Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
Religiöse Stellung des Papstthums.

Auch ward kein Mittel der Gewalt aufgegeben. Die
Dominicaner, welche die strengsten Lehren an den Univer-
sitäten vortrugen und von den Predigtstühlen allem Volke
verkündigten, hatten zugleich das Recht sie mit Feuer und
Schwert zu vertheidigen. Auch nach Johann Huß und
Hieronymus von Prag war der Rechtgläubigkeit noch man-
ches Opfer gefallen. Es bildet einen schneidenden Con-
trast, daß so weltlich gesinnte Päpste wie Alexander VI
und Leo X die Befugnisse der Inquisition scharf und drin-
gend erneuerten. 1 Unter der Autorisation gleichgesinnter
Vorgänger war dieß Institut vor Kurzem in Spanien zu
der furchtbarsten Gestalt ausgebildet worden, die es je ge-
habt hat. Das Beispiel von Deutschland zeigt uns, daß
sich auch anderwärts ähnliche Tendenzen regten. Jene
seltsame Verrückung der Phantasie, die einen persönlichen
Umgang mit dem Satan vorspiegelte, mußte dazu dienen,
um blutige Executionen vorzunehmen: der Hexenhammer
war das Werk zwei deutscher Dominicaner. Die spanische
Inquisition war von einer Verfolgung der Juden ausge-
gangen; auch in Deutschland wurden die Juden im An-
fang des 16ten Jahrh. allenthalben verfolgt, und die Cöll-
ner Dominicaner schlugen dem Kaiser vor, ein Inquisi-
tionsgericht gegen sie zu errichten. Sie wußten ihm da-
für sogar eine rechtliche Befugniß ausfindig zu machen.
Sie meinten man müsse untersuchen, in wie weit sie von
dem alten Testament abgewichen seyen: dazu habe der Kai-
ser alles Recht, denn die Gewalt römisch-kaiserlicher Ma-
jestät habe jene Nation einst vor Pilatus stehend förmlich

1 Decrete bei Rainaldus 1498 nr. 25, 1516 nr. 34.
Religioͤſe Stellung des Papſtthums.

Auch ward kein Mittel der Gewalt aufgegeben. Die
Dominicaner, welche die ſtrengſten Lehren an den Univer-
ſitäten vortrugen und von den Predigtſtühlen allem Volke
verkündigten, hatten zugleich das Recht ſie mit Feuer und
Schwert zu vertheidigen. Auch nach Johann Huß und
Hieronymus von Prag war der Rechtgläubigkeit noch man-
ches Opfer gefallen. Es bildet einen ſchneidenden Con-
traſt, daß ſo weltlich geſinnte Päpſte wie Alexander VI
und Leo X die Befugniſſe der Inquiſition ſcharf und drin-
gend erneuerten. 1 Unter der Autoriſation gleichgeſinnter
Vorgänger war dieß Inſtitut vor Kurzem in Spanien zu
der furchtbarſten Geſtalt ausgebildet worden, die es je ge-
habt hat. Das Beiſpiel von Deutſchland zeigt uns, daß
ſich auch anderwärts ähnliche Tendenzen regten. Jene
ſeltſame Verrückung der Phantaſie, die einen perſönlichen
Umgang mit dem Satan vorſpiegelte, mußte dazu dienen,
um blutige Executionen vorzunehmen: der Hexenhammer
war das Werk zwei deutſcher Dominicaner. Die ſpaniſche
Inquiſition war von einer Verfolgung der Juden ausge-
gangen; auch in Deutſchland wurden die Juden im An-
fang des 16ten Jahrh. allenthalben verfolgt, und die Cöll-
ner Dominicaner ſchlugen dem Kaiſer vor, ein Inquiſi-
tionsgericht gegen ſie zu errichten. Sie wußten ihm da-
für ſogar eine rechtliche Befugniß ausfindig zu machen.
Sie meinten man müſſe unterſuchen, in wie weit ſie von
dem alten Teſtament abgewichen ſeyen: dazu habe der Kai-
ſer alles Recht, denn die Gewalt römiſch-kaiſerlicher Ma-
jeſtät habe jene Nation einſt vor Pilatus ſtehend förmlich

