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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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C. Caraffa
andere Theile sind offenbar fremdes Gut. Von König Jacob I. von
England ist als von "presente re d'Inghilterra" die Rede, was doch
1628 nicht gesagt werden konnte.

Man sollte glauben, daß irgend ein Compilator ohne eigene Ein-
sicht diese Documente zusammengestellt hätte.

Nach weiterer Ueberlegung zeigt sich das jedoch auch nicht wahr-
scheinlich.

Dem alten Ragguaglio Caraffas werden doch hier recht wichtige
und eindringende Notizen über die spätere Zeit hinzugefügt, von de-
nen ein Compilator nichts geahndet haben würde.

Es kommen Nachrichten vor, welche nur an einen Eingeweihten
gelangen konnten. Z. B. weiß der Autor von jener Unterhandlung
Urbans VIII. in England durch den Capuziner Rota, die so ge-
heim gehalten ward.

Auch spricht der Nuntius nicht selten in der ersten Person.

Ich schließe, daß dieß Werk wirklich von Caraffa herrührt, aber
nicht zu eigentlicher Vollendung gebracht worden, sey es, daß dem
Autor die Zeit, die Lust, oder auch selbst die Kraft dazu gebrach;
denn etwas Diffuses und Formloses hat wenigstens auch seine böh-
mische Relation. Er mochte, als er nach Aversa zurückgekommen, ei-
nige müßige Stunden mit der Zusammenstellung seiner Materialien
ausfüllen.

Auf jeden Fall verdient die Arbeit auch in dieser Gestalt alle
Aufmerksamkeit.

Die Relationen die sie aufgenommen und mehr oder minder
verarbeitet hat, sind von hohem Werthe. Auch die historischen Be-
merkungen unterscheiden sich doch immer von den in den gedruckten
Commentarien enthaltenen.

Ich will einige Notizen herausheben, die mir besonders denk-
würdig scheinen.

I. Verfall des deutschen Fürstenthumes. Denn es versteht sich
wohl, daß hier bei weitem mehr von deutschen und östreichischen Zu-
ständen die Rede ist als von römischen oder kirchlichen.

Per il passato era tanta l'abbondanza che li principi di Ger-
mania a pena potevano saper la quantita de regali, datii, ar-
genti, et altre dovitie venute da ogni parte, et hora a pena ri-
trovano il principio per haverle, e pare che vivano solo alla
giornata, e quello che da una giornata, l'altra lo consuma. Non
vi e raccolta grande di danaro, se non di cose refiutate da' cre-
ditori e che sono piu di titolo che di realta. Di tal negligenza
e si poca economia e di si fatto errore varie s'assegnano le
cause: chi dice cio venire per la liberalita de' principi, chi per
le conditioni de' tempi iniqui, chi per le frequenti guerre, chi
per le seditioni de' cittadini, altri finalmente assegnano la causa
a' ministri, prefetti e vicarii: veramente si vede tali officii ha-
ver voluto abbracciare piu di quello che potevano stringere et
essere arrivate troppo oltre le comodita prese da governatori:
con questo il poco consiglio, l'interesse proprio anteposto
al commune, cose che poterono estinguere il gran Romano
imperio, perche non ponno estinguere il Germano? Nasce

C. Caraffa
andere Theile ſind offenbar fremdes Gut. Von Koͤnig Jacob I. von
England iſt als von „presente re d’Inghilterra“ die Rede, was doch
1628 nicht geſagt werden konnte.

Man ſollte glauben, daß irgend ein Compilator ohne eigene Ein-
ſicht dieſe Documente zuſammengeſtellt haͤtte.

Nach weiterer Ueberlegung zeigt ſich das jedoch auch nicht wahr-
ſcheinlich.

Dem alten Ragguaglio Caraffas werden doch hier recht wichtige
und eindringende Notizen uͤber die ſpaͤtere Zeit hinzugefuͤgt, von de-
nen ein Compilator nichts geahndet haben wuͤrde.

Es kommen Nachrichten vor, welche nur an einen Eingeweihten
gelangen konnten. Z. B. weiß der Autor von jener Unterhandlung
Urbans VIII. in England durch den Capuziner Rota, die ſo ge-
heim gehalten ward.

Auch ſpricht der Nuntius nicht ſelten in der erſten Perſon.

Ich ſchließe, daß dieß Werk wirklich von Caraffa herruͤhrt, aber
nicht zu eigentlicher Vollendung gebracht worden, ſey es, daß dem
Autor die Zeit, die Luſt, oder auch ſelbſt die Kraft dazu gebrach;
denn etwas Diffuſes und Formloſes hat wenigſtens auch ſeine boͤh-
miſche Relation. Er mochte, als er nach Averſa zuruͤckgekommen, ei-
nige muͤßige Stunden mit der Zuſammenſtellung ſeiner Materialien
ausfuͤllen.

Auf jeden Fall verdient die Arbeit auch in dieſer Geſtalt alle
Aufmerkſamkeit.

