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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
er hielt es für das was es war, für eine seinen Unter-
thanen abgenommene Auflage; nachdem alle Aussichten sich
zerschlagen, hatte er die Summe endlich für seine Univer-
sität angewendet. Auch jetzt war er nicht gemeint eine
Schatzung dieser Art zuzugeben. Sein Nachbar Churfürst
Joachim von Brandenburg ließ es sich wohl gefallen: er
befahl seinen Ständen, weder Tetzeln noch dessen Unter-
commissarien Hindernisse in den Weg zu legen; 1 aber of-
fenbar nur darum, weil seinem Bruder ein so großer
Theil des Ertrags zu Gute kam. Eben deshalb aber wi-
dersetzte sich Churfürst Friedrich nur um so mehr; er war
ohnehin wegen der Erfurter Streitigkeiten mit dem Chur-
fürsten von Mainz gespannt: nicht aus dem Beutel der
Sachsen sollte Albrecht sein Pallium bezahlen. Der Ab-
laßhandel zu Jüterbock, das Hinzulaufen seiner Untertha-
nen war ihm aus finanziellen Rücksichten nicht minder
widerwärtig als Luthern aus geistlichen.

Nicht als ob die letzten von den ersten hervorgerufen
worden wären: das könnte Niemand behaupten, der die
Sachen näher angesehen; die geistlichen Tendenzen sind viel-
mehr ursprünglicher, großartiger, selbständiger als die weltli-
chen; wiewohl auch diese hinwiederum in den deutschen Ver-
hältnissen ihre eigenthümliche Wurzel haben. Der Moment,

Augsburg 1510 erklären dem päpstlichen Nuntius, es habe Pp. Hei-
ligkeit leiden mögen, das E Gn das Geld so in iren Landen gefal-
len zu sich genommen, mit einer Verpflichtung wann es zum Streit
wider die Ungläubigen komme es wyderum darzulegen: aus der Ur-
sach hab E Gn wyewol mehrmal darum angesucht von Keys Mt
wegen, die auch gerne E Gn gemelte Summe um ihre Schuld ge-
ben hatt, dy Summa noch wy sy gefallen ist. (Weim. A.)
1 Mandat Joachims bei Walch Werke Luthers XV, 415.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
er hielt es für das was es war, für eine ſeinen Unter-
thanen abgenommene Auflage; nachdem alle Ausſichten ſich
zerſchlagen, hatte er die Summe endlich für ſeine Univer-
ſität angewendet. Auch jetzt war er nicht gemeint eine
Schatzung dieſer Art zuzugeben. Sein Nachbar Churfürſt
Joachim von Brandenburg ließ es ſich wohl gefallen: er
befahl ſeinen Ständen, weder Tetzeln noch deſſen Unter-
commiſſarien Hinderniſſe in den Weg zu legen; 1 aber of-
fenbar nur darum, weil ſeinem Bruder ein ſo großer
Theil des Ertrags zu Gute kam. Eben deshalb aber wi-
derſetzte ſich Churfürſt Friedrich nur um ſo mehr; er war
ohnehin wegen der Erfurter Streitigkeiten mit dem Chur-
fürſten von Mainz geſpannt: nicht aus dem Beutel der
Sachſen ſollte Albrecht ſein Pallium bezahlen. Der Ab-
laßhandel zu Jüterbock, das Hinzulaufen ſeiner Untertha-
nen war ihm aus finanziellen Rückſichten nicht minder
widerwärtig als Luthern aus geiſtlichen.

Nicht als ob die letzten von den erſten hervorgerufen
worden wären: das könnte Niemand behaupten, der die
Sachen näher angeſehen; die geiſtlichen Tendenzen ſind viel-
mehr urſprünglicher, großartiger, ſelbſtändiger als die weltli-
chen; wiewohl auch dieſe hinwiederum in den deutſchen Ver-
hältniſſen ihre eigenthümliche Wurzel haben. Der Moment,

Augsburg 1510 erklaͤren dem paͤpſtlichen Nuntius, es habe Pp. Hei-
ligkeit leiden moͤgen, das E Gn das Geld ſo in iren Landen gefal-
len zu ſich genommen, mit einer Verpflichtung wann es zum Streit
wider die Unglaͤubigen komme es wyderum darzulegen: aus der Ur-
ſach hab E Gn wyewol mehrmal darum angeſucht von Keyſ Mt
wegen, die auch gerne E Gn gemelte Summe um ihre Schuld ge-
ben hatt, dy Summa noch wy ſy gefallen iſt. (Weim. A.)
1 Mandat Joachims bei Walch Werke Luthers XV, 415.
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[316/0334] Zweites Buch. Erſtes Capitel. er hielt es für das was es war, für eine ſeinen Unter- thanen abgenommene Auflage; nachdem alle Ausſichten ſich zerſchlagen, hatte er die Summe endlich für ſeine Univer- ſität angewendet. Auch jetzt war er nicht gemeint eine Schatzung dieſer Art zuzugeben. Sein Nachbar Churfürſt Joachim von Brandenburg ließ es ſich wohl gefallen: er befahl ſeinen Ständen, weder Tetzeln noch deſſen Unter- commiſſarien Hinderniſſe in den Weg zu legen; 1 aber of- fenbar nur darum, weil ſeinem Bruder ein ſo großer Theil des Ertrags zu Gute kam. Eben deshalb aber wi- derſetzte ſich Churfürſt Friedrich nur um ſo mehr; er war ohnehin wegen der Erfurter Streitigkeiten mit dem Chur- fürſten von Mainz geſpannt: nicht aus dem Beutel der Sachſen ſollte Albrecht ſein Pallium bezahlen. Der Ab- laßhandel zu Jüterbock, das Hinzulaufen ſeiner Untertha- nen war ihm aus finanziellen Rückſichten nicht minder widerwärtig als Luthern aus geiſtlichen. Nicht als ob die letzten von den erſten hervorgerufen worden wären: das könnte Niemand behaupten, der die Sachen näher angeſehen; die geiſtlichen Tendenzen ſind viel- mehr urſprünglicher, großartiger, ſelbſtändiger als die weltli- chen; wiewohl auch dieſe hinwiederum in den deutſchen Ver- hältniſſen ihre eigenthümliche Wurzel haben. Der Moment, 1 1 Mandat Joachims bei Walch Werke Luthers XV, 415. 1 Augsburg 1510 erklaͤren dem paͤpſtlichen Nuntius, es habe Pp. Hei- ligkeit leiden moͤgen, das E Gn das Geld ſo in iren Landen gefal- len zu ſich genommen, mit einer Verpflichtung wann es zum Streit wider die Unglaͤubigen komme es wyderum darzulegen: aus der Ur- ſach hab E Gn wyewol mehrmal darum angeſucht von Keyſ Mt wegen, die auch gerne E Gn gemelte Summe um ihre Schuld ge- ben hatt, dy Summa noch wy ſy gefallen iſt. (Weim. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/334>, abgerufen am 25.11.2024.