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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Viertes Capitel.
ter Sickingens denselben von diesem Unternehmen abmahnt,
um zu erkennen, welche Möglichkeiten des Gelingens oder
Mißlingens hier erwogen wurden. 1

Dabei kamen nun aber einige andre Beweggründe ins
Spiel, welche diesem Unternehmen eine universale Bedeu-
tung gaben. Bei Sickingen war eine glückliche Feindselig-
keit nicht mehr das letzte Ziel: er hatte größere Interessen
im Auge.

Es waren das vor allem die der Ritterschaft über-
haupt. Wir wissen, wie sehr die Ritterschaft über den da-
maligen öffentlichen Zustand mißvergnügt war: über den
schwäbischen Bund, der zugleich Ankläger Richter und Voll-
strecker der Urtel seyn wolle, -- das Kammergericht, das
nur den Schwachen zu finden wisse, aber den Mächtigen
in Ruhe lasse, -- das Umsichgreifen der fürstlichen
Macht, die fürstlichen Gerichte, Zölle und Lehensein-
richtungen. Der oberrheinische Adel hatte sich im Früh-
jahr 1522 zu Landau vereinigt, seine Lehenssachen nur vor
Lehnrichter und Mannen, wie vor Alters hergebracht,
seine Streitigkeiten mit andern Ständen nur vor unpar-
teiischen, mit rittermäßigen Leuten besetzten Gerichten 2 ent-
scheiden zu lassen, und einem Jeden dem dieß versagt werde
zu Hülfe zu kommen: dazu hatte er Franz von Sickingen

1 Balthasar Schlörs Schreiben an Sickingen o. D. jedoch
unmittelbar vor dem Ausbruch der Fehde: bei Günther Codex di-
plomaticus Rheno-Mosellanus V, p.
202.
2 "wo der Kleger den Antwurter erfordert vor sein des
Antwurters Genoß, oder ungefehrlich dem etwas gemeß oder dar-
über, unparteilichs Rechten oder Austrags, vor die, so inlendisch der
Sachen gesessen oder gelegen seyn." Brüderlicher Verein bei Münch:
Leben Sickingens Bd II, p. 188.

Drittes Buch. Viertes Capitel.
ter Sickingens denſelben von dieſem Unternehmen abmahnt,
um zu erkennen, welche Möglichkeiten des Gelingens oder
Mißlingens hier erwogen wurden. 1

Dabei kamen nun aber einige andre Beweggründe ins
Spiel, welche dieſem Unternehmen eine univerſale Bedeu-
tung gaben. Bei Sickingen war eine glückliche Feindſelig-
keit nicht mehr das letzte Ziel: er hatte größere Intereſſen
im Auge.

Es waren das vor allem die der Ritterſchaft über-
haupt. Wir wiſſen, wie ſehr die Ritterſchaft über den da-
maligen öffentlichen Zuſtand mißvergnügt war: über den
ſchwäbiſchen Bund, der zugleich Ankläger Richter und Voll-
ſtrecker der Urtel ſeyn wolle, — das Kammergericht, das
nur den Schwachen zu finden wiſſe, aber den Mächtigen
in Ruhe laſſe, — das Umſichgreifen der fürſtlichen
Macht, die fürſtlichen Gerichte, Zölle und Lehensein-
richtungen. Der oberrheiniſche Adel hatte ſich im Früh-
jahr 1522 zu Landau vereinigt, ſeine Lehensſachen nur vor
Lehnrichter und Mannen, wie vor Alters hergebracht,
ſeine Streitigkeiten mit andern Ständen nur vor unpar-
teiiſchen, mit rittermäßigen Leuten beſetzten Gerichten 2 ent-
ſcheiden zu laſſen, und einem Jeden dem dieß verſagt werde
zu Hülfe zu kommen: dazu hatte er Franz von Sickingen

1 Balthaſar Schloͤrs Schreiben an Sickingen o. D. jedoch
unmittelbar vor dem Ausbruch der Fehde: bei Guͤnther Codex di-
plomaticus Rheno-Mosellanus V, p.
202.
2 „wo der Kleger den Antwurter erfordert vor ſein des
Antwurters Genoß, oder ungefehrlich dem etwas gemeß oder dar-
uͤber, unparteilichs Rechten oder Austrags, vor die, ſo inlendiſch der
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[104/0114] Drittes Buch. Viertes Capitel. ter Sickingens denſelben von dieſem Unternehmen abmahnt, um zu erkennen, welche Möglichkeiten des Gelingens oder Mißlingens hier erwogen wurden. 1 Dabei kamen nun aber einige andre Beweggründe ins Spiel, welche dieſem Unternehmen eine univerſale Bedeu- tung gaben. Bei Sickingen war eine glückliche Feindſelig- keit nicht mehr das letzte Ziel: er hatte größere Intereſſen im Auge. Es waren das vor allem die der Ritterſchaft über- haupt. Wir wiſſen, wie ſehr die Ritterſchaft über den da- maligen öffentlichen Zuſtand mißvergnügt war: über den ſchwäbiſchen Bund, der zugleich Ankläger Richter und Voll- ſtrecker der Urtel ſeyn wolle, — das Kammergericht, das nur den Schwachen zu finden wiſſe, aber den Mächtigen in Ruhe laſſe, — das Umſichgreifen der fürſtlichen Macht, die fürſtlichen Gerichte, Zölle und Lehensein- richtungen. Der oberrheiniſche Adel hatte ſich im Früh- jahr 1522 zu Landau vereinigt, ſeine Lehensſachen nur vor Lehnrichter und Mannen, wie vor Alters hergebracht, ſeine Streitigkeiten mit andern Ständen nur vor unpar- teiiſchen, mit rittermäßigen Leuten beſetzten Gerichten 2 ent- ſcheiden zu laſſen, und einem Jeden dem dieß verſagt werde zu Hülfe zu kommen: dazu hatte er Franz von Sickingen 1 Balthaſar Schloͤrs Schreiben an Sickingen o. D. jedoch unmittelbar vor dem Ausbruch der Fehde: bei Guͤnther Codex di- plomaticus Rheno-Mosellanus V, p. 202. 2 „wo der Kleger den Antwurter erfordert vor ſein des Antwurters Genoß, oder ungefehrlich dem etwas gemeß oder dar- uͤber, unparteilichs Rechten oder Austrags, vor die, ſo inlendiſch der Sachen geſeſſen oder gelegen ſeyn.“ Bruͤderlicher Verein bei Muͤnch: Leben Sickingens Bd II, p. 188.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/114>, abgerufen am 23.11.2024.