Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegensätze in dem übrigen Europa. Schweden.
sein Buch über die augsburgische Confession gewidmet, und
damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewissen Eindruck
gemacht. Die Protestanten ließen ihn nicht mehr aus den
Augen.

Jetzt langte Possevin an: nicht mehr, wie früher, in
bürgerlicher Tracht, sondern in dem gewöhnlichen Kleide
seines Ordens: mit einem Haufen katholischer Bücher.
Schon diese seine Erscheinung machte keinen günstigen Ein-
druck. Er trug selbst einen Augenblick Bedenken, mit der
päpstlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte
er es nicht länger aufschieben: in einer zweistündigen Au-
dienz eröffnete er sie dem König. Wer will das Geheim-
niß einer in sich selbst schwankenden, unsteten Seele erfor-
schen? Das Selbstgefühl des Fürsten mochte sich durch
so völlig abschlägliche Antworten verletzt fühlen; auch war
er überzeugt, daß sich in Schweden ohne die vorgeschla-
genen Zugeständnisse nichts erreichen lasse: um der Reli-
gion willen seine Krone niederzulegen hatte er keine Nei-
gung. Genug jene Audienz war entscheidend. Von Stund
an bezeigte der König dem Abgesandten des Papstes Un-
gunst und Mißfallen. Er forderte seine jesuitischen Schul-
männer auf, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu neh-
men, die Messe in schwedischer Sprache zu halten; als sie
ihm nicht gehorchten, wie sie freilich auch nicht konnten,
versagte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn sie
kurz darauf Stockholm verließen, so geschah das ohne Zwei-
fel nicht allein, wie sie vorgeben möchten, um der Pest
willen. Die protestantischen Großen, der jüngere Bru-
der des Königs, Carl von Südermannland, der sich zum

6*

Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden.
ſein Buch uͤber die augsburgiſche Confeſſion gewidmet, und
damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewiſſen Eindruck
gemacht. Die Proteſtanten ließen ihn nicht mehr aus den
Augen.

Jetzt langte Poſſevin an: nicht mehr, wie fruͤher, in
buͤrgerlicher Tracht, ſondern in dem gewoͤhnlichen Kleide
ſeines Ordens: mit einem Haufen katholiſcher Buͤcher.
Schon dieſe ſeine Erſcheinung machte keinen guͤnſtigen Ein-
druck. Er trug ſelbſt einen Augenblick Bedenken, mit der
paͤpſtlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte
er es nicht laͤnger aufſchieben: in einer zweiſtuͤndigen Au-
dienz eroͤffnete er ſie dem Koͤnig. Wer will das Geheim-
niß einer in ſich ſelbſt ſchwankenden, unſteten Seele erfor-
ſchen? Das Selbſtgefuͤhl des Fuͤrſten mochte ſich durch
ſo voͤllig abſchlaͤgliche Antworten verletzt fuͤhlen; auch war
er uͤberzeugt, daß ſich in Schweden ohne die vorgeſchla-
genen Zugeſtaͤndniſſe nichts erreichen laſſe: um der Reli-
gion willen ſeine Krone niederzulegen hatte er keine Nei-
gung. Genug jene Audienz war entſcheidend. Von Stund
an bezeigte der Koͤnig dem Abgeſandten des Papſtes Un-
gunſt und Mißfallen. Er forderte ſeine jeſuitiſchen Schul-
maͤnner auf, das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt zu neh-
men, die Meſſe in ſchwediſcher Sprache zu halten; als ſie
ihm nicht gehorchten, wie ſie freilich auch nicht konnten,
verſagte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn ſie
kurz darauf Stockholm verließen, ſo geſchah das ohne Zwei-
fel nicht allein, wie ſie vorgeben moͤchten, um der Peſt
willen. Die proteſtantiſchen Großen, der juͤngere Bru-
der des Koͤnigs, Carl von Suͤdermannland, der ſich zum

