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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Siebentes Capitel.
von dem Erzherzog eingenommen werde, und mit Freuden
gieng dieser darauf ein: er beauftragte seine Commissarien
bei den Bauerschaften, jedoch mit Vorwissen des Erzbi-
schofs, dahin zu wirken, daß das Stift an Östreich und
Baiern überliefert werde. 1 Allein in Baiern war das
wohl nur ein vorübergehender Gedanke; man verfolgte hier
übrigens den Plan einer unbedingten Restauration, von
deren Ausführung sich die Herzoge eine noch größere Au-
torität als die schon erworbene über die benachbarten Bis-
thümer versprechen konnten: nach allen Seiten leisteten sie
Hülfe. In Tirol dagegen hatte sich die Landschaft mit
dem Fürsten zu Concessionen gegen die Empörer verstan-
den: durch eine resolute Beseitigung der geistlichen Inter-
essen gedachten sie zugleich den Aufruhr zu stillen und sich
selber weiteren Raum zu machen. In Baiern trat man
deshalb von jenem Plane sehr bald wieder zurück und be-
schloß dem bedrängten Erzbischof mit der Macht des schwä-
bischen Bundes zu Hülfe zu kommen. Nicht daß die Her-
zoge hiebei sehr uneigennützig gewesen wären: sie dachten
bei dieser Gelegenheit ihrem Bruder Ernst von Passau die
Nachfolge im Erzstift zusichern zu lassen; das war ihnen
lieber, als daß sie den größern Theil desselben an Östreich
gebracht und sich dabei mit sich selber in Widerspruch ge-
setzt hätten. Vergebens machten die Tiroler Stände einen
Versuch, den schwäbischen Bund durch Vorstellung alter
Gerechtsame und Verbindungen mit Salzburg von seinem
Kriegszug abzuhalten. 2 In Insbruck hätte man nun wenig-

1 Instruction Ferdinands an die Vermittelungscommissarien.
Bucholtz p. 621.
2 Die vom Ausschuß der dreier Stände -- an Hauptleute
und Räthe des Pundts zu Swaben 31 Juli. ib. IX, 624.

Drittes Buch. Siebentes Capitel.
von dem Erzherzog eingenommen werde, und mit Freuden
gieng dieſer darauf ein: er beauftragte ſeine Commiſſarien
bei den Bauerſchaften, jedoch mit Vorwiſſen des Erzbi-
ſchofs, dahin zu wirken, daß das Stift an Öſtreich und
Baiern überliefert werde. 1 Allein in Baiern war das
wohl nur ein vorübergehender Gedanke; man verfolgte hier
übrigens den Plan einer unbedingten Reſtauration, von
deren Ausführung ſich die Herzoge eine noch größere Au-
torität als die ſchon erworbene über die benachbarten Bis-
thümer verſprechen konnten: nach allen Seiten leiſteten ſie
Hülfe. In Tirol dagegen hatte ſich die Landſchaft mit
dem Fürſten zu Conceſſionen gegen die Empörer verſtan-
den: durch eine reſolute Beſeitigung der geiſtlichen Inter-
eſſen gedachten ſie zugleich den Aufruhr zu ſtillen und ſich
ſelber weiteren Raum zu machen. In Baiern trat man
deshalb von jenem Plane ſehr bald wieder zurück und be-
ſchloß dem bedrängten Erzbiſchof mit der Macht des ſchwä-
biſchen Bundes zu Hülfe zu kommen. Nicht daß die Her-
zoge hiebei ſehr uneigennützig geweſen wären: ſie dachten
bei dieſer Gelegenheit ihrem Bruder Ernſt von Paſſau die
Nachfolge im Erzſtift zuſichern zu laſſen; das war ihnen
lieber, als daß ſie den größern Theil deſſelben an Öſtreich
gebracht und ſich dabei mit ſich ſelber in Widerſpruch ge-
ſetzt hätten. Vergebens machten die Tiroler Stände einen
Verſuch, den ſchwäbiſchen Bund durch Vorſtellung alter
Gerechtſame und Verbindungen mit Salzburg von ſeinem
Kriegszug abzuhalten. 2 In Insbruck hätte man nun wenig-

1 Inſtruction Ferdinands an die Vermittelungscommiſſarien.
Bucholtz p. 621.
2 Die vom Ausſchuß der dreier Staͤnde — an Hauptleute
und Raͤthe des Pundts zu Swaben 31 Juli. ib. IX, 624.
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[234/0244] Drittes Buch. Siebentes Capitel. von dem Erzherzog eingenommen werde, und mit Freuden gieng dieſer darauf ein: er beauftragte ſeine Commiſſarien bei den Bauerſchaften, jedoch mit Vorwiſſen des Erzbi- ſchofs, dahin zu wirken, daß das Stift an Öſtreich und Baiern überliefert werde. 1 Allein in Baiern war das wohl nur ein vorübergehender Gedanke; man verfolgte hier übrigens den Plan einer unbedingten Reſtauration, von deren Ausführung ſich die Herzoge eine noch größere Au- torität als die ſchon erworbene über die benachbarten Bis- thümer verſprechen konnten: nach allen Seiten leiſteten ſie Hülfe. In Tirol dagegen hatte ſich die Landſchaft mit dem Fürſten zu Conceſſionen gegen die Empörer verſtan- den: durch eine reſolute Beſeitigung der geiſtlichen Inter- eſſen gedachten ſie zugleich den Aufruhr zu ſtillen und ſich ſelber weiteren Raum zu machen. In Baiern trat man deshalb von jenem Plane ſehr bald wieder zurück und be- ſchloß dem bedrängten Erzbiſchof mit der Macht des ſchwä- biſchen Bundes zu Hülfe zu kommen. Nicht daß die Her- zoge hiebei ſehr uneigennützig geweſen wären: ſie dachten bei dieſer Gelegenheit ihrem Bruder Ernſt von Paſſau die Nachfolge im Erzſtift zuſichern zu laſſen; das war ihnen lieber, als daß ſie den größern Theil deſſelben an Öſtreich gebracht und ſich dabei mit ſich ſelber in Widerſpruch ge- ſetzt hätten. Vergebens machten die Tiroler Stände einen Verſuch, den ſchwäbiſchen Bund durch Vorſtellung alter Gerechtſame und Verbindungen mit Salzburg von ſeinem Kriegszug abzuhalten. 2 In Insbruck hätte man nun wenig- 1 Inſtruction Ferdinands an die Vermittelungscommiſſarien. Bucholtz p. 621. 2 Die vom Ausſchuß der dreier Staͤnde — an Hauptleute und Raͤthe des Pundts zu Swaben 31 Juli. ib. IX, 624.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/244>, abgerufen am 22.11.2024.