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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag v. 1521. Auswärtige Verhältnisse.
Versprechungen: der König auf den Fall, daß man Nea-
pel erobere, was er anzugreifen entschlossen war, der Kai-
ser in Bezug auf eine Unternehmung gegen Mailand, die er
zu Gunsten des Prätendenten aus dem Hause Sforza, und
zur Herstellung der Rechte des Reiches unternehmen wollte.

Doch war dieß nicht die einzige dringende Bezie-
hung des Kaisers zu dem römischen Stuhle: andre, von
mehr kirchlicher Natur, aber ebenfalls sehr durchgreifend,
hatte er in seinen übrigen Reichen, namentlich in Spanien.

Es ist eine anerkannte Sache, daß sich die dortige Re-
gierung wie sie sich unter Ferdinand dem Katholischen aus-
gebildet, vor allem andern auf die Inquisition stützte. Jetzt
aber war dieses Institut zu gleicher Zeit in Castilien, Aragon
und Catalonien angegriffen worden. Die Cortes von Ara-
gon, ohnehin so mächtig, hatten sich an den Papst gewendet,
und bei demselben wirklich einige Breven ausgewirkt, nach
welchen die ganze Verfassung der Inquisition abgeändert
und den Formen des gemeinen Rechts genähert werden
sollte. 1 Im Frühjahr 1520 sendete Carl einen Gesandten
nach Rom, um die Zurücknahme dieser Breven zu bewir-
ken, die auch in den übrigen Reichen Folgen haben, und
seine gesammte Regierung gefährden mußten.

Diese Unterhandlungen waren nun eben damals im
Gange, als Carl in den Niederlanden eintraf, und eine
laute, ja beinah allgemeine Stimme, in welcher sich po-
litische und religiöse Opposition vereinigten, ihn aufforderte,
eine kühne Stellung gegen den Papst zu ergreifen.

Der geschickte und geistreiche Gesandte Carls V, der

1 Llorente Hist. de l'inquisition I, p. 395, nr. X.

Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe.
Verſprechungen: der König auf den Fall, daß man Nea-
pel erobere, was er anzugreifen entſchloſſen war, der Kai-
ſer in Bezug auf eine Unternehmung gegen Mailand, die er
zu Gunſten des Prätendenten aus dem Hauſe Sforza, und
zur Herſtellung der Rechte des Reiches unternehmen wollte.

Doch war dieß nicht die einzige dringende Bezie-
hung des Kaiſers zu dem römiſchen Stuhle: andre, von
mehr kirchlicher Natur, aber ebenfalls ſehr durchgreifend,
hatte er in ſeinen übrigen Reichen, namentlich in Spanien.

Es iſt eine anerkannte Sache, daß ſich die dortige Re-
gierung wie ſie ſich unter Ferdinand dem Katholiſchen aus-
gebildet, vor allem andern auf die Inquiſition ſtützte. Jetzt
aber war dieſes Inſtitut zu gleicher Zeit in Caſtilien, Aragon
und Catalonien angegriffen worden. Die Cortes von Ara-
gon, ohnehin ſo mächtig, hatten ſich an den Papſt gewendet,
und bei demſelben wirklich einige Breven ausgewirkt, nach
welchen die ganze Verfaſſung der Inquiſition abgeändert
und den Formen des gemeinen Rechts genähert werden
ſollte. 1 Im Frühjahr 1520 ſendete Carl einen Geſandten
nach Rom, um die Zurücknahme dieſer Breven zu bewir-
ken, die auch in den übrigen Reichen Folgen haben, und
ſeine geſammte Regierung gefährden mußten.

Dieſe Unterhandlungen waren nun eben damals im
Gange, als Carl in den Niederlanden eintraf, und eine
laute, ja beinah allgemeine Stimme, in welcher ſich po-
litiſche und religiöſe Oppoſition vereinigten, ihn aufforderte,
eine kühne Stellung gegen den Papſt zu ergreifen.

Der geſchickte und geiſtreiche Geſandte Carls V, der

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[471/0489] Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe. Verſprechungen: der König auf den Fall, daß man Nea- pel erobere, was er anzugreifen entſchloſſen war, der Kai- ſer in Bezug auf eine Unternehmung gegen Mailand, die er zu Gunſten des Prätendenten aus dem Hauſe Sforza, und zur Herſtellung der Rechte des Reiches unternehmen wollte. Doch war dieß nicht die einzige dringende Bezie- hung des Kaiſers zu dem römiſchen Stuhle: andre, von mehr kirchlicher Natur, aber ebenfalls ſehr durchgreifend, hatte er in ſeinen übrigen Reichen, namentlich in Spanien. Es iſt eine anerkannte Sache, daß ſich die dortige Re- gierung wie ſie ſich unter Ferdinand dem Katholiſchen aus- gebildet, vor allem andern auf die Inquiſition ſtützte. Jetzt aber war dieſes Inſtitut zu gleicher Zeit in Caſtilien, Aragon und Catalonien angegriffen worden. Die Cortes von Ara- gon, ohnehin ſo mächtig, hatten ſich an den Papſt gewendet, und bei demſelben wirklich einige Breven ausgewirkt, nach welchen die ganze Verfaſſung der Inquiſition abgeändert und den Formen des gemeinen Rechts genähert werden ſollte. 1 Im Frühjahr 1520 ſendete Carl einen Geſandten nach Rom, um die Zurücknahme dieſer Breven zu bewir- ken, die auch in den übrigen Reichen Folgen haben, und ſeine geſammte Regierung gefährden mußten. Dieſe Unterhandlungen waren nun eben damals im Gange, als Carl in den Niederlanden eintraf, und eine laute, ja beinah allgemeine Stimme, in welcher ſich po- litiſche und religiöſe Oppoſition vereinigten, ihn aufforderte, eine kühne Stellung gegen den Papſt zu ergreifen. Der geſchickte und geiſtreiche Geſandte Carls V, der 1 Llorente Hist. de l’inquisition I, p. 395, nr. X.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/489>, abgerufen am 22.11.2024.