Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Spanische Erbfolge.
erörtern, in welche Clemens XI. verwickelt ward 1); end-
lich setzten ihm die Kaiserlichen einen Termin zur Annahme
ihrer Friedensvorschläge, unter denen die Anerkennung des
östreichischen Prätendenten die wichtigste war. Vergebens
sah sich der Papst nach Hülfe um. Er wartete bis auf
den festgesetzten Tag, nach dessen unbenutztem Verlaufe die
Kaiserlichen Stadt und Staat feindselig zu überziehen ge-
droht hatten, 15. Jan. 1709; erst in der letzten Stunde
desselben, eilf Uhr Abends, gab er seine Unterschrift 1). Er
hatte früher Philipp V. beglückwünscht; jetzt sah er sich
genöthigt dessen Gegner Carl III. als katholischen König
anzuerkennen 2).

Damit bekam nun nicht allein die schiedsrichterliche
Autorität des Papstthums einen harten Stoß, sondern alle
politische Freiheit und Selbstbestimmung ward ihm entris-
sen. Der französische Gesandte verließ Rom mit der Er-
klärung, es sey gar nicht mehr der Sitz der Kirche 3).

Schon nahm auch die Lage der Welt überhaupt eine
andere Gestalt an. Am Ende war es doch das protestan-

1) Z. B. über die Einquartierung von Parma und Piacenza;
wo auch die Geistlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen
worden. Accord avec les deputes du duc et de la ville de Plai-
sance 14 dec. 1706 art. IX, que pour soulager l'etat tous
les particuliers quoique tres privilegies contribueroient a la sus-
ditte somme.
Eben dieß wollte der Papst nicht leiden. Die kai-
serlichen Ansprüche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-
neuert. Contredeclaration de l'empereur bei Lamberty V, 85.
1) Z. B. über die Einquartierung von Parma und Piacenza;
wo auch die Geistlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen
worden. Accord avec les deputes du duc et de la ville de Plai-
sance 14 dec. 1706 art. IX, que pour soulager l'etat tous
les particuliers quoique tres privilegies contribueroient a la sus-
ditte somme.
Eben dieß wollte der Papst nicht leiden. Die kai-
serlichen Ansprüche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-
neuert. Contredeclaration de l'empereur bei Lamberty V, 85.
2) Die Bedingung, anfangs geheim gehalten, ward durch ein
Schreiben des östreichischen Gesandten an den Herzog von Marlbo-
rough bekannt, bei Lamberty V, 242.
3) Lettre du marechal Thesse au pape 12 juillet 1709.

Spaniſche Erbfolge.
eroͤrtern, in welche Clemens XI. verwickelt ward 1); end-
lich ſetzten ihm die Kaiſerlichen einen Termin zur Annahme
ihrer Friedensvorſchlaͤge, unter denen die Anerkennung des
oͤſtreichiſchen Praͤtendenten die wichtigſte war. Vergebens
ſah ſich der Papſt nach Huͤlfe um. Er wartete bis auf
den feſtgeſetzten Tag, nach deſſen unbenutztem Verlaufe die
Kaiſerlichen Stadt und Staat feindſelig zu uͤberziehen ge-
droht hatten, 15. Jan. 1709; erſt in der letzten Stunde
deſſelben, eilf Uhr Abends, gab er ſeine Unterſchrift 1). Er
hatte fruͤher Philipp V. begluͤckwuͤnſcht; jetzt ſah er ſich
genoͤthigt deſſen Gegner Carl III. als katholiſchen Koͤnig
anzuerkennen 2).

Damit bekam nun nicht allein die ſchiedsrichterliche
Autoritaͤt des Papſtthums einen harten Stoß, ſondern alle
politiſche Freiheit und Selbſtbeſtimmung ward ihm entriſ-
ſen. Der franzoͤſiſche Geſandte verließ Rom mit der Er-
klaͤrung, es ſey gar nicht mehr der Sitz der Kirche 3).