1 Decrete bei Rainaldus 1498 nr. 25, 1516 nr. 34.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0257" n="239"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Religio&#x0364;&#x017F;e Stellung des Pap&#x017F;tthums</hi>.</fw><lb/>
            <p>Auch ward kein Mittel der Gewalt aufgegeben. Die<lb/>
Dominicaner, welche die &#x017F;treng&#x017F;ten Lehren an den Univer-<lb/>
&#x017F;itäten vortrugen und von den Predigt&#x017F;tühlen allem Volke<lb/>
verkündigten, hatten zugleich das Recht &#x017F;ie mit Feuer und<lb/>
Schwert zu vertheidigen. Auch nach Johann Huß und<lb/>
Hieronymus von Prag war der Rechtgläubigkeit noch man-<lb/>
ches Opfer gefallen. Es bildet einen &#x017F;chneidenden Con-<lb/>
tra&#x017F;t, daß &#x017F;o weltlich ge&#x017F;innte Päp&#x017F;te wie Alexander <hi rendition="#aq">VI</hi><lb/>
und Leo <hi rendition="#aq">X</hi> die Befugni&#x017F;&#x017F;e der Inqui&#x017F;ition &#x017F;charf und drin-<lb/>
gend erneuerten. <note place="foot" n="1">Decrete bei Rainaldus 1498 <hi rendition="#aq">nr. 25, 1516 nr.</hi> 34.</note> Unter der Autori&#x017F;ation gleichge&#x017F;innter<lb/>
Vorgänger war dieß In&#x017F;titut vor Kurzem in Spanien zu<lb/>
der furchtbar&#x017F;ten Ge&#x017F;talt ausgebildet worden, die es je ge-<lb/>
habt hat. Das Bei&#x017F;piel von Deut&#x017F;chland zeigt uns, daß<lb/>
&#x017F;ich auch anderwärts ähnliche Tendenzen regten. Jene<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;ame Verrückung der Phanta&#x017F;ie, die einen per&#x017F;önlichen<lb/>
Umgang mit dem Satan vor&#x017F;piegelte, mußte dazu dienen,<lb/>
um blutige Executionen vorzunehmen: der Hexenhammer<lb/>
war das Werk zwei deut&#x017F;cher Dominicaner. Die &#x017F;pani&#x017F;che<lb/>
Inqui&#x017F;ition war von einer Verfolgung der Juden ausge-<lb/>
gangen; auch in Deut&#x017F;chland wurden die Juden im An-<lb/>
fang des 16ten Jahrh. allenthalben verfolgt, und die Cöll-<lb/>
ner Dominicaner &#x017F;chlugen dem Kai&#x017F;er vor, ein Inqui&#x017F;i-<lb/>
tionsgericht gegen &#x017F;ie zu errichten. Sie wußten ihm da-<lb/>
für &#x017F;ogar eine rechtliche Befugniß ausfindig zu machen.<lb/>
Sie meinten man mü&#x017F;&#x017F;e unter&#x017F;uchen, in wie weit &#x017F;ie von<lb/>
dem alten Te&#x017F;tament abgewichen &#x017F;eyen: dazu habe der Kai-<lb/>
&#x017F;er alles Recht, denn die Gewalt römi&#x017F;ch-kai&#x017F;erlicher Ma-<lb/>
je&#x017F;tät habe jene Nation ein&#x017F;t vor Pilatus &#x017F;tehend förmlich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0257] Religioͤſe Stellung des Papſtthums. Auch ward kein Mittel der Gewalt aufgegeben. Die Dominicaner, welche die ſtrengſten Lehren an den Univer- ſitäten vortrugen und von den Predigtſtühlen allem Volke verkündigten, hatten zugleich das Recht ſie mit Feuer und Schwert zu vertheidigen. Auch nach Johann Huß und Hieronymus von Prag war der Rechtgläubigkeit noch man- ches Opfer gefallen. Es bildet einen ſchneidenden Con- traſt, daß ſo weltlich geſinnte Päpſte wie Alexander VI und Leo X die Befugniſſe der Inquiſition ſcharf und drin- gend erneuerten. 1 Unter der Autoriſation gleichgeſinnter Vorgänger war dieß Inſtitut vor Kurzem in Spanien zu der furchtbarſten Geſtalt ausgebildet worden, die es je ge- habt hat. Das Beiſpiel von Deutſchland zeigt uns, daß ſich auch anderwärts ähnliche Tendenzen regten. Jene ſeltſame Verrückung der Phantaſie, die einen perſönlichen Umgang mit dem Satan vorſpiegelte, mußte dazu dienen, um blutige Executionen vorzunehmen: der Hexenhammer war das Werk zwei deutſcher Dominicaner. Die ſpaniſche Inquiſition war von einer Verfolgung der Juden ausge- gangen; auch in Deutſchland wurden die Juden im An- fang des 16ten Jahrh. allenthalben verfolgt, und die Cöll- ner Dominicaner ſchlugen dem Kaiſer vor, ein Inquiſi- tionsgericht gegen ſie zu errichten. Sie wußten ihm da- für ſogar eine rechtliche Befugniß ausfindig zu machen. Sie meinten man müſſe unterſuchen, in wie weit ſie von dem alten Teſtament abgewichen ſeyen: dazu habe der Kai- ſer alles Recht, denn die Gewalt römiſch-kaiſerlicher Ma- jeſtät habe jene Nation einſt vor Pilatus ſtehend förmlich 1 Decrete bei Rainaldus 1498 nr. 25, 1516 nr. 34.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/257
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/257>, abgerufen am 16.06.2024.