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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
sey diese Absolution der vornehmste Gegenstand des Be-
dürfnisses, der Wünsche des Königs gewesen. Er hatte sei-
nen Bruder umbringen lassen, zwar auf vorausgegangenes
Gutheißen seiner Stände, aber doch umbringen lassen und
dieß auf die gewaltsamste Weise! Die empfangene Absolu-
tion schien seine Seele zu beruhigen. Possevin rief Gott an,
daß er das Herz dieses Fürsten nun vollends bekehren möge.
Der König erhob sich und warf sich seinem Beichtvater in
die Arme: "wie dich," rief er aus, "so umfasse ich den
römischen Glauben auf ewig." Er empfing das Abendmahl
nach katholischem Ritus.

Nach so wohl vollbrachtem Werk eilte Possevin zurück;
er theilte seine Nachricht dem Papste, unter dem Siegel der
Verschwiegenheit auch den mächtigsten katholischen Fürsten
mit: und es war nur übrig, daß nun auch die Forderun-
gen des Königs, von denen er die Herstellung des Katholi-
cismus in seinem Reiche überhaupt abhängig machte, in
Erwägung gezogen würden. Possevin war ein sehr gewand-
ter Mensch, beredt, von viel Talent zur Unterhandlung; aber
er überredete sich allzu leicht, er sey am Ziele. Nach seiner
Darstellung hielt es Papst Gregor nicht für nothwendig,
etwas nachzugeben, er forderte vielmehr den König zu ei-
nem freien und unbedingten Uebertritt auf. Dahin lau-
tende Schreiben und Indulgenz für Alle welche übertreten
würden, gab er dem Jesuiten zu seiner zweiten Reise mit.

Indessen war aber auch die Gegenpartei thätig gewe-
sen: warnende Briefe protestantischer Fürsten waren ein-
gegangen -- denn auf der Stelle hatte sich die Nachricht
in ganz Europa verbreitet: -- Chyträus hatte dem König

Buch V. Gegenreformationen.
ſey dieſe Abſolution der vornehmſte Gegenſtand des Be-
duͤrfniſſes, der Wuͤnſche des Koͤnigs geweſen. Er hatte ſei-
nen Bruder umbringen laſſen, zwar auf vorausgegangenes
Gutheißen ſeiner Staͤnde, aber doch umbringen laſſen und
dieß auf die gewaltſamſte Weiſe! Die empfangene Abſolu-
tion ſchien ſeine Seele zu beruhigen. Poſſevin rief Gott an,
daß er das Herz dieſes Fuͤrſten nun vollends bekehren moͤge.
Der Koͤnig erhob ſich und warf ſich ſeinem Beichtvater in
die Arme: „wie dich,“ rief er aus, „ſo umfaſſe ich den
roͤmiſchen Glauben auf ewig.“ Er empfing das Abendmahl
nach katholiſchem Ritus.

Nach ſo wohl vollbrachtem Werk eilte Poſſevin zuruͤck;
er theilte ſeine Nachricht dem Papſte, unter dem Siegel der
Verſchwiegenheit auch den maͤchtigſten katholiſchen Fuͤrſten
mit: und es war nur uͤbrig, daß nun auch die Forderun-
gen des Koͤnigs, von denen er die Herſtellung des Katholi-
cismus in ſeinem Reiche uͤberhaupt abhaͤngig machte, in
Erwaͤgung gezogen wuͤrden. Poſſevin war ein ſehr gewand-
ter Menſch, beredt, von viel Talent zur Unterhandlung; aber
er uͤberredete ſich allzu leicht, er ſey am Ziele. Nach ſeiner
Darſtellung hielt es Papſt Gregor nicht fuͤr nothwendig,
etwas nachzugeben, er forderte vielmehr den Koͤnig zu ei-
nem freien und unbedingten Uebertritt auf. Dahin lau-
tende Schreiben und Indulgenz fuͤr Alle welche uͤbertreten
wuͤrden, gab er dem Jeſuiten zu ſeiner zweiten Reiſe mit.

Indeſſen war aber auch die Gegenpartei thaͤtig gewe-
ſen: warnende Briefe proteſtantiſcher Fuͤrſten waren ein-
gegangen — denn auf der Stelle hatte ſich die Nachricht
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[82/0094] Buch V. Gegenreformationen. ſey dieſe Abſolution der vornehmſte Gegenſtand des Be- duͤrfniſſes, der Wuͤnſche des Koͤnigs geweſen. Er hatte ſei- nen Bruder umbringen laſſen, zwar auf vorausgegangenes Gutheißen ſeiner Staͤnde, aber doch umbringen laſſen und dieß auf die gewaltſamſte Weiſe! Die empfangene Abſolu- tion ſchien ſeine Seele zu beruhigen. Poſſevin rief Gott an, daß er das Herz dieſes Fuͤrſten nun vollends bekehren moͤge. Der Koͤnig erhob ſich und warf ſich ſeinem Beichtvater in die Arme: „wie dich,“ rief er aus, „ſo umfaſſe ich den roͤmiſchen Glauben auf ewig.“ Er empfing das Abendmahl nach katholiſchem Ritus. Nach ſo wohl vollbrachtem Werk eilte Poſſevin zuruͤck; er theilte ſeine Nachricht dem Papſte, unter dem Siegel der Verſchwiegenheit auch den maͤchtigſten katholiſchen Fuͤrſten mit: und es war nur uͤbrig, daß nun auch die Forderun- gen des Koͤnigs, von denen er die Herſtellung des Katholi- cismus in ſeinem Reiche uͤberhaupt abhaͤngig machte, in Erwaͤgung gezogen wuͤrden. Poſſevin war ein ſehr gewand- ter Menſch, beredt, von viel Talent zur Unterhandlung; aber er uͤberredete ſich allzu leicht, er ſey am Ziele. Nach ſeiner Darſtellung hielt es Papſt Gregor nicht fuͤr nothwendig, etwas nachzugeben, er forderte vielmehr den Koͤnig zu ei- nem freien und unbedingten Uebertritt auf. Dahin lau- tende Schreiben und Indulgenz fuͤr Alle welche uͤbertreten wuͤrden, gab er dem Jeſuiten zu ſeiner zweiten Reiſe mit. Indeſſen war aber auch die Gegenpartei thaͤtig gewe- ſen: warnende Briefe proteſtantiſcher Fuͤrſten waren ein- gegangen — denn auf der Stelle hatte ſich die Nachricht in ganz Europa verbreitet: — Chytraͤus hatte dem Koͤnig

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/94>, abgerufen am 30.04.2024.