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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Drittes Capitel.
Feldherrn, Cicero zum Redner, der Bildner unzähliger an-
derer deutscher Schullehrer.

Überlegt man das alles, faßt es zusammen, so sieht
man wohl, daß es hier nicht allein um das Dogma
zu thun ist: es bildet sich ein System von Bestrebungen
und Gedanken aus, von eigenthümlichem Geist und gro-
ßem eine neue Welt in sich tragenden Inhalt, welches mit der
theologischen Opposition, in der man sich befindet, auf das
engste vereinigt ist, an ihr und durch sie sich entwickelt,
aber sich weder von ihr herschreibt, noch jetzt darin auf-
geht. Die Opposition ist selber ein Product dieses Gei-
stes, der auch außerhalb derselben seine eigene Zukunft hat.

Fürs Erste kam freilich alles darauf an, daß er von
der gewaltigen Weltmacht frei würde, welche das gute
Recht zu haben behauptete ihn zu vernichten.

Treten wir diesem Kampfe, wie er sich in allen Ge-
genden von Deutschland eröffnet hatte, noch einmal näher,
so würden wir irren, wenn wir schon die Gegensätze des
nachherigen protestantischen und des weiterhin neu aufge-
richteten katholischen Systems wahrnehmen wollten. Die
Ideen und geistigen Mächte die jetzt wider einander zu
Feld lagen, standen in viel entschiedenerm, großartigerm,
einleuchtenderm Widerspruch.

Einer der bedeutendsten Gegensätze war der zwischen
Werken und Glauben. Aber man würde ihn mißkennen,
wenn man hier die tieferen und minderverständlichen Streit-
fragen voraussetzen wollte, welche der Scharfsinn oder die
Hartnäckigkeit der Schulen späterhin entwickelte. Damals,
vor allem im populären Vortrag war die Sache sehr ein-

Drittes Buch. Drittes Capitel.
Feldherrn, Cicero zum Redner, der Bildner unzähliger an-
derer deutſcher Schullehrer.

Überlegt man das alles, faßt es zuſammen, ſo ſieht
man wohl, daß es hier nicht allein um das Dogma
zu thun iſt: es bildet ſich ein Syſtem von Beſtrebungen
und Gedanken aus, von eigenthümlichem Geiſt und gro-
ßem eine neue Welt in ſich tragenden Inhalt, welches mit der
theologiſchen Oppoſition, in der man ſich befindet, auf das
engſte vereinigt iſt, an ihr und durch ſie ſich entwickelt,
aber ſich weder von ihr herſchreibt, noch jetzt darin auf-
geht. Die Oppoſition iſt ſelber ein Product dieſes Gei-
ſtes, der auch außerhalb derſelben ſeine eigene Zukunft hat.

Fürs Erſte kam freilich alles darauf an, daß er von
der gewaltigen Weltmacht frei würde, welche das gute
Recht zu haben behauptete ihn zu vernichten.

Treten wir dieſem Kampfe, wie er ſich in allen Ge-
genden von Deutſchland eröffnet hatte, noch einmal näher,
ſo würden wir irren, wenn wir ſchon die Gegenſätze des
nachherigen proteſtantiſchen und des weiterhin neu aufge-
richteten katholiſchen Syſtems wahrnehmen wollten. Die
Ideen und geiſtigen Mächte die jetzt wider einander zu
Feld lagen, ſtanden in viel entſchiedenerm, großartigerm,
einleuchtenderm Widerſpruch.

Einer der bedeutendſten Gegenſätze war der zwiſchen
Werken und Glauben. Aber man würde ihn mißkennen,
wenn man hier die tieferen und minderverſtändlichen Streit-
fragen vorausſetzen wollte, welche der Scharfſinn oder die
Hartnäckigkeit der Schulen ſpäterhin entwickelte. Damals,
vor allem im populären Vortrag war die Sache ſehr ein-

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[90/0100] Drittes Buch. Drittes Capitel. Feldherrn, Cicero zum Redner, der Bildner unzähliger an- derer deutſcher Schullehrer. Überlegt man das alles, faßt es zuſammen, ſo ſieht man wohl, daß es hier nicht allein um das Dogma zu thun iſt: es bildet ſich ein Syſtem von Beſtrebungen und Gedanken aus, von eigenthümlichem Geiſt und gro- ßem eine neue Welt in ſich tragenden Inhalt, welches mit der theologiſchen Oppoſition, in der man ſich befindet, auf das engſte vereinigt iſt, an ihr und durch ſie ſich entwickelt, aber ſich weder von ihr herſchreibt, noch jetzt darin auf- geht. Die Oppoſition iſt ſelber ein Product dieſes Gei- ſtes, der auch außerhalb derſelben ſeine eigene Zukunft hat. Fürs Erſte kam freilich alles darauf an, daß er von der gewaltigen Weltmacht frei würde, welche das gute Recht zu haben behauptete ihn zu vernichten. Treten wir dieſem Kampfe, wie er ſich in allen Ge- genden von Deutſchland eröffnet hatte, noch einmal näher, ſo würden wir irren, wenn wir ſchon die Gegenſätze des nachherigen proteſtantiſchen und des weiterhin neu aufge- richteten katholiſchen Syſtems wahrnehmen wollten. Die Ideen und geiſtigen Mächte die jetzt wider einander zu Feld lagen, ſtanden in viel entſchiedenerm, großartigerm, einleuchtenderm Widerſpruch. Einer der bedeutendſten Gegenſätze war der zwiſchen Werken und Glauben. Aber man würde ihn mißkennen, wenn man hier die tieferen und minderverſtändlichen Streit- fragen vorausſetzen wollte, welche der Scharfſinn oder die Hartnäckigkeit der Schulen ſpäterhin entwickelte. Damals, vor allem im populären Vortrag war die Sache ſehr ein-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/100>, abgerufen am 22.11.2024.