Schon nahm auch die Lage der Welt uͤberhaupt eine
andere Geſtalt an. Am Ende war es doch das proteſtan-

1) Z. B. uͤber die Einquartierung von Parma und Piacenza;
wo auch die Geiſtlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen
worden. Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai-
sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l’état tous
les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus-
ditte somme.
Eben dieß wollte der Papſt nicht leiden. Die kai-
ſerlichen Anſpruͤche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-
neuert. Contredéclaration de l’empereur bei Lamberty V, 85.
1) Z. B. uͤber die Einquartierung von Parma und Piacenza;
wo auch die Geiſtlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen
worden. Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai-
sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l’état tous
les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus-
ditte somme.
Eben dieß wollte der Papſt nicht leiden. Die kai-
ſerlichen Anſpruͤche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-
neuert. Contredéclaration de l’empereur bei Lamberty V, 85.
2) Die Bedingung, anfangs geheim gehalten, ward durch ein
Schreiben des oͤſtreichiſchen Geſandten an den Herzog von Marlbo-
rough bekannt, bei Lamberty V, 242.
3) Lettre du maréchal Thessé au pape 12 juillet 1709.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Spani&#x017F;che Erbfolge</hi>.</fw><lb/>
ero&#x0364;rtern, in welche Clemens <hi rendition="#aq">XI.</hi> verwickelt ward <note place="foot" n="1)">Z. B. u&#x0364;ber die Einquartierung von Parma und Piacenza;<lb/>
wo auch die Gei&#x017F;tlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen<lb/>
worden. <hi rendition="#aq">Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai-<lb/>
sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l&#x2019;état tous<lb/>
les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus-<lb/>
ditte somme.</hi> Eben dieß wollte der Pap&#x017F;t nicht leiden. Die kai-<lb/>
&#x017F;erlichen An&#x017F;pru&#x0364;che wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-<lb/>
neuert. <hi rendition="#aq">Contredéclaration de l&#x2019;empereur</hi> bei Lamberty <hi rendition="#aq">V,</hi> 85.</note>; end-<lb/>
lich &#x017F;etzten ihm die Kai&#x017F;erlichen einen Termin zur Annahme<lb/>
ihrer Friedensvor&#x017F;chla&#x0364;ge, unter denen die Anerkennung des<lb/>
o&#x0364;&#x017F;treichi&#x017F;chen Pra&#x0364;tendenten die wichtig&#x017F;te war. Vergebens<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ich der Pap&#x017F;t nach Hu&#x0364;lfe um. Er wartete bis auf<lb/>
den fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Tag, nach de&#x017F;&#x017F;en unbenutztem Verlaufe die<lb/>
Kai&#x017F;erlichen Stadt und Staat feind&#x017F;elig zu u&#x0364;berziehen ge-<lb/>
droht hatten, 15. Jan. 1709; er&#x017F;t in der letzten Stunde<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben, eilf Uhr Abends, gab er &#x017F;eine Unter&#x017F;chrift <note place="foot" n="1)">Z. B. u&#x0364;ber die Einquartierung von Parma und Piacenza;<lb/>
wo auch die Gei&#x017F;tlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen<lb/>
worden. <hi rendition="#aq">Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai-<lb/>
sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l&#x2019;état tous<lb/>
les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus-<lb/>
ditte somme.</hi> Eben dieß wollte der Pap&#x017F;t nicht leiden. Die kai-<lb/>
&#x017F;erlichen An&#x017F;pru&#x0364;che wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er-<lb/>
neuert. <hi rendition="#aq">Contredéclaration de l&#x2019;empereur</hi> bei Lamberty <hi rendition="#aq">V,</hi> 85.</note>. Er<lb/>
