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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Bauernkrieg.
er genoß, was hätte es für Folgen haben müssen wenn
er sich zu ihnen geschlagen hätte! Aber er hielt fest an
der Trennung des Geistlichen und Weltlichen, die einen
der ersten Grundbegriffe alles seines Denkens ausmacht:
an der Lehre, daß das Evangelium die Seelen frei mache,
nicht Leib und Gut. Man hat in der Predigt den Ur-
sprung des Aufruhrs sehen wollen, wir wissen, wie es
darum stand; vielmehr bedachte sich Luther wie drei Jahr
früher so auch jetzt keinen Augenblick, sich dem Sturme entge-
gen zu werfen, die allgemeine Zerstörung, die er mit deutli-
cher Voraussicht kommen sah, an seinem Theile zu verhüten.
Hundertmal, sagte er, solle ein frommer Christ den Tod
leiden, ehe er ein Haar breit in die Sache der Bauern
willige: die Obrigkeit solle kein Erbarmen haben, die Zeit
des Zornes und des Schwerdes sey gekommen, sie solle
drein schlagen weil sie eine Ader regen könne, das sey die
göttliche Pflicht die ihr obliege. Wer in diesem Dienst um-
komme, der sey ein Märtyrer Christi. So kühn er die Eine
Seite der bestehenden Ordnungen, die geistliche angegriffen,
so gewaltig hielt er an der andern, der weltlichen fest. 1

Da ermannten sich auch schon die weltlichen Gewalten
selbst, in dieser größten Gefahr die sie je bestanden.

Zuerst erhob sich eben der, der gegen Sickingen das
Beste gethan, der junge Philipp von Hessen. Gegen Aus-

1 Wider die räubischen und mördischen Bauern ib. 124. Vgl.
das Schreiben an Rühel II, 886. Übrigens stand ihm Melanchthon
auch hier mit überzeugenden, dogmatisirenden und doch sehr klaren
Schlußfolgen bei Z. B. an Spalatin 10 April 1525, zunächst wi-
der die Einführung der mosaischen Gesetze, aber auch allgemein zu
verstehn: "Rationi humanae commisit Christus ordinationes politi-
cas: - - debemus uti praesentibus legibus." (Corp. Ref. I, 733.)

Bauernkrieg.
er genoß, was hätte es für Folgen haben müſſen wenn
er ſich zu ihnen geſchlagen hätte! Aber er hielt feſt an
der Trennung des Geiſtlichen und Weltlichen, die einen
der erſten Grundbegriffe alles ſeines Denkens ausmacht:
an der Lehre, daß das Evangelium die Seelen frei mache,
nicht Leib und Gut. Man hat in der Predigt den Ur-
ſprung des Aufruhrs ſehen wollen, wir wiſſen, wie es
darum ſtand; vielmehr bedachte ſich Luther wie drei Jahr
früher ſo auch jetzt keinen Augenblick, ſich dem Sturme entge-
gen zu werfen, die allgemeine Zerſtörung, die er mit deutli-
cher Vorausſicht kommen ſah, an ſeinem Theile zu verhüten.
Hundertmal, ſagte er, ſolle ein frommer Chriſt den Tod
leiden, ehe er ein Haar breit in die Sache der Bauern
willige: die Obrigkeit ſolle kein Erbarmen haben, die Zeit
des Zornes und des Schwerdes ſey gekommen, ſie ſolle
drein ſchlagen weil ſie eine Ader regen könne, das ſey die
göttliche Pflicht die ihr obliege. Wer in dieſem Dienſt um-
komme, der ſey ein Märtyrer Chriſti. So kühn er die Eine
Seite der beſtehenden Ordnungen, die geiſtliche angegriffen,
ſo gewaltig hielt er an der andern, der weltlichen feſt. 1

Da ermannten ſich auch ſchon die weltlichen Gewalten
ſelbſt, in dieſer größten Gefahr die ſie je beſtanden.

Zuerſt erhob ſich eben der, der gegen Sickingen das
Beſte gethan, der junge Philipp von Heſſen. Gegen Aus-

1 Wider die raͤubiſchen und moͤrdiſchen Bauern ib. 124. Vgl.
das Schreiben an Ruͤhel II, 886. Uͤbrigens ſtand ihm Melanchthon
auch hier mit uͤberzeugenden, dogmatiſirenden und doch ſehr klaren
Schlußfolgen bei Z. B. an Spalatin 10 April 1525, zunaͤchſt wi-
der die Einfuͤhrung der moſaiſchen Geſetze, aber auch allgemein zu
verſtehn: „Rationi humanae commisit Christus ordinationes politi-
cas: ‒ ‒ debemus uti praesentibus legibus.“ (Corp. Ref. I, 733.)
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[213/0223] Bauernkrieg. er genoß, was hätte es für Folgen haben müſſen wenn er ſich zu ihnen geſchlagen hätte! Aber er hielt feſt an der Trennung des Geiſtlichen und Weltlichen, die einen der erſten Grundbegriffe alles ſeines Denkens ausmacht: an der Lehre, daß das Evangelium die Seelen frei mache, nicht Leib und Gut. Man hat in der Predigt den Ur- ſprung des Aufruhrs ſehen wollen, wir wiſſen, wie es darum ſtand; vielmehr bedachte ſich Luther wie drei Jahr früher ſo auch jetzt keinen Augenblick, ſich dem Sturme entge- gen zu werfen, die allgemeine Zerſtörung, die er mit deutli- cher Vorausſicht kommen ſah, an ſeinem Theile zu verhüten. Hundertmal, ſagte er, ſolle ein frommer Chriſt den Tod leiden, ehe er ein Haar breit in die Sache der Bauern willige: die Obrigkeit ſolle kein Erbarmen haben, die Zeit des Zornes und des Schwerdes ſey gekommen, ſie ſolle drein ſchlagen weil ſie eine Ader regen könne, das ſey die göttliche Pflicht die ihr obliege. Wer in dieſem Dienſt um- komme, der ſey ein Märtyrer Chriſti. So kühn er die Eine Seite der beſtehenden Ordnungen, die geiſtliche angegriffen, ſo gewaltig hielt er an der andern, der weltlichen feſt. 1 Da ermannten ſich auch ſchon die weltlichen Gewalten ſelbſt, in dieſer größten Gefahr die ſie je beſtanden. Zuerſt erhob ſich eben der, der gegen Sickingen das Beſte gethan, der junge Philipp von Heſſen. Gegen Aus- 1 Wider die raͤubiſchen und moͤrdiſchen Bauern ib. 124. Vgl. das Schreiben an Ruͤhel II, 886. Uͤbrigens ſtand ihm Melanchthon auch hier mit uͤberzeugenden, dogmatiſirenden und doch ſehr klaren Schlußfolgen bei Z. B. an Spalatin 10 April 1525, zunaͤchſt wi- der die Einfuͤhrung der moſaiſchen Geſetze, aber auch allgemein zu verſtehn: „Rationi humanae commisit Christus ordinationes politi- cas: ‒ ‒ debemus uti praesentibus legibus.“ (Corp. Ref. I, 733.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/223>, abgerufen am 22.11.2024.