Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Reichstag v. 1521. Auswärtige Verhältnisse.
der dem römischen Stuhle sonst eher abgeneigt war, zu ge-
winnen: man entschloß sich, was man lange verweigert,
den Bischof von Lüttich, Eberhard von der Mark, der von
der französischen auf die östreichische Seite übergetreten,
zum Cardinal zu ernennen, so unangenehm dieß auch dem
König von Frankreich seyn mußte: 1 eben hierauf war die
Sendung Aleanders berechnet, der ehe er nach Rom kam,
in Diensten des Bischofs gestanden, und jetzt dort, bei dem
Einfluß den der Bischof von Lüttich auf die niederländi-
sche Regierung ausübte, als ein natürlicher Vermittler
zwischen Rom und dem Kaiser erschien. Gar bald er-
folgten auch wesentlichere Begünstigungen. Am 21sten
October erklärte der Papst dem Großinquisitor in Spa-
nien, daß er die Forderungen der Cortes in Aragon nicht
ferner begünstigen, jenen Breven keine weitere Folge geben,
in Sachen der Inquisition ohne Beistimmung des Kaisers
keine Neuerung vornehmen wolle. Der Kaiser war da-
mit noch nicht zufrieden: er forderte eine völlige Zurück-
nahme jener Breven. Am 12ten December erbot sich der
Papst alles was gegen die Inquisition geschehen sey für
null und nichtig zu erklären; am 16ten Januar erlaubte
er endlich wirklich dem Kaiser die Breven zu unterdrücken,
und sprach den Wunsch aus daß man sie ihm nach Rom
zurücksenden möge, worauf er sie cassiren werde. 2

Man sieht, wie wenig die Lage der Dinge den Wün-
schen der Deutschen entgegenkam. Carl V ward durch
seine Verhältnisse nicht zur Opposition wider den Papst,

1 Molini Documenti di storia Italiana I, p. 84.
2 Auszüge bei Llorente I, p. 396 und 405.

Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe.
der dem römiſchen Stuhle ſonſt eher abgeneigt war, zu ge-
winnen: man entſchloß ſich, was man lange verweigert,
den Biſchof von Lüttich, Eberhard von der Mark, der von
der franzöſiſchen auf die öſtreichiſche Seite übergetreten,
zum Cardinal zu ernennen, ſo unangenehm dieß auch dem
König von Frankreich ſeyn mußte: 1 eben hierauf war die
Sendung Aleanders berechnet, der ehe er nach Rom kam,
in Dienſten des Biſchofs geſtanden, und jetzt dort, bei dem
Einfluß den der Biſchof von Lüttich auf die niederländi-
ſche Regierung ausübte, als ein natürlicher Vermittler
zwiſchen Rom und dem Kaiſer erſchien. Gar bald er-
folgten auch weſentlichere Begünſtigungen. Am 21ſten
October erklärte der Papſt dem Großinquiſitor in Spa-
nien, daß er die Forderungen der Cortes in Aragon nicht
ferner begünſtigen, jenen Breven keine weitere Folge geben,
in Sachen der Inquiſition ohne Beiſtimmung des Kaiſers
keine Neuerung vornehmen wolle. Der Kaiſer war da-
mit noch nicht zufrieden: er forderte eine völlige Zurück-
nahme jener Breven. Am 12ten December erbot ſich der
Papſt alles was gegen die Inquiſition geſchehen ſey für
null und nichtig zu erklären; am 16ten Januar erlaubte
er endlich wirklich dem Kaiſer die Breven zu unterdrücken,
und ſprach den Wunſch aus daß man ſie ihm nach Rom
zurückſenden möge, worauf er ſie caſſiren werde. 2

Man ſieht, wie wenig die Lage der Dinge den Wün-
ſchen der Deutſchen entgegenkam. Carl V ward durch
ſeine Verhältniſſe nicht zur Oppoſition wider den Papſt,

