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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
die ihr erst entrissene Vormundschaft eingesetzt: Churfürst
Friedrich behielt nur noch den Namen. Es war eine Wei-
terentwickelung dieser anti-sächsischen Richtung, daß auf
Antrag der Ritterschaft der junge Landgraf Philipp, erst
14 Jahr alt, im März 1518 vom Kaiser für volljährig
erklärt wurde; da werde er sich besser befinden, als unter
irgend einer Vormundschaft und Pflege. Eben in diesen
hessischen Händeln trennte sich Herzog Georg von dem
Churfürsten; er war der Unternehmung Annas so abhold
nicht; er verlobte seinen Sohn mit ihrer Tochter. Fries-
land hatte er indessen schon an Östreich zurückgegeben.

Auch hier behielt die östreichische Politik die Ober-
hand. Die gefürchtete Coalition der niederländischen Geg-
ner ward vermieden, Sachsen entfernt, herabgedrückt; 1
allein dafür hatte man nun auch die Opposition des um-
sichtigsten und klügsten aller Reichsfürsten zu bekämpfen.
Was das zu bedeuten hatte, zeigte sich schon auf dem
Reichstag zu Cölln 1512: der Widerstand Friedrichs machte
daß alle Pläne scheiterten; seiner Opposition auf dem Reichs-
tag von Augsburg schreibt es wenigstens sein Biograph zu,
daß auch da jener Entwurf zu einer neuen Auflage zu-
rückgewiesen ward. Ja diese Feindseligkeit berührte doch
auch wieder die Niederlande. Die Nichte des Churfür-
sten, Lüneburgische Prinzessin, vermählte sich mit jenem

1 Die sächsischen Räthe fürchteten gleich 1512 weitere Ungunst:
"darum er (der Kaiser, nach jener Erklärung für Cleve) fort und
fort auf Wege trachten mocht, Euer aller Fürstl. Gnaden zuzuschie-
ben so viel ihm möglich, damit Ew. Aller Fürstl. Gn. in Dempfung
und Abfall kämen." Schreiben von Cölln Donnerstag nach Jacobi
1512. (W. A.)

Zweites Buch. Zweites Capitel.
die ihr erſt entriſſene Vormundſchaft eingeſetzt: Churfürſt
Friedrich behielt nur noch den Namen. Es war eine Wei-
terentwickelung dieſer anti-ſächſiſchen Richtung, daß auf
Antrag der Ritterſchaft der junge Landgraf Philipp, erſt
14 Jahr alt, im März 1518 vom Kaiſer für volljährig
erklärt wurde; da werde er ſich beſſer befinden, als unter
irgend einer Vormundſchaft und Pflege. Eben in dieſen
heſſiſchen Händeln trennte ſich Herzog Georg von dem
Churfürſten; er war der Unternehmung Annas ſo abhold
nicht; er verlobte ſeinen Sohn mit ihrer Tochter. Fries-
land hatte er indeſſen ſchon an Öſtreich zurückgegeben.

Auch hier behielt die öſtreichiſche Politik die Ober-
hand. Die gefürchtete Coalition der niederländiſchen Geg-
ner ward vermieden, Sachſen entfernt, herabgedrückt; 1
allein dafür hatte man nun auch die Oppoſition des um-
ſichtigſten und klügſten aller Reichsfürſten zu bekämpfen.
Was das zu bedeuten hatte, zeigte ſich ſchon auf dem
Reichstag zu Cölln 1512: der Widerſtand Friedrichs machte
daß alle Pläne ſcheiterten; ſeiner Oppoſition auf dem Reichs-
tag von Augsburg ſchreibt es wenigſtens ſein Biograph zu,
daß auch da jener Entwurf zu einer neuen Auflage zu-
rückgewieſen ward. Ja dieſe Feindſeligkeit berührte doch
auch wieder die Niederlande. Die Nichte des Churfür-
ſten, Lüneburgiſche Prinzeſſin, vermählte ſich mit jenem

1 Die ſaͤchſiſchen Raͤthe fuͤrchteten gleich 1512 weitere Ungunſt:
„darum er (der Kaiſer, nach jener Erklaͤrung fuͤr Cleve) fort und
fort auf Wege trachten mocht, Euer aller Fuͤrſtl. Gnaden zuzuſchie-
ben ſo viel ihm moͤglich, damit Ew. Aller Fuͤrſtl. Gn. in Dempfung
und Abfall kaͤmen.“ Schreiben von Cölln Donnerſtag nach Jacobi
1512. (W. A.)
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[342/0360] Zweites Buch. Zweites Capitel. die ihr erſt entriſſene Vormundſchaft eingeſetzt: Churfürſt Friedrich behielt nur noch den Namen. Es war eine Wei- terentwickelung dieſer anti-ſächſiſchen Richtung, daß auf Antrag der Ritterſchaft der junge Landgraf Philipp, erſt 14 Jahr alt, im März 1518 vom Kaiſer für volljährig erklärt wurde; da werde er ſich beſſer befinden, als unter irgend einer Vormundſchaft und Pflege. Eben in dieſen heſſiſchen Händeln trennte ſich Herzog Georg von dem Churfürſten; er war der Unternehmung Annas ſo abhold nicht; er verlobte ſeinen Sohn mit ihrer Tochter. Fries- land hatte er indeſſen ſchon an Öſtreich zurückgegeben. Auch hier behielt die öſtreichiſche Politik die Ober- hand. Die gefürchtete Coalition der niederländiſchen Geg- ner ward vermieden, Sachſen entfernt, herabgedrückt; 1 allein dafür hatte man nun auch die Oppoſition des um- ſichtigſten und klügſten aller Reichsfürſten zu bekämpfen. Was das zu bedeuten hatte, zeigte ſich ſchon auf dem Reichstag zu Cölln 1512: der Widerſtand Friedrichs machte daß alle Pläne ſcheiterten; ſeiner Oppoſition auf dem Reichs- tag von Augsburg ſchreibt es wenigſtens ſein Biograph zu, daß auch da jener Entwurf zu einer neuen Auflage zu- rückgewieſen ward. Ja dieſe Feindſeligkeit berührte doch auch wieder die Niederlande. Die Nichte des Churfür- ſten, Lüneburgiſche Prinzeſſin, vermählte ſich mit jenem 1 Die ſaͤchſiſchen Raͤthe fuͤrchteten gleich 1512 weitere Ungunſt: „darum er (der Kaiſer, nach jener Erklaͤrung fuͤr Cleve) fort und fort auf Wege trachten mocht, Euer aller Fuͤrſtl. Gnaden zuzuſchie- ben ſo viel ihm moͤglich, damit Ew. Aller Fuͤrſtl. Gn. in Dempfung und Abfall kaͤmen.“ Schreiben von Cölln Donnerſtag nach Jacobi 1512. (W. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/360>, abgerufen am 22.11.2024.