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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
alter wohl erst recht verständlich. Man dürfte nicht anneh-
men, daß alle Augustinerconvente, oder gar sämmtliche Mit-
glieder derselben, von gleichen Vorstellungen ergriffen, durch-
drungen worden seyen: aber unleugbar ist, daß dieselben
in diesen Kreisen Wurzel schlugen, sich ausbreiteten, den Wi-
derspruch gegen die herrschenden Schulmeinungen nährten.

Es leuchtet ein, wie sehr alle diese Regungen, obwohl
von einer andern Seite her, Verbündete der literarischen
Opposition gegen die Alleinherrschaft des dominicanischen
Systems waren. Von allem Anfang mußte es als ein
für die ganze Nation wichtiges Ereigniß betrachtet werden,
daß die abweichenden Tendenzen endlich einmal auf einer
Universität Repräsentation empfiengen.

Im Jahr 1502 stiftete Churfürst Friedrich von Sach-
sen eine neue Universität zu Wittenberg. Er brachte sie
hauptsächlich dadurch zu Stande, daß er der schon an sich
reich ausgestatteten dortigen Schloßkirche mit päpstlicher
Bewilligung eine Anzahl Pfarren incorporirte, und sie da-
durch zunächst in ein Stift verwandelte, dessen Pfründen
er dann für die neuen Professoren bestimmte. So hatte
man es auch in Trier in Tübingen gemacht; die Würden
des Stiftes wurden mit den Stellen an der Universität
verbunden; Propst Dechant Scholaster und Syndicus bil-
deten die juridische, Archidiaconus Cantor und Custos die
theologische Facultät; an fünf Canonicate wurden die phi-
losophischen Vorlesungen und die Übungen der Artisten ge-
knüpft; der ansehnliche Augustinerconvent, der sich in der
Stadt befand, sollte an der Arbeit Theil nehmen. 1


1 Das päpstliche Privilegium bei Grohmann Geschichte der
Universität Wittenberg; vgl. p. 110.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
alter wohl erſt recht verſtändlich. Man dürfte nicht anneh-
men, daß alle Auguſtinerconvente, oder gar ſämmtliche Mit-
glieder derſelben, von gleichen Vorſtellungen ergriffen, durch-
drungen worden ſeyen: aber unleugbar iſt, daß dieſelben
in dieſen Kreiſen Wurzel ſchlugen, ſich ausbreiteten, den Wi-
derſpruch gegen die herrſchenden Schulmeinungen nährten.

Es leuchtet ein, wie ſehr alle dieſe Regungen, obwohl
von einer andern Seite her, Verbündete der literariſchen
Oppoſition gegen die Alleinherrſchaft des dominicaniſchen
Syſtems waren. Von allem Anfang mußte es als ein
für die ganze Nation wichtiges Ereigniß betrachtet werden,
daß die abweichenden Tendenzen endlich einmal auf einer
Univerſität Repräſentation empfiengen.

Im Jahr 1502 ſtiftete Churfürſt Friedrich von Sach-
ſen eine neue Univerſität zu Wittenberg. Er brachte ſie
hauptſächlich dadurch zu Stande, daß er der ſchon an ſich
reich ausgeſtatteten dortigen Schloßkirche mit päpſtlicher
Bewilligung eine Anzahl Pfarren incorporirte, und ſie da-
durch zunächſt in ein Stift verwandelte, deſſen Pfründen
er dann für die neuen Profeſſoren beſtimmte. So hatte
man es auch in Trier in Tübingen gemacht; die Würden
des Stiftes wurden mit den Stellen an der Univerſität
verbunden; Propſt Dechant Scholaſter und Syndicus bil-
deten die juridiſche, Archidiaconus Cantor und Cuſtos die
theologiſche Facultät; an fünf Canonicate wurden die phi-
loſophiſchen Vorleſungen und die Übungen der Artiſten ge-
knüpft; der anſehnliche Auguſtinerconvent, der ſich in der
Stadt befand, ſollte an der Arbeit Theil nehmen. 1


1 Das paͤpſtliche Privilegium bei Grohmann Geſchichte der
Univerſitaͤt Wittenberg; vgl. p. 110.
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[290/0308] Zweites Buch. Erſtes Capitel. alter wohl erſt recht verſtändlich. Man dürfte nicht anneh- men, daß alle Auguſtinerconvente, oder gar ſämmtliche Mit- glieder derſelben, von gleichen Vorſtellungen ergriffen, durch- drungen worden ſeyen: aber unleugbar iſt, daß dieſelben in dieſen Kreiſen Wurzel ſchlugen, ſich ausbreiteten, den Wi- derſpruch gegen die herrſchenden Schulmeinungen nährten. Es leuchtet ein, wie ſehr alle dieſe Regungen, obwohl von einer andern Seite her, Verbündete der literariſchen Oppoſition gegen die Alleinherrſchaft des dominicaniſchen Syſtems waren. Von allem Anfang mußte es als ein für die ganze Nation wichtiges Ereigniß betrachtet werden, daß die abweichenden Tendenzen endlich einmal auf einer Univerſität Repräſentation empfiengen. Im Jahr 1502 ſtiftete Churfürſt Friedrich von Sach- ſen eine neue Univerſität zu Wittenberg. Er brachte ſie hauptſächlich dadurch zu Stande, daß er der ſchon an ſich reich ausgeſtatteten dortigen Schloßkirche mit päpſtlicher Bewilligung eine Anzahl Pfarren incorporirte, und ſie da- durch zunächſt in ein Stift verwandelte, deſſen Pfründen er dann für die neuen Profeſſoren beſtimmte. So hatte man es auch in Trier in Tübingen gemacht; die Würden des Stiftes wurden mit den Stellen an der Univerſität verbunden; Propſt Dechant Scholaſter und Syndicus bil- deten die juridiſche, Archidiaconus Cantor und Cuſtos die theologiſche Facultät; an fünf Canonicate wurden die phi- loſophiſchen Vorleſungen und die Übungen der Artiſten ge- knüpft; der anſehnliche Auguſtinerconvent, der ſich in der Stadt befand, ſollte an der Arbeit Theil nehmen. 1 1 Das paͤpſtliche Privilegium bei Grohmann Geſchichte der Univerſitaͤt Wittenberg; vgl. p. 110.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/308>, abgerufen am 25.11.2024.