die von ihren Gegnern unterstützt worden waren. Allein eben in dem kräftigsten von ihnen that sich sehr bald eine ganz entgegengesetzte Richtung hervor.
Eines Tages, im Mai 1524, begegnete Landgraf Phi- lipp von Hessen, indem er zu jenem Armbrustschießen nach Heidelberg ritt, in der Nähe von Frankfurt dem ihm durch den Ruf wohlbekannten Melanchthon, der eben in seiner Heimath in der Pfalz gewesen, und jetzt mit ein paar gu- ten Freunden, die ihn dahin begleitet, auf der Rückreise begriffen war. Der Landgraf hielt ihn an, legte ihm, in- dem er ihn eine Strecke mit sich reiten ließ, einige Fragen vor, die sein großes Interesse an den religiösen Streitig- keiten bezeigten, und entließ endlich den überraschten und verlegenen Professor nur unter der Bedingung, daß er ihm seine Meinung über die wichtigsten angeregten Puncte schrift- lich kund thun möge. 1 Melanchthon that das mit gewohn- ter Virtuosität: kurz bündig und überzeugend; er machte damit einen entscheidenden Eindruck. Nicht lange nach seiner Rückkunft von dem Fest erließ der Landgraf eben- falls in unverkennbarem Gegensatz mit den Regensburger Beschlüssen, am 18ten Juli, ein Mandat, worin er unter andern befahl, das Evangelium lauter und rein zu predi- gen. Von Tag zu Tag vertiefte er sich mehr in die ei- genthümlichen Ansichten des neuen Dogmas: schon im An- fang des folgenden Jahres hat er gesagt: er wolle eher Leib und Leben, Land und Leute lassen, als von Gottes Wort weichen.
1 Camerarius Vita Melanchthonis cap. 26. Strobel N. Beitr. IV, 2, p. 88.
Ranke d. Gesch. II. 12
Urſprung der Spaltung. Evangel. Fuͤrſten.
die von ihren Gegnern unterſtützt worden waren. Allein eben in dem kräftigſten von ihnen that ſich ſehr bald eine ganz entgegengeſetzte Richtung hervor.
Eines Tages, im Mai 1524, begegnete Landgraf Phi- lipp von Heſſen, indem er zu jenem Armbruſtſchießen nach Heidelberg ritt, in der Nähe von Frankfurt dem ihm durch den Ruf wohlbekannten Melanchthon, der eben in ſeiner Heimath in der Pfalz geweſen, und jetzt mit ein paar gu- ten Freunden, die ihn dahin begleitet, auf der Rückreiſe begriffen war. Der Landgraf hielt ihn an, legte ihm, in- dem er ihn eine Strecke mit ſich reiten ließ, einige Fragen vor, die ſein großes Intereſſe an den religiöſen Streitig- keiten bezeigten, und entließ endlich den überraſchten und verlegenen Profeſſor nur unter der Bedingung, daß er ihm ſeine Meinung über die wichtigſten angeregten Puncte ſchrift- lich kund thun möge. 1 Melanchthon that das mit gewohn- ter Virtuoſität: kurz bündig und überzeugend; er machte damit einen entſcheidenden Eindruck. Nicht lange nach ſeiner Rückkunft von dem Feſt erließ der Landgraf eben- falls in unverkennbarem Gegenſatz mit den Regensburger Beſchlüſſen, am 18ten Juli, ein Mandat, worin er unter andern befahl, das Evangelium lauter und rein zu predi- gen. Von Tag zu Tag vertiefte er ſich mehr in die ei- genthümlichen Anſichten des neuen Dogmas: ſchon im An- fang des folgenden Jahres hat er geſagt: er wolle eher Leib und Leben, Land und Leute laſſen, als von Gottes Wort weichen.
1 Camerarius Vita Melanchthonis cap. 26. Strobel N. Beitr. IV, 2, p. 88.
Ranke d. Geſch. II. 12
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Urſprung der Spaltung. Evangel. Fuͤrſten.
die von ihren Gegnern unterſtützt worden waren. Allein
eben in dem kräftigſten von ihnen that ſich ſehr bald eine
ganz entgegengeſetzte Richtung hervor.
Eines Tages, im Mai 1524, begegnete Landgraf Phi-
lipp von Heſſen, indem er zu jenem Armbruſtſchießen nach
Heidelberg ritt, in der Nähe von Frankfurt dem ihm durch
den Ruf wohlbekannten Melanchthon, der eben in ſeiner
Heimath in der Pfalz geweſen, und jetzt mit ein paar gu-
ten Freunden, die ihn dahin begleitet, auf der Rückreiſe
begriffen war. Der Landgraf hielt ihn an, legte ihm, in-
dem er ihn eine Strecke mit ſich reiten ließ, einige Fragen
vor, die ſein großes Intereſſe an den religiöſen Streitig-
keiten bezeigten, und entließ endlich den überraſchten und
verlegenen Profeſſor nur unter der Bedingung, daß er ihm
ſeine Meinung über die wichtigſten angeregten Puncte ſchrift-
lich kund thun möge. 1 Melanchthon that das mit gewohn-
ter Virtuoſität: kurz bündig und überzeugend; er machte
damit einen entſcheidenden Eindruck. Nicht lange nach
ſeiner Rückkunft von dem Feſt erließ der Landgraf eben-
falls in unverkennbarem Gegenſatz mit den Regensburger
Beſchlüſſen, am 18ten Juli, ein Mandat, worin er unter
andern befahl, das Evangelium lauter und rein zu predi-
gen. Von Tag zu Tag vertiefte er ſich mehr in die ei-
genthümlichen Anſichten des neuen Dogmas: ſchon im An-
fang des folgenden Jahres hat er geſagt: er wolle eher Leib
und Leben, Land und Leute laſſen, als von Gottes Wort
weichen.
1 Camerarius Vita Melanchthonis cap. 26. Strobel N.
Beitr. IV, 2, p. 88.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/187>, abgerufen am 27.11.2024.
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