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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Viertes Capitel.
in den Tagen eintraf, als Eck gerade in Rom war, und die
Sache Luthers so viele Berathungen der Theologen und
Sitzungen des Consistoriums veranlaßte, erkannte sogleich,
welcher Vortheil aus derselben für seinen Herrn hervorgehn
könne. "Ew. Maj.," schrieb er dem Kaiser am 12 Mai
1520, "muß nach Deutschland gehn, und daselbst einem
gewissen Martin Luther einige Gunst angedeihen lassen, der
sich am Hofe von Sachsen befindet, und durch die Sachen
die er predigt, dem römischen Hofe Besorgniß einflößt." 1
Wirklich ergriff man am kaiserlichen Hofe diesen Gesichts-
punct. Als der päpstliche Nuntius mit der Bulle gegen Lu-
ther daselbst anlangte, ließ sich der erste Minister das Wort
entfallen: der Kaiser werde sich dem Papst gefällig zei-
gen, wenn der Papst ihm gefällig sey und seine Feinde
nicht unterstütze. 2

Das also war es vom ersten Moment, worauf es
ankam: nicht die objective Wahrheit der Meinung, auch
nicht das große Interesse der Nation das sich daran knüpfte,
von welchem der eben anlangende Fürst kein Bewußtseyn noch
Mitgefühl haben konnte; sondern die allgemeine politische
Lage, die Unterstützung welche der Papst dem Kaiser über-
haupt angedeihen lassen, das Verhältniß in das er sich zu
ihm setzen würde.

In Rom wußte man das sehr gut. Man trug Sorge,
den Beichtvater des Kaisers, Glapion, einen Franciscaner,

1 Auszug aus den Depeschen Manuels bei Llorente I, p. 398.
2 Aus dem Briefe Aleanders bei Pallavicini I, c. 24, p. 136.
-- -- Worauf bezieht es sich, daß der Kaiser späterhin dem rö-
mischen Stuhl den Vorwurf macht, er habe die Krönung in Aachen
aufhalten wollen? Caroli Rescr. Goldast Const. p. 992.

Zweites Buch. Viertes Capitel.
in den Tagen eintraf, als Eck gerade in Rom war, und die
Sache Luthers ſo viele Berathungen der Theologen und
Sitzungen des Conſiſtoriums veranlaßte, erkannte ſogleich,
welcher Vortheil aus derſelben für ſeinen Herrn hervorgehn
könne. „Ew. Maj.,“ ſchrieb er dem Kaiſer am 12 Mai
1520, „muß nach Deutſchland gehn, und daſelbſt einem
gewiſſen Martin Luther einige Gunſt angedeihen laſſen, der
ſich am Hofe von Sachſen befindet, und durch die Sachen
die er predigt, dem römiſchen Hofe Beſorgniß einflößt.“ 1
Wirklich ergriff man am kaiſerlichen Hofe dieſen Geſichts-
punct. Als der päpſtliche Nuntius mit der Bulle gegen Lu-
ther daſelbſt anlangte, ließ ſich der erſte Miniſter das Wort
entfallen: der Kaiſer werde ſich dem Papſt gefällig zei-
gen, wenn der Papſt ihm gefällig ſey und ſeine Feinde
nicht unterſtütze. 2

Das alſo war es vom erſten Moment, worauf es
ankam: nicht die objective Wahrheit der Meinung, auch
nicht das große Intereſſe der Nation das ſich daran knüpfte,
von welchem der eben anlangende Fürſt kein Bewußtſeyn noch
Mitgefühl haben konnte; ſondern die allgemeine politiſche
Lage, die Unterſtützung welche der Papſt dem Kaiſer über-
haupt angedeihen laſſen, das Verhältniß in das er ſich zu
ihm ſetzen würde.

In Rom wußte man das ſehr gut. Man trug Sorge,
den Beichtvater des Kaiſers, Glapion, einen Franciscaner,

1 Auszug aus den Depeſchen Manuels bei Llorente I, p. 398.
2 Aus dem Briefe Aleanders bei Pallavicini I, c. 24, p. 136.
— — Worauf bezieht es ſich, daß der Kaiſer ſpaͤterhin dem roͤ-
miſchen Stuhl den Vorwurf macht, er habe die Kroͤnung in Aachen
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[472/0490] Zweites Buch. Viertes Capitel. in den Tagen eintraf, als Eck gerade in Rom war, und die Sache Luthers ſo viele Berathungen der Theologen und Sitzungen des Conſiſtoriums veranlaßte, erkannte ſogleich, welcher Vortheil aus derſelben für ſeinen Herrn hervorgehn könne. „Ew. Maj.,“ ſchrieb er dem Kaiſer am 12 Mai 1520, „muß nach Deutſchland gehn, und daſelbſt einem gewiſſen Martin Luther einige Gunſt angedeihen laſſen, der ſich am Hofe von Sachſen befindet, und durch die Sachen die er predigt, dem römiſchen Hofe Beſorgniß einflößt.“ 1 Wirklich ergriff man am kaiſerlichen Hofe dieſen Geſichts- punct. Als der päpſtliche Nuntius mit der Bulle gegen Lu- ther daſelbſt anlangte, ließ ſich der erſte Miniſter das Wort entfallen: der Kaiſer werde ſich dem Papſt gefällig zei- gen, wenn der Papſt ihm gefällig ſey und ſeine Feinde nicht unterſtütze. 2 Das alſo war es vom erſten Moment, worauf es ankam: nicht die objective Wahrheit der Meinung, auch nicht das große Intereſſe der Nation das ſich daran knüpfte, von welchem der eben anlangende Fürſt kein Bewußtſeyn noch Mitgefühl haben konnte; ſondern die allgemeine politiſche Lage, die Unterſtützung welche der Papſt dem Kaiſer über- haupt angedeihen laſſen, das Verhältniß in das er ſich zu ihm ſetzen würde. In Rom wußte man das ſehr gut. Man trug Sorge, den Beichtvater des Kaiſers, Glapion, einen Franciscaner, 1 Auszug aus den Depeſchen Manuels bei Llorente I, p. 398. 2 Aus dem Briefe Aleanders bei Pallavicini I, c. 24, p. 136. — — Worauf bezieht es ſich, daß der Kaiſer ſpaͤterhin dem roͤ- miſchen Stuhl den Vorwurf macht, er habe die Kroͤnung in Aachen aufhalten wollen? Caroli Rescr. Goldast Const. p. 992.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/490>, abgerufen am 22.11.2024.