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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ausbreitung der Lehre.
fach. Unter guten Werken verstand man auf der einen
Seite wirklich die kirchlichen Handlungen durch die man
sich Verdienste für diese und jene Welt zu erwerben glaubte:
das Wallfahrten, Fasten, Seelmessen-stiften, das Sprechen
bevorzugter Gebete, Verehren besondrer Heiligen, jenes Be-
schenken der Kirchen und der Geistlichkeit, das in der Fröm-
migkeit des Mittelalters eine so große Rolle spielt. Die-
sem Unwesen, das man auf eine unverantwortliche Weise
um sich greifen lassen, ward nun auf der andern Seite
die Doctrin von der Wirksamkeit des Glaubens allein
ohne die Werke entgegengesetzt. Besonders nach den Be-
wegungen in Wittenberg hütete man sich in den Predig-
ten, von einem idealen, abstracten, unthätigen Glauben
zu reden. Wir haben noch eine ganze Anzahl Predigten
aus diesen Jahren. Man wird schwerlich eine finden,
worin nicht Glaube und Liebe in untrennbarer Vereinigung
gedacht würde. Wie dringend und lebhaft schärft Cas-
par Güttel ein, daß alles darauf ankomme, wie man sich
um Gottes willen gegen seinen Nächsten verhalte. 1 Viel-
mehr eben das tadelte man, daß so Mancher sein Geld
verschwende um die Geistlichen reich zu machen, ein Hei-
ligenbild auszuschmücken, oder auf einer fernen Wallfahrt,
und dabei der Armen nicht gedenke.

Eben so verhält es sich mit der Lehre von der Kirche.
Man will diesseit vor allem nicht zugestehen, daß in
den. Papst und seinen Prälaten und Priestern die heilige

1 Schutzrede wider etzlich ungezemte Clamanten: eben die in
Arnstadt gehaltenen Predigten: abgedruckt hinter Olearii Syntagma
rerum Thuringicarum II,
274; ein Abdruck, den Panzer Annalen
II, 93 nicht verzeichnet.

Ausbreitung der Lehre.
fach. Unter guten Werken verſtand man auf der einen
Seite wirklich die kirchlichen Handlungen durch die man
ſich Verdienſte für dieſe und jene Welt zu erwerben glaubte:
das Wallfahrten, Faſten, Seelmeſſen-ſtiften, das Sprechen
bevorzugter Gebete, Verehren beſondrer Heiligen, jenes Be-
ſchenken der Kirchen und der Geiſtlichkeit, das in der Fröm-
migkeit des Mittelalters eine ſo große Rolle ſpielt. Die-
ſem Unweſen, das man auf eine unverantwortliche Weiſe
um ſich greifen laſſen, ward nun auf der andern Seite
die Doctrin von der Wirkſamkeit des Glaubens allein
ohne die Werke entgegengeſetzt. Beſonders nach den Be-
wegungen in Wittenberg hütete man ſich in den Predig-
ten, von einem idealen, abſtracten, unthätigen Glauben
zu reden. Wir haben noch eine ganze Anzahl Predigten
aus dieſen Jahren. Man wird ſchwerlich eine finden,
worin nicht Glaube und Liebe in untrennbarer Vereinigung
gedacht würde. Wie dringend und lebhaft ſchärft Cas-
par Güttel ein, daß alles darauf ankomme, wie man ſich
um Gottes willen gegen ſeinen Nächſten verhalte. 1 Viel-
mehr eben das tadelte man, daß ſo Mancher ſein Geld
verſchwende um die Geiſtlichen reich zu machen, ein Hei-
ligenbild auszuſchmücken, oder auf einer fernen Wallfahrt,
und dabei der Armen nicht gedenke.

Eben ſo verhält es ſich mit der Lehre von der Kirche.
Man will dieſſeit vor allem nicht zugeſtehen, daß in
den. Papſt und ſeinen Prälaten und Prieſtern die heilige

1 Schutzrede wider etzlich ungezemte Clamanten: eben die in
Arnſtadt gehaltenen Predigten: abgedruckt hinter Olearii Syntagma
rerum Thuringicarum II,
274; ein Abdruck, den Panzer Annalen
II, 93 nicht verzeichnet.
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[91/0101] Ausbreitung der Lehre. fach. Unter guten Werken verſtand man auf der einen Seite wirklich die kirchlichen Handlungen durch die man ſich Verdienſte für dieſe und jene Welt zu erwerben glaubte: das Wallfahrten, Faſten, Seelmeſſen-ſtiften, das Sprechen bevorzugter Gebete, Verehren beſondrer Heiligen, jenes Be- ſchenken der Kirchen und der Geiſtlichkeit, das in der Fröm- migkeit des Mittelalters eine ſo große Rolle ſpielt. Die- ſem Unweſen, das man auf eine unverantwortliche Weiſe um ſich greifen laſſen, ward nun auf der andern Seite die Doctrin von der Wirkſamkeit des Glaubens allein ohne die Werke entgegengeſetzt. Beſonders nach den Be- wegungen in Wittenberg hütete man ſich in den Predig- ten, von einem idealen, abſtracten, unthätigen Glauben zu reden. Wir haben noch eine ganze Anzahl Predigten aus dieſen Jahren. Man wird ſchwerlich eine finden, worin nicht Glaube und Liebe in untrennbarer Vereinigung gedacht würde. Wie dringend und lebhaft ſchärft Cas- par Güttel ein, daß alles darauf ankomme, wie man ſich um Gottes willen gegen ſeinen Nächſten verhalte. 1 Viel- mehr eben das tadelte man, daß ſo Mancher ſein Geld verſchwende um die Geiſtlichen reich zu machen, ein Hei- ligenbild auszuſchmücken, oder auf einer fernen Wallfahrt, und dabei der Armen nicht gedenke. Eben ſo verhält es ſich mit der Lehre von der Kirche. Man will dieſſeit vor allem nicht zugeſtehen, daß in den. Papſt und ſeinen Prälaten und Prieſtern die heilige 1 Schutzrede wider etzlich ungezemte Clamanten: eben die in Arnſtadt gehaltenen Predigten: abgedruckt hinter Olearii Syntagma rerum Thuringicarum II, 274; ein Abdruck, den Panzer Annalen II, 93 nicht verzeichnet.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/101>, abgerufen am 25.11.2024.