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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Zweites Capitel.
er lebte und webte darin. 1 Mit der Überlegenheit einer
vollen und nach allen Seiten begründeten, gegen jede Ein-
wendung gerüsteten Überzeugung nahm er sich nun an der
so überaus wichtigen Stelle in die er gelangt war, dersel-
ben an, und riß seine Collegen mit sich fort, die einen,
weil sie ohnehin sich zu derselben Gesinnung neigten, wie
Sebastian von Rotenhan und Dr. Zoch, die andern, weil
sie wenigstens in diesem Augenblick keinen Widerstand zu
leisten wußten, wie der Bischof von Augsburg. Wer diese
Gesinnung nicht theilte, blieb lieber von den Versammlun-
gen weg, z. B. der Gesandte des Herzog Georg, Dr. v.
Werthern, und der Erzbischof von Salzburg. Dergestalt
kam in diesem Ausschuß, der jetzt die centrale Gewalt des
Reiches darstellte, ohne vielen Widerspruch ein Gutachten
zu Stande, durchaus im Sinne der Opposition gegen das
Papstthum, und von der größten Wichtigkeit für die ganze
folgende Entwickelung.

Darin gieng man von den Eingeständnissen und Re-
formversprechungen des Papstes aus, die man annahm,
aber ohne sich nun dagegen, wie der Papst forderte, zu
einer Verfolgung der lutherischen Meinungen zu verste-
hen. Man erklärte vielmehr, daß es eben um der zuge-
standenen Mißbräuche willen unmöglich sey, die Bulle
Leos X und das Wormser Edict zu vollziehen. Denn
vor allem von Luther sey man über die Mißbräuche un-
terrichtet worden. Würde man ernstlich gegen ihn verfah-
ren, so würde Jedermann glauben "man wolle durch Ty-

1 Nachrichten von ihm bei Strobel Vermischte Beiträge 1775
nr. 1. Heller: Reformationsgesch. von Bamberg p. 45.

Drittes Buch. Zweites Capitel.
er lebte und webte darin. 1 Mit der Überlegenheit einer
vollen und nach allen Seiten begründeten, gegen jede Ein-
wendung gerüſteten Überzeugung nahm er ſich nun an der
ſo überaus wichtigen Stelle in die er gelangt war, derſel-
ben an, und riß ſeine Collegen mit ſich fort, die einen,
weil ſie ohnehin ſich zu derſelben Geſinnung neigten, wie
Sebaſtian von Rotenhan und Dr. Zoch, die andern, weil
ſie wenigſtens in dieſem Augenblick keinen Widerſtand zu
leiſten wußten, wie der Biſchof von Augsburg. Wer dieſe
Geſinnung nicht theilte, blieb lieber von den Verſammlun-
gen weg, z. B. der Geſandte des Herzog Georg, Dr. v.
Werthern, und der Erzbiſchof von Salzburg. Dergeſtalt
kam in dieſem Ausſchuß, der jetzt die centrale Gewalt des
Reiches darſtellte, ohne vielen Widerſpruch ein Gutachten
zu Stande, durchaus im Sinne der Oppoſition gegen das
Papſtthum, und von der größten Wichtigkeit für die ganze
folgende Entwickelung.

Darin gieng man von den Eingeſtändniſſen und Re-
formverſprechungen des Papſtes aus, die man annahm,
aber ohne ſich nun dagegen, wie der Papſt forderte, zu
einer Verfolgung der lutheriſchen Meinungen zu verſte-
hen. Man erklärte vielmehr, daß es eben um der zuge-
ſtandenen Mißbräuche willen unmöglich ſey, die Bulle
Leos X und das Wormſer Edict zu vollziehen. Denn
vor allem von Luther ſey man über die Mißbräuche un-
terrichtet worden. Würde man ernſtlich gegen ihn verfah-
ren, ſo würde Jedermann glauben „man wolle durch Ty-

1 Nachrichten von ihm bei Strobel Vermiſchte Beitraͤge 1775
nr. 1. Heller: Reformationsgeſch. von Bamberg p. 45.
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[56/0066] Drittes Buch. Zweites Capitel. er lebte und webte darin. 1 Mit der Überlegenheit einer vollen und nach allen Seiten begründeten, gegen jede Ein- wendung gerüſteten Überzeugung nahm er ſich nun an der ſo überaus wichtigen Stelle in die er gelangt war, derſel- ben an, und riß ſeine Collegen mit ſich fort, die einen, weil ſie ohnehin ſich zu derſelben Geſinnung neigten, wie Sebaſtian von Rotenhan und Dr. Zoch, die andern, weil ſie wenigſtens in dieſem Augenblick keinen Widerſtand zu leiſten wußten, wie der Biſchof von Augsburg. Wer dieſe Geſinnung nicht theilte, blieb lieber von den Verſammlun- gen weg, z. B. der Geſandte des Herzog Georg, Dr. v. Werthern, und der Erzbiſchof von Salzburg. Dergeſtalt kam in dieſem Ausſchuß, der jetzt die centrale Gewalt des Reiches darſtellte, ohne vielen Widerſpruch ein Gutachten zu Stande, durchaus im Sinne der Oppoſition gegen das Papſtthum, und von der größten Wichtigkeit für die ganze folgende Entwickelung. Darin gieng man von den Eingeſtändniſſen und Re- formverſprechungen des Papſtes aus, die man annahm, aber ohne ſich nun dagegen, wie der Papſt forderte, zu einer Verfolgung der lutheriſchen Meinungen zu verſte- hen. Man erklärte vielmehr, daß es eben um der zuge- ſtandenen Mißbräuche willen unmöglich ſey, die Bulle Leos X und das Wormſer Edict zu vollziehen. Denn vor allem von Luther ſey man über die Mißbräuche un- terrichtet worden. Würde man ernſtlich gegen ihn verfah- ren, ſo würde Jedermann glauben „man wolle durch Ty- 1 Nachrichten von ihm bei Strobel Vermiſchte Beitraͤge 1775 nr. 1. Heller: Reformationsgeſch. von Bamberg p. 45.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/66>, abgerufen am 25.11.2024.