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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Idee des spätern Kaiserthums.
dem, wie man sich ausdrückte, alle Gerichtszwänge entsprie-
ßen. Es ist sehr eigen, zu beobachten, wie Friedrich dem III,
keineswegs dem mächtigsten Fürsten des Reiches, die Wahl
kund gethan wird, die auf ihn gefallen ist, und wie darauf
sogleich das Verhältniß sich umkehrt, und "Seine König-
liche Großmächtigkeit" Denen die ihn erhoben, die Be-
stätigung in ihre Rechte und Würden zusagt. 1 Alles
eilt, seine Privilegien und Besitzthümer von ihm anerken-
nen zu lassen; die Städte huldigen ihm nicht, ehe das ge-
schehen ist. Auf seiner höchsten Gewährleistung beruht das
Gefühl des gesetzlichen sichern Bestehens, dessen der Mensch,
vor allem der Deutsche, nun einmal bedarf. "Nimm uns
die Rechte des Kaisers," heißt es in einem Gesetzbuch je-
ner Zeit, "und wer kann noch sagen: dieses Haus ist
mein, dieses Dorf gehört mir an?" Wahr und tiefsinnig!
Eben darum aber darf der Kaiser Rechte, als deren Quelle
er betrachtet wird, nun nicht etwa mit freier Willkühr
verwalten. Er mag sie vergeben: selbst ausüben darf
er sie nur innerhalb der von dem Herkommen und der
Übermacht seiner Unterthanen gezogenen engen Schran-
ken. Obwohl alle weltliche Jurisdiction auf ihn zurück-
geführt wurde, so fand doch kein Gericht zweifelhafteren
Gehorsam als eben das seine.

Man hatte es beinahe in Vergessenheit gerathen las-
sen, daß es eine königliche Gewalt in Deutschland gebe;
auch dieser Titel war abgekommen; schon Heinrich VII
hielt es für eine Beleidigung, wenn man ihn König von
Deutschland nannte, und nicht, wie er vor aller Krönung

1 Schreiben der Frankfurter Gesandten 5 Juli 1440. (Fr. A.)

Idee des ſpaͤtern Kaiſerthums.
dem, wie man ſich ausdrückte, alle Gerichtszwänge entſprie-
ßen. Es iſt ſehr eigen, zu beobachten, wie Friedrich dem III,
keineswegs dem mächtigſten Fürſten des Reiches, die Wahl
kund gethan wird, die auf ihn gefallen iſt, und wie darauf
ſogleich das Verhältniß ſich umkehrt, und „Seine König-
liche Großmächtigkeit“ Denen die ihn erhoben, die Be-
ſtätigung in ihre Rechte und Würden zuſagt. 1 Alles
eilt, ſeine Privilegien und Beſitzthümer von ihm anerken-
nen zu laſſen; die Städte huldigen ihm nicht, ehe das ge-
ſchehen iſt. Auf ſeiner höchſten Gewährleiſtung beruht das
Gefühl des geſetzlichen ſichern Beſtehens, deſſen der Menſch,
vor allem der Deutſche, nun einmal bedarf. „Nimm uns
die Rechte des Kaiſers,“ heißt es in einem Geſetzbuch je-
ner Zeit, „und wer kann noch ſagen: dieſes Haus iſt
mein, dieſes Dorf gehört mir an?“ Wahr und tiefſinnig!
Eben darum aber darf der Kaiſer Rechte, als deren Quelle
er betrachtet wird, nun nicht etwa mit freier Willkühr
verwalten. Er mag ſie vergeben: ſelbſt ausüben darf
er ſie nur innerhalb der von dem Herkommen und der
Übermacht ſeiner Unterthanen gezogenen engen Schran-
ken. Obwohl alle weltliche Jurisdiction auf ihn zurück-
geführt wurde, ſo fand doch kein Gericht zweifelhafteren
Gehorſam als eben das ſeine.

Man hatte es beinahe in Vergeſſenheit gerathen laſ-
ſen, daß es eine königliche Gewalt in Deutſchland gebe;
auch dieſer Titel war abgekommen; ſchon Heinrich VII
hielt es für eine Beleidigung, wenn man ihn König von
Deutſchland nannte, und nicht, wie er vor aller Krönung

1 Schreiben der Frankfurter Geſandten 5 Juli 1440. (Fr. A.)
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[53/0071] Idee des ſpaͤtern Kaiſerthums. dem, wie man ſich ausdrückte, alle Gerichtszwänge entſprie- ßen. Es iſt ſehr eigen, zu beobachten, wie Friedrich dem III, keineswegs dem mächtigſten Fürſten des Reiches, die Wahl kund gethan wird, die auf ihn gefallen iſt, und wie darauf ſogleich das Verhältniß ſich umkehrt, und „Seine König- liche Großmächtigkeit“ Denen die ihn erhoben, die Be- ſtätigung in ihre Rechte und Würden zuſagt. 1 Alles eilt, ſeine Privilegien und Beſitzthümer von ihm anerken- nen zu laſſen; die Städte huldigen ihm nicht, ehe das ge- ſchehen iſt. Auf ſeiner höchſten Gewährleiſtung beruht das Gefühl des geſetzlichen ſichern Beſtehens, deſſen der Menſch, vor allem der Deutſche, nun einmal bedarf. „Nimm uns die Rechte des Kaiſers,“ heißt es in einem Geſetzbuch je- ner Zeit, „und wer kann noch ſagen: dieſes Haus iſt mein, dieſes Dorf gehört mir an?“ Wahr und tiefſinnig! Eben darum aber darf der Kaiſer Rechte, als deren Quelle er betrachtet wird, nun nicht etwa mit freier Willkühr verwalten. Er mag ſie vergeben: ſelbſt ausüben darf er ſie nur innerhalb der von dem Herkommen und der Übermacht ſeiner Unterthanen gezogenen engen Schran- ken. Obwohl alle weltliche Jurisdiction auf ihn zurück- geführt wurde, ſo fand doch kein Gericht zweifelhafteren Gehorſam als eben das ſeine. Man hatte es beinahe in Vergeſſenheit gerathen laſ- ſen, daß es eine königliche Gewalt in Deutſchland gebe; auch dieſer Titel war abgekommen; ſchon Heinrich VII hielt es für eine Beleidigung, wenn man ihn König von Deutſchland nannte, und nicht, wie er vor aller Krönung 1 Schreiben der Frankfurter Geſandten 5 Juli 1440. (Fr. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/71>, abgerufen am 24.11.2024.