſeine eigne
erklärte. Im Mai 1529 fürchtete der engliſche Abgeord-
nete, die Commiſſion der beiden Cardinäle werde förmlich
widerrufen werden. 1

Wahrſcheinlich war dieß der Grund, weshalb der Kö-
nig, ohne länger zu zögern, die Verhandlungen in aller
Form eröffnen ließ.

Am 31. Mai 1529 fingen ſie an, aber ſchon unter
dem 29ſten ward Campeggio von Rom aus angewieſen, ſo
langſam wie möglich vorzuſchreiten, und auf keine Weiſe
das Urthel ergehen zu laſſen. 2 Er führte dieß wörtlich
aus. Es war zu nichts als zu Vorbereitungen und For-
3

1 Bellay: 17. Nov. 1528.
2 Gardiner 4 Mai. Which was confirmed by divers other
letters from our agents. Herbert p.
232.
3 Sanga al Cl Campeggio 29 Maggio 1529. Sua Beatitu-
dine ricorda, che il procedere sia lento et in modo alcuno non
si venghi al giudicio. Lettere di principi II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="136"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
tigkeit. Er wollte nicht &#x017F;agen hören, daß die Macht des<lb/>
Pap&#x017F;tes auf irgend eine Wei&#x017F;e be&#x017F;chränkt &#x017F;ey. Es blieb<lb/>
nur übrig zu bewei&#x017F;en, daß jene Dispen&#x017F;ation nicht gehö-<lb/>
rig begründet gewe&#x017F;en. Aber auch dabei fanden &#x017F;ich un-<lb/>
über&#x017F;teigliche Schwierigkeiten, da die Königin &#x2014; worauf<lb/>
alles ankam &#x2014; fortwährend behauptete, ihre Ehe mit dem<lb/>
Bruder Heinrichs &#x017F;ey nie voll&#x017F;tändig vollzogen worden.<lb/>
Sie hatte &#x017F;o viel Würde und Haltung, daß man ihr das<lb/>
allgemein glaubte. Auch ver&#x017F;äumte &#x017F;ie nicht das Rechts-<lb/>
mittel der Prote&#x017F;tation gegen die beiden Richter, die &#x017F;ie für<lb/>
parteii&#x017F;ch erklärte, zu gebrauchen.</p><lb/>
          <p>Während die&#x017F;er Zögerungen aber &#x017F;chloß &#x017F;ich der Pap&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;onders &#x017F;eit jenen florentiner Ereigni&#x017F;&#x017F;en immer enger an<lb/>
den Kai&#x017F;er an, der die Sache &#x017F;einer Tante für &#x017F;eine eigne<lb/>
erklärte. Im Mai 1529 fürchtete der engli&#x017F;che Abgeord-<lb/>
nete, die Commi&#x017F;&#x017F;ion der beiden Cardinäle werde förmlich<lb/>
widerrufen werden. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Bellay:</hi> 17. Nov. 1528.</note></p><lb/>
          <p>Wahr&#x017F;cheinlich war dieß der Grund, weshalb der Kö-<lb/>
nig, ohne länger zu zögern, die Verhandlungen in aller<lb/>
Form eröffnen ließ.</p><lb/>
          <p>Am 31. Mai 1529 fingen &#x017F;ie an, aber &#x017F;chon unter<lb/>
dem 29&#x017F;ten ward Campeggio von Rom aus angewie&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
lang&#x017F;am wie möglich vorzu&#x017F;chreiten, und auf keine Wei&#x017F;e<lb/>
das Urthel ergehen zu la&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Gardiner 4 Mai. Which was confirmed by divers other<lb/>
letters from our agents. Herbert p.</hi> 232.</note> Er führte dieß wörtlich<lb/>
aus. Es war zu nichts als zu Vorbereitungen und For-<lb/><note place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">Sanga al Cl Campeggio 29 Maggio 1529. Sua Beatitu-<lb/>
dine ricorda, che il procedere sia lento et in modo alcuno non<lb/>
si venghi al giudicio. Lettere di principi II.</hi></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0152] Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. tigkeit. Er wollte nicht ſagen hören, daß die Macht des Papſtes auf irgend eine Weiſe beſchränkt ſey. Es blieb nur übrig zu beweiſen, daß jene Dispenſation nicht gehö- rig begründet geweſen. Aber auch dabei fanden ſich un- überſteigliche Schwierigkeiten, da die Königin — worauf alles ankam — fortwährend behauptete, ihre Ehe mit dem Bruder Heinrichs ſey nie vollſtändig vollzogen worden. Sie hatte ſo viel Würde und Haltung, daß man ihr das allgemein glaubte. Auch verſäumte ſie nicht das Rechts- mittel der Proteſtation gegen die beiden Richter, die ſie für parteiiſch erklärte, zu gebrauchen. Während dieſer Zögerungen aber ſchloß ſich der Papſt beſonders ſeit jenen florentiner Ereigniſſen immer enger an den Kaiſer an, der die Sache ſeiner Tante für ſeine eigne erklärte. Im Mai 1529 fürchtete der engliſche Abgeord- nete, die Commiſſion der beiden Cardinäle werde förmlich widerrufen werden. 1 Wahrſcheinlich war dieß der Grund, weshalb der Kö- nig, ohne länger zu zögern, die Verhandlungen in aller Form eröffnen ließ. Am 31. Mai 1529 fingen ſie an, aber ſchon unter dem 29ſten ward Campeggio von Rom aus angewieſen, ſo langſam wie möglich vorzuſchreiten, und auf keine Weiſe das Urthel ergehen zu laſſen. 2 Er führte dieß wörtlich aus. Es war zu nichts als zu Vorbereitungen und For- 3 1 Bellay: 17. Nov. 1528. 2 Gardiner 4 Mai. Which was confirmed by divers other letters from our agents. Herbert p. 232. 3 Sanga al Cl Campeggio 29 Maggio 1529. Sua Beatitu- dine ricorda, che il procedere sia lento et in modo alcuno non si venghi al giudicio. Lettere di principi II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/152
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/152>, abgerufen am 21.11.2024.