hatte fru&#x0364;her Philipp <hi rendition="#aq">V.</hi> beglu&#x0364;ckwu&#x0364;n&#x017F;cht; jetzt &#x017F;ah er &#x017F;ich<lb/>
geno&#x0364;thigt de&#x017F;&#x017F;en Gegner Carl <hi rendition="#aq">III.</hi> als katholi&#x017F;chen Ko&#x0364;nig<lb/>
anzuerkennen <note place="foot" n="2)">Die Bedingung, anfangs geheim gehalten, ward durch ein<lb/>
Schreiben des o&#x0364;&#x017F;treichi&#x017F;chen Ge&#x017F;andten an den Herzog von Marlbo-<lb/>
rough bekannt, bei Lamberty <hi rendition="#aq">V,</hi> 242.</note>.</p><lb/>
          <p>Damit bekam nun nicht allein die &#x017F;chiedsrichterliche<lb/>
Autorita&#x0364;t des Pap&#x017F;tthums einen harten Stoß, &#x017F;ondern alle<lb/>
politi&#x017F;che Freiheit und Selb&#x017F;tbe&#x017F;timmung ward ihm entri&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;andte verließ Rom mit der Er-<lb/>
kla&#x0364;rung, es &#x017F;ey gar nicht mehr der Sitz der Kirche <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Lettre du maréchal Thessé au pape 12 juillet</hi> 1709.</note>.</p><lb/>
          <p>Schon nahm auch die Lage der Welt u&#x0364;berhaupt eine<lb/>
andere Ge&#x017F;talt an. Am Ende war es doch das prote&#x017F;tan-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0187] Spaniſche Erbfolge. eroͤrtern, in welche Clemens XI. verwickelt ward 1); end- lich ſetzten ihm die Kaiſerlichen einen Termin zur Annahme ihrer Friedensvorſchlaͤge, unter denen die Anerkennung des oͤſtreichiſchen Praͤtendenten die wichtigſte war. Vergebens ſah ſich der Papſt nach Huͤlfe um. Er wartete bis auf den feſtgeſetzten Tag, nach deſſen unbenutztem Verlaufe die Kaiſerlichen Stadt und Staat feindſelig zu uͤberziehen ge- droht hatten, 15. Jan. 1709; erſt in der letzten Stunde deſſelben, eilf Uhr Abends, gab er ſeine Unterſchrift 1). Er hatte fruͤher Philipp V. begluͤckwuͤnſcht; jetzt ſah er ſich genoͤthigt deſſen Gegner Carl III. als katholiſchen Koͤnig anzuerkennen 2). Damit bekam nun nicht allein die ſchiedsrichterliche Autoritaͤt des Papſtthums einen harten Stoß, ſondern alle politiſche Freiheit und Selbſtbeſtimmung ward ihm entriſ- ſen. Der franzoͤſiſche Geſandte verließ Rom mit der Er- klaͤrung, es ſey gar nicht mehr der Sitz der Kirche 3). Schon nahm auch die Lage der Welt uͤberhaupt eine andere Geſtalt an. Am Ende war es doch das proteſtan- 1) Z. B. uͤber die Einquartierung von Parma und Piacenza; wo auch die Geiſtlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen worden. Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai- sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l’état tous les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus- ditte somme. Eben dieß wollte der Papſt nicht leiden. Die kai- ſerlichen Anſpruͤche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er- neuert. Contredéclaration de l’empereur bei Lamberty V, 85. 1) Z. B. uͤber die Einquartierung von Parma und Piacenza; wo auch die Geiſtlichen zu den Kriegscontributionen herbeigezogen worden. Accord avec les députés du duc et de la ville de Plai- sance 14 déc. 1706 art. IX, que pour soulager l’état tous les particuliers quoique très privilégiés contribueroient à la sus- ditte somme. Eben dieß wollte der Papſt nicht leiden. Die kai- ſerlichen Anſpruͤche wurden hierauf mit doppelter Lebhaftigkeit er- neuert. Contredéclaration de l’empereur bei Lamberty V, 85. 2) Die Bedingung, anfangs geheim gehalten, ward durch ein Schreiben des oͤſtreichiſchen Geſandten an den Herzog von Marlbo- rough bekannt, bei Lamberty V, 242. 3) Lettre du maréchal Thessé au pape 12 juillet 1709.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/187
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/187>, abgerufen am 27.11.2024.