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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Spätere Epochen.
wendig zu machen gewußt; durch ein geübtes, brauchbares
und doch niemals unbequemes Talent kam er empor. Wenn
er einmal gesagt hat, als Cardinal habe er guten Rath zu
geben verstanden, als Papst wisse er sich nicht zu helfen,
so mag das bezeichnen, daß er sich geeigneter fühlte, einen
gegebenen Impuls zu ergreifen und weiter zu leiten, als mit
freiem Entschluß seine Bahn zu wählen. Indem er unter an-
dern gleich bei seinem Eintritte die jurisdictionellen Fragen
mit erneuter Strenge aufnahm, folgte er nur der öffentlichen
Meinung, dem Interesse der Curie. So glaubte er nun
auch an das Glück und die Macht des großen Königs.
Er zweifelte nicht, daß Ludwig XIV. den Sieg behaupten
werde. Bei jener Unternehmung von Deutschland und
Italien her gegen Wien im Jahre 1703, welche alles en-
digen zu müssen schien, konnte er, wie der venezianische
Gesandte versichert, die Freude und Genugthuung nicht ver-
bergen, welche ihm der Fortgang der französischen Waffen
machte.

Aber eben in diesem Augenblicke schlug das Glück um;
jene deutschen und englischen Gegner des Königs, denen
Innocenz XI. sich angeschlossen, Clemens XI. aber allmählig
entfremdet hatte, erfochten Siege, wie noch nie; die kai-
serlichen Schaaren, vereinigt mit preußischen, ergossen sich
nach Italien; einen Papst, der sich so zweideutig betrage,
waren sie nicht gemeint zu schonen; die alten Prätensionen
des Kaiserthums, deren seit Carl V. nicht mehr gedacht
worden, erwachten wieder.

Da wollen wir nun nicht alle die bittern Irrungen

Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
wendig zu machen gewußt; durch ein geuͤbtes, brauchbares
und doch niemals unbequemes Talent kam er empor. Wenn
er einmal geſagt hat, als Cardinal habe er guten Rath zu
geben verſtanden, als Papſt wiſſe er ſich nicht zu helfen,
ſo mag das bezeichnen, daß er ſich geeigneter fuͤhlte, einen
gegebenen Impuls zu ergreifen und weiter zu leiten, als mit
freiem Entſchluß ſeine Bahn zu waͤhlen. Indem er unter an-
dern gleich bei ſeinem Eintritte die jurisdictionellen Fragen
mit erneuter Strenge aufnahm, folgte er nur der oͤffentlichen
Meinung, dem Intereſſe der Curie. So glaubte er nun
auch an das Gluͤck und die Macht des großen Koͤnigs.
Er zweifelte nicht, daß Ludwig XIV. den Sieg behaupten
werde. Bei jener Unternehmung von Deutſchland und
Italien her gegen Wien im Jahre 1703, welche alles en-
digen zu muͤſſen ſchien, konnte er, wie der venezianiſche
Geſandte verſichert, die Freude und Genugthuung nicht ver-
bergen, welche ihm der Fortgang der franzoͤſiſchen Waffen
machte.

Aber eben in dieſem Augenblicke ſchlug das Gluͤck um;
jene deutſchen und engliſchen Gegner des Koͤnigs, denen
Innocenz XI. ſich angeſchloſſen, Clemens XI. aber allmaͤhlig
entfremdet hatte, erfochten Siege, wie noch nie; die kai-
ſerlichen Schaaren, vereinigt mit preußiſchen, ergoſſen ſich
nach Italien; einen Papſt, der ſich ſo zweideutig betrage,
waren ſie nicht gemeint zu ſchonen; die alten Praͤtenſionen
des Kaiſerthums, deren ſeit Carl V. nicht mehr gedacht
worden, erwachten wieder.

Da wollen wir nun nicht alle die bittern Irrungen

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[174/0186] Buch VIII. Spaͤtere Epochen. wendig zu machen gewußt; durch ein geuͤbtes, brauchbares und doch niemals unbequemes Talent kam er empor. Wenn er einmal geſagt hat, als Cardinal habe er guten Rath zu geben verſtanden, als Papſt wiſſe er ſich nicht zu helfen, ſo mag das bezeichnen, daß er ſich geeigneter fuͤhlte, einen gegebenen Impuls zu ergreifen und weiter zu leiten, als mit freiem Entſchluß ſeine Bahn zu waͤhlen. Indem er unter an- dern gleich bei ſeinem Eintritte die jurisdictionellen Fragen mit erneuter Strenge aufnahm, folgte er nur der oͤffentlichen Meinung, dem Intereſſe der Curie. So glaubte er nun auch an das Gluͤck und die Macht des großen Koͤnigs. Er zweifelte nicht, daß Ludwig XIV. den Sieg behaupten werde. Bei jener Unternehmung von Deutſchland und Italien her gegen Wien im Jahre 1703, welche alles en- digen zu muͤſſen ſchien, konnte er, wie der venezianiſche Geſandte verſichert, die Freude und Genugthuung nicht ver- bergen, welche ihm der Fortgang der franzoͤſiſchen Waffen machte. Aber eben in dieſem Augenblicke ſchlug das Gluͤck um; jene deutſchen und engliſchen Gegner des Koͤnigs, denen Innocenz XI. ſich angeſchloſſen, Clemens XI. aber allmaͤhlig entfremdet hatte, erfochten Siege, wie noch nie; die kai- ſerlichen Schaaren, vereinigt mit preußiſchen, ergoſſen ſich nach Italien; einen Papſt, der ſich ſo zweideutig betrage, waren ſie nicht gemeint zu ſchonen; die alten Praͤtenſionen des Kaiſerthums, deren ſeit Carl V. nicht mehr gedacht worden, erwachten wieder. Da wollen wir nun nicht alle die bittern Irrungen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/186>, abgerufen am 26.11.2024.