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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
sie es sind und dem Feinde dienen. Wie er in der Krieg-
führung eine angeborne Kühnheit durch bedächtige Vor-
sicht in Zaum hielt, so war er ehrgeizig, trotzig, hochfah-
rend, aber innerhalb der Schranken der Loyalität. Mehr
als man glaubt, nährt sich die Seele von Idealen. Ideen,
wie sie in Italien aus dem Studium des classischen Al-
terthums hervorgiengen, waren ihm völlig fremd; die Vor-
stellungen persönlicher Hingebung und Treue dagegen, welche
dem Feudalstaat zu Grunde liegen, und von denen man sich
in Italien zuerst losgerissen hatte, beherrschten seine Ge-
danken, sein Gemüth. Im Umgang mit den Helden der
spanischen Romantik war er aufgewachsen: er mochte sich
vorkommen wie der Cid, der von seinem König beleidigt
und verwiesen, ihm doch unaufhörlich treu bleibt, ohne
seine stolze Haltung darum einen Augenblick einzubüßen.
Dem italienischen Wesen, dem sein Nationalgefühl aus der
classischen Bildung entsprang, das aber zugleich die politi-
sche Moral der Zeiten des Mittelalters aufgegeben hatte,
trat hier das Bewußtseyn des Ritterthums und der feu-
dalen Ehre entgegen: -- gewiß sie erhob sich noch einmal,
aber dabei verrieth sie zugleich daß sie von der Welt
des Macchiavell berührt worden. Eine so hohe sittliche
Bildung hatte Pescara nicht, um dem Antrag der ihm
geschah, mit dem Widerwillen zu begegnen den derselbe ver-
diente. Er dachte wohl indem er ihn vernahm, Morone
sey werth, zum Fenster hinausgeworfen zu werden; aber er
besann sich sogleich, daß man den Plan vollständig kennen
lernen müsse, um ihn zu vereiteln. Indem er nun das
Verständniß unterhielt, theilte er doch die Sache gleich am

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
ſie es ſind und dem Feinde dienen. Wie er in der Krieg-
führung eine angeborne Kühnheit durch bedächtige Vor-
ſicht in Zaum hielt, ſo war er ehrgeizig, trotzig, hochfah-
rend, aber innerhalb der Schranken der Loyalität. Mehr
als man glaubt, nährt ſich die Seele von Idealen. Ideen,
wie ſie in Italien aus dem Studium des claſſiſchen Al-
terthums hervorgiengen, waren ihm völlig fremd; die Vor-
ſtellungen perſönlicher Hingebung und Treue dagegen, welche
dem Feudalſtaat zu Grunde liegen, und von denen man ſich
in Italien zuerſt losgeriſſen hatte, beherrſchten ſeine Ge-
danken, ſein Gemüth. Im Umgang mit den Helden der
ſpaniſchen Romantik war er aufgewachſen: er mochte ſich
vorkommen wie der Cid, der von ſeinem König beleidigt
und verwieſen, ihm doch unaufhörlich treu bleibt, ohne
ſeine ſtolze Haltung darum einen Augenblick einzubüßen.
Dem italieniſchen Weſen, dem ſein Nationalgefühl aus der
claſſiſchen Bildung entſprang, das aber zugleich die politi-
ſche Moral der Zeiten des Mittelalters aufgegeben hatte,
trat hier das Bewußtſeyn des Ritterthums und der feu-
dalen Ehre entgegen: — gewiß ſie erhob ſich noch einmal,
aber dabei verrieth ſie zugleich daß ſie von der Welt
des Macchiavell berührt worden. Eine ſo hohe ſittliche
Bildung hatte Pescara nicht, um dem Antrag der ihm
geſchah, mit dem Widerwillen zu begegnen den derſelbe ver-
diente. Er dachte wohl indem er ihn vernahm, Morone
ſey werth, zum Fenſter hinausgeworfen zu werden; aber er
beſann ſich ſogleich, daß man den Plan vollſtändig kennen
lernen müſſe, um ihn zu vereiteln. Indem er nun das
Verſtändniß unterhielt, theilte er doch die Sache gleich am

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[334/0344] Viertes Buch. Erſtes Capitel. ſie es ſind und dem Feinde dienen. Wie er in der Krieg- führung eine angeborne Kühnheit durch bedächtige Vor- ſicht in Zaum hielt, ſo war er ehrgeizig, trotzig, hochfah- rend, aber innerhalb der Schranken der Loyalität. Mehr als man glaubt, nährt ſich die Seele von Idealen. Ideen, wie ſie in Italien aus dem Studium des claſſiſchen Al- terthums hervorgiengen, waren ihm völlig fremd; die Vor- ſtellungen perſönlicher Hingebung und Treue dagegen, welche dem Feudalſtaat zu Grunde liegen, und von denen man ſich in Italien zuerſt losgeriſſen hatte, beherrſchten ſeine Ge- danken, ſein Gemüth. Im Umgang mit den Helden der ſpaniſchen Romantik war er aufgewachſen: er mochte ſich vorkommen wie der Cid, der von ſeinem König beleidigt und verwieſen, ihm doch unaufhörlich treu bleibt, ohne ſeine ſtolze Haltung darum einen Augenblick einzubüßen. Dem italieniſchen Weſen, dem ſein Nationalgefühl aus der claſſiſchen Bildung entſprang, das aber zugleich die politi- ſche Moral der Zeiten des Mittelalters aufgegeben hatte, trat hier das Bewußtſeyn des Ritterthums und der feu- dalen Ehre entgegen: — gewiß ſie erhob ſich noch einmal, aber dabei verrieth ſie zugleich daß ſie von der Welt des Macchiavell berührt worden. Eine ſo hohe ſittliche Bildung hatte Pescara nicht, um dem Antrag der ihm geſchah, mit dem Widerwillen zu begegnen den derſelbe ver- diente. Er dachte wohl indem er ihn vernahm, Morone ſey werth, zum Fenſter hinausgeworfen zu werden; aber er beſann ſich ſogleich, daß man den Plan vollſtändig kennen lernen müſſe, um ihn zu vereiteln. Indem er nun das Verſtändniß unterhielt, theilte er doch die Sache gleich am

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/344>, abgerufen am 22.11.2024.