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="83"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Gegen&#x017F;a&#x0364;tze in dem u&#x0364;brigen Europa. Schweden</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ein Buch u&#x0364;ber die augsburgi&#x017F;che Confe&#x017F;&#x017F;ion gewidmet, und<lb/>
damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewi&#x017F;&#x017F;en Eindruck<lb/>
gemacht. Die Prote&#x017F;tanten ließen ihn nicht mehr aus den<lb/>
Augen.</p><lb/>
          <p>Jetzt langte Po&#x017F;&#x017F;evin an: nicht mehr, wie fru&#x0364;her, in<lb/>
bu&#x0364;rgerlicher Tracht, &#x017F;ondern in dem gewo&#x0364;hnlichen Kleide<lb/>
&#x017F;eines Ordens: mit einem Haufen katholi&#x017F;cher Bu&#x0364;cher.<lb/>
Schon die&#x017F;e &#x017F;eine Er&#x017F;cheinung machte keinen gu&#x0364;n&#x017F;tigen Ein-<lb/>
druck. Er trug &#x017F;elb&#x017F;t einen Augenblick Bedenken, mit der<lb/>
pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte<lb/>
er es nicht la&#x0364;nger auf&#x017F;chieben: in einer zwei&#x017F;tu&#x0364;ndigen Au-<lb/>
dienz ero&#x0364;ffnete er &#x017F;ie dem Ko&#x0364;nig. Wer will das Geheim-<lb/>
niß einer in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chwankenden, un&#x017F;teten Seele erfor-<lb/>
&#x017F;chen? Das Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl des Fu&#x0364;r&#x017F;ten mochte &#x017F;ich durch<lb/>
&#x017F;o vo&#x0364;llig ab&#x017F;chla&#x0364;gliche Antworten verletzt fu&#x0364;hlen; auch war<lb/>
er u&#x0364;berzeugt, daß &#x017F;ich in Schweden ohne die vorge&#x017F;chla-<lb/>
genen Zuge&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e nichts erreichen la&#x017F;&#x017F;e: um der Reli-<lb/>
gion willen &#x017F;eine Krone niederzulegen hatte er keine Nei-<lb/>
gung. Genug jene Audienz war ent&#x017F;cheidend. Von Stund<lb/>
an bezeigte der Ko&#x0364;nig dem Abge&#x017F;andten des Pap&#x017F;tes Un-<lb/>
gun&#x017F;t und Mißfallen. Er forderte &#x017F;eine je&#x017F;uiti&#x017F;chen Schul-<lb/>
ma&#x0364;nner auf, das Abendmahl unter beiderlei Ge&#x017F;talt zu neh-<lb/>
men, die Me&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;chwedi&#x017F;cher Sprache zu halten; als &#x017F;ie<lb/>
ihm nicht gehorchten, wie &#x017F;ie freilich auch nicht konnten,<lb/>
ver&#x017F;agte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn &#x017F;ie<lb/>
kurz darauf Stockholm verließen, &#x017F;o ge&#x017F;chah das ohne Zwei-<lb/>
fel nicht allein, wie &#x017F;ie vorgeben mo&#x0364;chten, um der Pe&#x017F;t<lb/>
willen. Die prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Großen, der ju&#x0364;ngere Bru-<lb/>
der des Ko&#x0364;nigs, Carl von Su&#x0364;dermannland, der &#x017F;ich zum<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0095] Gegenſaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden. ſein Buch uͤber die augsburgiſche Confeſſion gewidmet, und damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewiſſen Eindruck gemacht. Die Proteſtanten ließen ihn nicht mehr aus den Augen. Jetzt langte Poſſevin an: nicht mehr, wie fruͤher, in buͤrgerlicher Tracht, ſondern in dem gewoͤhnlichen Kleide ſeines Ordens: mit einem Haufen katholiſcher Buͤcher. Schon dieſe ſeine Erſcheinung machte keinen guͤnſtigen Ein- druck. Er trug ſelbſt einen Augenblick Bedenken, mit der paͤpſtlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte er es nicht laͤnger aufſchieben: in einer zweiſtuͤndigen Au- dienz eroͤffnete er ſie dem Koͤnig. Wer will das Geheim- niß einer in ſich ſelbſt ſchwankenden, unſteten Seele erfor- ſchen? Das Selbſtgefuͤhl des Fuͤrſten mochte ſich durch ſo voͤllig abſchlaͤgliche Antworten verletzt fuͤhlen; auch war er uͤberzeugt, daß ſich in Schweden ohne die vorgeſchla- genen Zugeſtaͤndniſſe nichts erreichen laſſe: um der Reli- gion willen ſeine Krone niederzulegen hatte er keine Nei- gung. Genug jene Audienz war entſcheidend. Von Stund an bezeigte der Koͤnig dem Abgeſandten des Papſtes Un- gunſt und Mißfallen. Er forderte ſeine jeſuitiſchen Schul- maͤnner auf, das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt zu neh- men, die Meſſe in ſchwediſcher Sprache zu halten; als ſie ihm nicht gehorchten, wie ſie freilich auch nicht konnten, verſagte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn ſie kurz darauf Stockholm verließen, ſo geſchah das ohne Zwei- fel nicht allein, wie ſie vorgeben moͤchten, um der Peſt willen. Die proteſtantiſchen Großen, der juͤngere Bru- der des Koͤnigs, Carl von Suͤdermannland, der ſich zum 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/95
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/95>, abgerufen am 30.04.2024.