Die Relationen die ſie aufgenommen und mehr oder minder
verarbeitet hat, ſind von hohem Werthe. Auch die hiſtoriſchen Be-
merkungen unterſcheiden ſich doch immer von den in den gedruckten
Commentarien enthaltenen.

Ich will einige Notizen herausheben, die mir beſonders denk-
wuͤrdig ſcheinen.

I. Verfall des deutſchen Fuͤrſtenthumes. Denn es verſteht ſich
wohl, daß hier bei weitem mehr von deutſchen und oͤſtreichiſchen Zu-
ſtaͤnden die Rede iſt als von roͤmiſchen oder kirchlichen.

Per il passato era tanta l’abbondanza che li principi di Ger-
mania a pena potevano saper la quantità de regali, datii, ar-
genti, et altre dovitie venute da ogni parte, et hora a pena ri-
trovano il principio per haverle, e pare che vivano solo alla
giornata, e quello che da una giornata, l’altra lo consuma. Non
vi è raccolta grande di danaro, se non di cose refiutate da’ cre-
ditori e che sono più di titolo che di realtà. Di tal negligenza
e sì poca economia e di sì fatto errore varie s’assegnano le
cause: chi dice ciò venire per la liberalità de’ principi, chi per
le conditioni de’ tempi iniqui, chi per le frequenti guerre, chi
per le seditioni de’ cittadini, altri finalmente assegnano la causa
a’ ministri, prefetti e vicarii: veramente si vede tali officii ha-
ver voluto abbracciare più di quello che potevano stringere et
essere arrivate troppo oltre le comodità prese da governatori:
con questo il poco consiglio, l’interesse proprio anteposto
al commune, cose che poterono estinguere il gran Romano
imperio, perche non ponno estinguere il Germano? Nasce

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[418/0430] C. Caraffa andere Theile ſind offenbar fremdes Gut. Von Koͤnig Jacob I. von England iſt als von „presente re d’Inghilterra“ die Rede, was doch 1628 nicht geſagt werden konnte. Man ſollte glauben, daß irgend ein Compilator ohne eigene Ein- ſicht dieſe Documente zuſammengeſtellt haͤtte. Nach weiterer Ueberlegung zeigt ſich das jedoch auch nicht wahr- ſcheinlich. Dem alten Ragguaglio Caraffas werden doch hier recht wichtige und eindringende Notizen uͤber die ſpaͤtere Zeit hinzugefuͤgt, von de- nen ein Compilator nichts geahndet haben wuͤrde. Es kommen Nachrichten vor, welche nur an einen Eingeweihten gelangen konnten. Z. B. weiß der Autor von jener Unterhandlung Urbans VIII. in England durch den Capuziner Rota, die ſo ge- heim gehalten ward. Auch ſpricht der Nuntius nicht ſelten in der erſten Perſon. Ich ſchließe, daß dieß Werk wirklich von Caraffa herruͤhrt, aber nicht zu eigentlicher Vollendung gebracht worden, ſey es, daß dem Autor die Zeit, die Luſt, oder auch ſelbſt die Kraft dazu gebrach; denn etwas Diffuſes und Formloſes hat wenigſtens auch ſeine boͤh- miſche Relation. Er mochte, als er nach Averſa zuruͤckgekommen, ei- nige muͤßige Stunden mit der Zuſammenſtellung ſeiner Materialien ausfuͤllen. Auf jeden Fall verdient die Arbeit auch in dieſer Geſtalt alle Aufmerkſamkeit. Die Relationen die ſie aufgenommen und mehr oder minder verarbeitet hat, ſind von hohem Werthe. Auch die hiſtoriſchen Be- merkungen unterſcheiden ſich doch immer von den in den gedruckten Commentarien enthaltenen. Ich will einige Notizen herausheben, die mir beſonders denk- wuͤrdig ſcheinen. I. Verfall des deutſchen Fuͤrſtenthumes. Denn es verſteht ſich wohl, daß hier bei weitem mehr von deutſchen und oͤſtreichiſchen Zu- ſtaͤnden die Rede iſt als von roͤmiſchen oder kirchlichen. Per il passato era tanta l’abbondanza che li principi di Ger- mania a pena potevano saper la quantità de regali, datii, ar- genti, et altre dovitie venute da ogni parte, et hora a pena ri- trovano il principio per haverle, e pare che vivano solo alla giornata, e quello che da una giornata, l’altra lo consuma. Non vi è raccolta grande di danaro, se non di cose refiutate da’ cre- ditori e che sono più di titolo che di realtà. Di tal negligenza e sì poca economia e di sì fatto errore varie s’assegnano le cause: chi dice ciò venire per la liberalità de’ principi, chi per le conditioni de’ tempi iniqui, chi per le frequenti guerre, chi per le seditioni de’ cittadini, altri finalmente assegnano la causa a’ ministri, prefetti e vicarii: veramente si vede tali officii ha- ver voluto abbracciare più di quello che potevano stringere et essere arrivate troppo oltre le comodità prese da governatori: con questo il poco consiglio, l’interesse proprio anteposto al commune, cose che poterono estinguere il gran Romano imperio, perche non ponno estinguere il Germano? Nasce

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/430>, abgerufen am 07.07.2024.