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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Verhältnisse deutscher Fürsten.
spruch nahm, ausschlossen, und dieß Amt dem Churfürsten
und dem ganzen Hause Sachsen übertrugen, in dessen Pflich-
ten die Regentschaft trat, die man einsetzte: der Landhof-
meister Boyneburg, der die Geschäfte leitete, hielt sich ganz
an Friedrich. 1 Sollte man nun diesem mächtigen Für-
sten auch noch Jülich und Berg übertragen, dessen Erle-
digung nicht mehr fern seyn konnte? Der Kaiser schien
zu fürchten, er möchte ihm zu groß werden.

So kam es daß Maximilian das Versprechen, das er
im Momente seiner Wahl, ohne Zweifel nicht ohne Bezug
darauf gegeben hatte, hintansetzte und in verschiedenen Ur-
kunden in den Jahren 1508 und 9 die Exspectanzen wi-
derrief welche auf Jülich und Berg gegeben seyn könnten:
er erklärte die Tochter des Herzogs Maria sey der Nach-
folge würdig und fähig; 2 im Jahre 1511 starb Wilhelm VII:
sein Eidam Johann von Cleve nahm die Lande ohne
Schwierigkeit in Besitz; alle Erinnerungen, Einreden, Un-
terhandlungen des Hauses Sachsen waren vergeblich.

Und dadurch geschah nun allerdings, daß Cleve die
Verbindung mit Geldern ausschlug, dem Hause Östreich
treu zur Seite stand. Sachsen dagegen verlor überhaupt
an Bedeutung. Jene geistlichen Fürstenthümer entgien-
gen ihm durch den Tod ihrer Inhaber. In Hessen er-
hob sich 1514 gegen die etwas herrische Regierungsweise
Boyneburgs der Widerwille der Stände, besonders der
Städte; durch eine Art von Revolution ward Anna in

1 Vgl. Rommel: Philipp der Großmüthige I, p. 26.
2 Die Urkunde bei Teschenmacher nr. 100 ist unvollständig;
nr. 101 läßt keinen Zweifel übrig.

Verhaͤltniſſe deutſcher Fuͤrſten.
ſpruch nahm, ausſchloſſen, und dieß Amt dem Churfürſten
und dem ganzen Hauſe Sachſen übertrugen, in deſſen Pflich-
ten die Regentſchaft trat, die man einſetzte: der Landhof-
meiſter Boyneburg, der die Geſchäfte leitete, hielt ſich ganz
an Friedrich. 1 Sollte man nun dieſem mächtigen Für-
ſten auch noch Jülich und Berg übertragen, deſſen Erle-
digung nicht mehr fern ſeyn konnte? Der Kaiſer ſchien
zu fürchten, er möchte ihm zu groß werden.

So kam es daß Maximilian das Verſprechen, das er
im Momente ſeiner Wahl, ohne Zweifel nicht ohne Bezug
darauf gegeben hatte, hintanſetzte und in verſchiedenen Ur-
kunden in den Jahren 1508 und 9 die Exſpectanzen wi-
derrief welche auf Jülich und Berg gegeben ſeyn könnten:
er erklärte die Tochter des Herzogs Maria ſey der Nach-
folge würdig und fähig; 2 im Jahre 1511 ſtarb Wilhelm VII:
ſein Eidam Johann von Cleve nahm die Lande ohne
Schwierigkeit in Beſitz; alle Erinnerungen, Einreden, Un-
terhandlungen des Hauſes Sachſen waren vergeblich.

Und dadurch geſchah nun allerdings, daß Cleve die
Verbindung mit Geldern ausſchlug, dem Hauſe Öſtreich
treu zur Seite ſtand. Sachſen dagegen verlor überhaupt
an Bedeutung. Jene geiſtlichen Fürſtenthümer entgien-
gen ihm durch den Tod ihrer Inhaber. In Heſſen er-
hob ſich 1514 gegen die etwas herriſche Regierungsweiſe
Boyneburgs der Widerwille der Stände, beſonders der
Städte; durch eine Art von Revolution ward Anna in

1 Vgl. Rommel: Philipp der Großmuͤthige I, p. 26.
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nr. 101 laͤßt keinen Zweifel uͤbrig.
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[341/0359] Verhaͤltniſſe deutſcher Fuͤrſten. ſpruch nahm, ausſchloſſen, und dieß Amt dem Churfürſten und dem ganzen Hauſe Sachſen übertrugen, in deſſen Pflich- ten die Regentſchaft trat, die man einſetzte: der Landhof- meiſter Boyneburg, der die Geſchäfte leitete, hielt ſich ganz an Friedrich. 1 Sollte man nun dieſem mächtigen Für- ſten auch noch Jülich und Berg übertragen, deſſen Erle- digung nicht mehr fern ſeyn konnte? Der Kaiſer ſchien zu fürchten, er möchte ihm zu groß werden. So kam es daß Maximilian das Verſprechen, das er im Momente ſeiner Wahl, ohne Zweifel nicht ohne Bezug darauf gegeben hatte, hintanſetzte und in verſchiedenen Ur- kunden in den Jahren 1508 und 9 die Exſpectanzen wi- derrief welche auf Jülich und Berg gegeben ſeyn könnten: er erklärte die Tochter des Herzogs Maria ſey der Nach- folge würdig und fähig; 2 im Jahre 1511 ſtarb Wilhelm VII: ſein Eidam Johann von Cleve nahm die Lande ohne Schwierigkeit in Beſitz; alle Erinnerungen, Einreden, Un- terhandlungen des Hauſes Sachſen waren vergeblich. Und dadurch geſchah nun allerdings, daß Cleve die Verbindung mit Geldern ausſchlug, dem Hauſe Öſtreich treu zur Seite ſtand. Sachſen dagegen verlor überhaupt an Bedeutung. Jene geiſtlichen Fürſtenthümer entgien- gen ihm durch den Tod ihrer Inhaber. In Heſſen er- hob ſich 1514 gegen die etwas herriſche Regierungsweiſe Boyneburgs der Widerwille der Stände, beſonders der Städte; durch eine Art von Revolution ward Anna in 1 Vgl. Rommel: Philipp der Großmuͤthige I, p. 26. 2 Die Urkunde bei Teſchenmacher nr. 100 iſt unvollſtaͤndig; nr. 101 laͤßt keinen Zweifel uͤbrig.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/359>, abgerufen am 25.06.2024.