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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ursprung der Spaltung. Evangel. Fürsten.
das Land. Allmählig ward denn auch der Herzog selber
gewonnen. Indem an so vielen Orten die blutige Verfol-
gung sich erhob, erließ Friedrich I am 7ten Aug. 1524
eine Verordnung, in welcher er bei Leib und Lebensstrafe
verbot, Jemanden der Religion halber ein Leides zuzufü-
gen: ein Jeder, erklärte er vielmehr, möge sich nur immer
so verhalten wie er es gegen Gott den Allmächtigen ver-
antworten könne. 1

Und noch weitere Aussichten eröffnete es, daß auch
ein mächtiger geistlicher Fürst, der Hochmeister Albrecht
von Preußen, sich von den Doctrinen des Papstthums ab-
wandte. Während des Reichstags von Nürnberg hatten
besonders die Predigten Osianders Eindruck auf ihn ge-
macht: er hatte die Schrift selbst in die Hand genommen,
und hielt sich überzeugt, daß sein Stand dem göttlichen
Wort nicht eigentlich entspreche. 2 Dazu kam nun, daß
ihm mit dem Sturze des Regimentes, den Unfällen des
Adels überhaupt die letzte Hofnung verschwand, Hülfe vom
Reiche gegen Polen zu erlangen. In welche Gemüthsstim-
mung mußte er gerathen, da ihm jetzt keine Hofnung übrig
blieb, sich den alten Feinden gegenüber zu behaupten, und
da er zugleich an seinem Berufe irre geworden war! In
Begleitung des sächsischen Regimentsbeisitzers Planitz, des-
sen Gesinnung wir hinreichend kennen, nahm er nun seinen
Rückweg durch Sachsen: hier sah er Luther. Der entschlos-
sene Luther, der die Dinge in ihrer innern Nothwendigkeit

1 Münter Kirchengeschichte von Dänemark II, p. 565.
2 Memorial eines Gesprächs zwischen Markgraf Albrecht und
Achatius v. Zemen. Beiträge zur Kunde Preußens Bd IV.
12*

Urſprung der Spaltung. Evangel. Fuͤrſten.
das Land. Allmählig ward denn auch der Herzog ſelber
gewonnen. Indem an ſo vielen Orten die blutige Verfol-
gung ſich erhob, erließ Friedrich I am 7ten Aug. 1524
eine Verordnung, in welcher er bei Leib und Lebensſtrafe
verbot, Jemanden der Religion halber ein Leides zuzufü-
gen: ein Jeder, erklärte er vielmehr, möge ſich nur immer
ſo verhalten wie er es gegen Gott den Allmächtigen ver-
antworten könne. 1

Und noch weitere Ausſichten eröffnete es, daß auch
ein mächtiger geiſtlicher Fürſt, der Hochmeiſter Albrecht
von Preußen, ſich von den Doctrinen des Papſtthums ab-
wandte. Während des Reichstags von Nürnberg hatten
beſonders die Predigten Oſianders Eindruck auf ihn ge-
macht: er hatte die Schrift ſelbſt in die Hand genommen,
und hielt ſich überzeugt, daß ſein Stand dem göttlichen
Wort nicht eigentlich entſpreche. 2 Dazu kam nun, daß
ihm mit dem Sturze des Regimentes, den Unfällen des
Adels überhaupt die letzte Hofnung verſchwand, Hülfe vom
Reiche gegen Polen zu erlangen. In welche Gemüthsſtim-
mung mußte er gerathen, da ihm jetzt keine Hofnung übrig
blieb, ſich den alten Feinden gegenüber zu behaupten, und
da er zugleich an ſeinem Berufe irre geworden war! In
Begleitung des ſächſiſchen Regimentsbeiſitzers Planitz, deſ-
ſen Geſinnung wir hinreichend kennen, nahm er nun ſeinen
Rückweg durch Sachſen: hier ſah er Luther. Der entſchloſ-
ſene Luther, der die Dinge in ihrer innern Nothwendigkeit

1 Muͤnter Kirchengeſchichte von Daͤnemark II, p. 565.
2 Memorial eines Geſpraͤchs zwiſchen Markgraf Albrecht und
Achatius v. Zemen. Beitraͤge zur Kunde Preußens Bd IV.
12*
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[179/0189] Urſprung der Spaltung. Evangel. Fuͤrſten. das Land. Allmählig ward denn auch der Herzog ſelber gewonnen. Indem an ſo vielen Orten die blutige Verfol- gung ſich erhob, erließ Friedrich I am 7ten Aug. 1524 eine Verordnung, in welcher er bei Leib und Lebensſtrafe verbot, Jemanden der Religion halber ein Leides zuzufü- gen: ein Jeder, erklärte er vielmehr, möge ſich nur immer ſo verhalten wie er es gegen Gott den Allmächtigen ver- antworten könne. 1 Und noch weitere Ausſichten eröffnete es, daß auch ein mächtiger geiſtlicher Fürſt, der Hochmeiſter Albrecht von Preußen, ſich von den Doctrinen des Papſtthums ab- wandte. Während des Reichstags von Nürnberg hatten beſonders die Predigten Oſianders Eindruck auf ihn ge- macht: er hatte die Schrift ſelbſt in die Hand genommen, und hielt ſich überzeugt, daß ſein Stand dem göttlichen Wort nicht eigentlich entſpreche. 2 Dazu kam nun, daß ihm mit dem Sturze des Regimentes, den Unfällen des Adels überhaupt die letzte Hofnung verſchwand, Hülfe vom Reiche gegen Polen zu erlangen. In welche Gemüthsſtim- mung mußte er gerathen, da ihm jetzt keine Hofnung übrig blieb, ſich den alten Feinden gegenüber zu behaupten, und da er zugleich an ſeinem Berufe irre geworden war! In Begleitung des ſächſiſchen Regimentsbeiſitzers Planitz, deſ- ſen Geſinnung wir hinreichend kennen, nahm er nun ſeinen Rückweg durch Sachſen: hier ſah er Luther. Der entſchloſ- ſene Luther, der die Dinge in ihrer innern Nothwendigkeit 1 Muͤnter Kirchengeſchichte von Daͤnemark II, p. 565. 2 Memorial eines Geſpraͤchs zwiſchen Markgraf Albrecht und Achatius v. Zemen. Beitraͤge zur Kunde Preußens Bd IV. 12*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/189>, abgerufen am 05.05.2024.