1 Molini Documenti di storia Italiana I, p. 84.
2 Auszuͤge bei Llorente I, p. 396 und 405.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0491" n="473"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag v.</hi> 1521. <hi rendition="#g">Auswa&#x0364;rtige Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e</hi>.</fw><lb/>
der dem römi&#x017F;chen Stuhle &#x017F;on&#x017F;t eher abgeneigt war, zu ge-<lb/>
winnen: man ent&#x017F;chloß &#x017F;ich, was man lange verweigert,<lb/>
den Bi&#x017F;chof von Lüttich, Eberhard von der Mark, der von<lb/>
der franzö&#x017F;i&#x017F;chen auf die ö&#x017F;treichi&#x017F;che Seite übergetreten,<lb/>
zum Cardinal zu ernennen, &#x017F;o unangenehm dieß auch dem<lb/>
König von Frankreich &#x017F;eyn mußte: <note place="foot" n="1">Molini <hi rendition="#aq">Documenti di storia Italiana I, p.</hi> 84.</note> eben hierauf war die<lb/>
Sendung Aleanders berechnet, der ehe er nach Rom kam,<lb/>
in Dien&#x017F;ten des Bi&#x017F;chofs ge&#x017F;tanden, und jetzt dort, bei dem<lb/>
Einfluß den der Bi&#x017F;chof von Lüttich auf die niederländi-<lb/>
&#x017F;che Regierung ausübte, als ein natürlicher Vermittler<lb/>
zwi&#x017F;chen Rom und dem Kai&#x017F;er er&#x017F;chien. Gar bald er-<lb/>
folgten auch we&#x017F;entlichere Begün&#x017F;tigungen. Am 21&#x017F;ten<lb/>
October erklärte der Pap&#x017F;t dem Großinqui&#x017F;itor in Spa-<lb/>
nien, daß er die Forderungen der Cortes in Aragon nicht<lb/>
ferner begün&#x017F;tigen, jenen Breven keine weitere Folge geben,<lb/>
in Sachen der Inqui&#x017F;ition ohne Bei&#x017F;timmung des Kai&#x017F;ers<lb/>
keine Neuerung vornehmen wolle. Der Kai&#x017F;er war da-<lb/>
mit noch nicht zufrieden: er forderte eine völlige Zurück-<lb/>
nahme jener Breven. Am 12ten December erbot &#x017F;ich der<lb/>
Pap&#x017F;t alles was gegen die Inqui&#x017F;ition ge&#x017F;chehen &#x017F;ey für<lb/>
null und nichtig zu erklären; am 16ten Januar erlaubte<lb/>
er endlich wirklich dem Kai&#x017F;er die Breven zu unterdrücken,<lb/>
und &#x017F;prach den Wun&#x017F;ch aus daß man &#x017F;ie ihm nach Rom<lb/>
zurück&#x017F;enden möge, worauf er &#x017F;ie ca&#x017F;&#x017F;iren werde. <note place="foot" n="2">Auszu&#x0364;ge bei Llorente <hi rendition="#aq">I, p.</hi> 396 und 405.</note></p><lb/>
            <p>Man &#x017F;ieht, wie wenig die Lage der Dinge den Wün-<lb/>
&#x017F;chen der Deut&#x017F;chen entgegenkam. Carl <hi rendition="#aq">V</hi> ward durch<lb/>
&#x017F;eine Verhältni&#x017F;&#x017F;e nicht zur Oppo&#x017F;ition wider den Pap&#x017F;t,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0491] Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe. der dem römiſchen Stuhle ſonſt eher abgeneigt war, zu ge- winnen: man entſchloß ſich, was man lange verweigert, den Biſchof von Lüttich, Eberhard von der Mark, der von der franzöſiſchen auf die öſtreichiſche Seite übergetreten, zum Cardinal zu ernennen, ſo unangenehm dieß auch dem König von Frankreich ſeyn mußte: 1 eben hierauf war die Sendung Aleanders berechnet, der ehe er nach Rom kam, in Dienſten des Biſchofs geſtanden, und jetzt dort, bei dem Einfluß den der Biſchof von Lüttich auf die niederländi- ſche Regierung ausübte, als ein natürlicher Vermittler zwiſchen Rom und dem Kaiſer erſchien. Gar bald er- folgten auch weſentlichere Begünſtigungen. Am 21ſten October erklärte der Papſt dem Großinquiſitor in Spa- nien, daß er die Forderungen der Cortes in Aragon nicht ferner begünſtigen, jenen Breven keine weitere Folge geben, in Sachen der Inquiſition ohne Beiſtimmung des Kaiſers keine Neuerung vornehmen wolle. Der Kaiſer war da- mit noch nicht zufrieden: er forderte eine völlige Zurück- nahme jener Breven. Am 12ten December erbot ſich der Papſt alles was gegen die Inquiſition geſchehen ſey für null und nichtig zu erklären; am 16ten Januar erlaubte er endlich wirklich dem Kaiſer die Breven zu unterdrücken, und ſprach den Wunſch aus daß man ſie ihm nach Rom zurückſenden möge, worauf er ſie caſſiren werde. 2 Man ſieht, wie wenig die Lage der Dinge den Wün- ſchen der Deutſchen entgegenkam. Carl V ward durch ſeine Verhältniſſe nicht zur Oppoſition wider den Papſt, 1 Molini Documenti di storia Italiana I, p. 84. 2 Auszuͤge bei Llorente I, p. 396 und 405.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/491
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/491>, abgerufen am 26.06.2024.