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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
ßen, ihre Angehörigen zu befördern, ihr Fürstenthum zu
erweitern suchten, den geistlichen Prätensionen Eintrag ge-
than haben. Aber im Gegentheil: sie treten so schroff her-
vor wie jemals. Das Ansehn welches sich die Concilien
erworben, bewirkte nur, daß die Päpste es für verdam-
mungswürdig erklärten, wenn Jemand an ein Concilium
appellire. 1 Wie beeifern sich die curialistischen Schriftstel-
ler die Infallibilität des Papstes nachzuweisen! Johann
von Torquemada wird nicht müde, Analogien der Schrift,
Sätze der Kirchenväter, Stellen aus den falschen Decre-
talen zu diesem Zwecke zusammenzuhäufen; er geht so weit
zu behaupten: gäbe es nicht ein Oberhaupt das alle Streit-
fragen entscheiden, alle Zweifel heben könne, so könnte man
an der h. Schrift selber zweifeln, die ihre Autorität nur
von der Kirche habe, die sich wieder ohne den Papst nicht
denken lasse. 2 Im Anfang des sechszehnten Jahrhunderts
trug der wohlbekannte Dominicaner Thomas von Gaeta
kein Bedenken, die Kirche für eine geborne Sklavin zu er-
klären, die gegen einen schlechten Papst nichts weiter thun
könne als beharrlich gegen ihn beten. 3


1 Bulle Pius II vom 18ten Januar 1460 (XV Kal. Febr.
nicht X, wie Rain. hat) Bullar. Cocq. Tom. III, pars III, p. 97.
2 Johannes de Turrecremata de potestate papali (Rocca-
berti Tom. XIII) c. 112. Credendum est, quod Romanus ponti-
fex in judicio eorum quae fidei sunt, spiritu sancto regatur et
per consequens in illis non erret: alias posset quis eadem faci-
litate dicere, quod erratum sit in electione quatuor evaugelio-
rum et epistolarum canonis.
Er klagt jedoch über die "multa
turba adversariorum et inimicorum Romanae sedis,"
die das nicht
glauben wollen.
3 De autoritate Papae et concilii. Auszüge bei Rainaldus
1512 nr. 18.

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ßen, ihre Angehörigen zu befördern, ihr Fürſtenthum zu
erweitern ſuchten, den geiſtlichen Prätenſionen Eintrag ge-
than haben. Aber im Gegentheil: ſie treten ſo ſchroff her-
vor wie jemals. Das Anſehn welches ſich die Concilien
erworben, bewirkte nur, daß die Päpſte es für verdam-
mungswürdig erklärten, wenn Jemand an ein Concilium
appellire. 1 Wie beeifern ſich die curialiſtiſchen Schriftſtel-
ler die Infallibilität des Papſtes nachzuweiſen! Johann
von Torquemada wird nicht müde, Analogien der Schrift,
Sätze der Kirchenväter, Stellen aus den falſchen Decre-
talen zu dieſem Zwecke zuſammenzuhäufen; er geht ſo weit
zu behaupten: gäbe es nicht ein Oberhaupt das alle Streit-
fragen entſcheiden, alle Zweifel heben könne, ſo könnte man
an der h. Schrift ſelber zweifeln, die ihre Autorität nur
von der Kirche habe, die ſich wieder ohne den Papſt nicht
denken laſſe. 2 Im Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts
trug der wohlbekannte Dominicaner Thomas von Gaeta
kein Bedenken, die Kirche für eine geborne Sklavin zu er-
klären, die gegen einen ſchlechten Papſt nichts weiter thun
könne als beharrlich gegen ihn beten. 3


1 Bulle Pius II vom 18ten Januar 1460 (XV Kal. Febr.
nicht X, wie Rain. hat) Bullar. Cocq. Tom. III, pars III, p. 97.
2 Johannes de Turrecremata de potestate papali (Rocca-
berti Tom. XIII) c. 112. Credendum est, quod Romanus ponti-
fex in judicio eorum quae fidei sunt, spiritu sancto regatur et
per consequens in illis non erret: alias posset quis eadem faci-
litate dicere, quod erratum sit in electione quatuor evaugelio-
rum et epistolarum canonis.
Er klagt jedoch uͤber die „multa
turba adversariorum et inimicorum Romanae sedis,“
die das nicht
glauben wollen.
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1512 nr. 18.
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[238/0256] Zweites Buch. Erſtes Capitel. ßen, ihre Angehörigen zu befördern, ihr Fürſtenthum zu erweitern ſuchten, den geiſtlichen Prätenſionen Eintrag ge- than haben. Aber im Gegentheil: ſie treten ſo ſchroff her- vor wie jemals. Das Anſehn welches ſich die Concilien erworben, bewirkte nur, daß die Päpſte es für verdam- mungswürdig erklärten, wenn Jemand an ein Concilium appellire. 1 Wie beeifern ſich die curialiſtiſchen Schriftſtel- ler die Infallibilität des Papſtes nachzuweiſen! Johann von Torquemada wird nicht müde, Analogien der Schrift, Sätze der Kirchenväter, Stellen aus den falſchen Decre- talen zu dieſem Zwecke zuſammenzuhäufen; er geht ſo weit zu behaupten: gäbe es nicht ein Oberhaupt das alle Streit- fragen entſcheiden, alle Zweifel heben könne, ſo könnte man an der h. Schrift ſelber zweifeln, die ihre Autorität nur von der Kirche habe, die ſich wieder ohne den Papſt nicht denken laſſe. 2 Im Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts trug der wohlbekannte Dominicaner Thomas von Gaeta kein Bedenken, die Kirche für eine geborne Sklavin zu er- klären, die gegen einen ſchlechten Papſt nichts weiter thun könne als beharrlich gegen ihn beten. 3 1 Bulle Pius II vom 18ten Januar 1460 (XV Kal. Febr. nicht X, wie Rain. hat) Bullar. Cocq. Tom. III, pars III, p. 97. 2 Johannes de Turrecremata de potestate papali (Rocca- berti Tom. XIII) c. 112. Credendum est, quod Romanus ponti- fex in judicio eorum quae fidei sunt, spiritu sancto regatur et per consequens in illis non erret: alias posset quis eadem faci- litate dicere, quod erratum sit in electione quatuor evaugelio- rum et epistolarum canonis. Er klagt jedoch uͤber die „multa turba adversariorum et inimicorum Romanae sedis,“ die das nicht glauben wollen. 3 De autoritate Papae et concilii. Auszuͤge bei Rainaldus 1512 nr. 18.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/256>, abgerufen am 23.11.2024.