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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VII. Kap. 4.
er abschlug. Auch bei andern Päpsten erfolgten viele ab-
schlägliche Bescheide, aber aus einem Prinzip, sey es der
Religion oder der Politik: bei Urban bemerkte man Laune.
Man konnte nie sagen, ob man ein Ja oder ein Nein zu
erwarten haben würde. Die gewandten Venezianer lausch-
ten ihm ab, daß er den Widerspruch liebe, daß er durch
eine fast unwillkührliche Hinneigung immer auf das Gegen-
theil von dem Vorgetragenen verfalle: um zu ihrem Zwecke
zu gelangen, brauchten sie das Mittel sich selbst Einwürfe
zu machen. Indem der Papst das Entgegengesetzte aufsuchte,
gerieth er dann von selbst auf Vorschläge, zu denen ihn sonst
keine Ueberredung der Welt zu bringen vermocht hätte.

Eine Gesinnung, die sich auch in untergeordneten Krei-
sen auf ihre Weise zeigen kann, und damals in Italienern
und Spaniern nicht selten vorkam. Sie betrachtet eine
öffentliche Stellung gleichsam als einen Tribut, welcher dem
Verdienste, der Persönlichkeit gebühre. In der Verwaltung
eines Amtes folgt sie dann auch bei weitem mehr diesen
persönlichen Antrieben als den Forderungen der Sache. Nicht
viel anders, als ein Autor der von dem Gefühle seines Ta-
lentes erfüllt, nicht sowohl den Gegenstand ins Auge faßt
der ihm vorliegt, als dem Spiele seiner Willkür freien
Lauf läßt.

Gehörte doch Urban selbst zu dieser Art von Autoren!
Die Gedichte, die von ihm übrig sind, zeigen Witz und Ge-
wandtheit. Aber wie seltsam sind darin doch die heiligen
Gegenstände behandelt! Die Gesänge und Sprüche des
alten wie des neuen Testamentes müssen sich in horazische
Metra fügen, der Lobgesang des alten Simeon in zwei

Buch VII. Kap. 4.
er abſchlug. Auch bei andern Paͤpſten erfolgten viele ab-
ſchlaͤgliche Beſcheide, aber aus einem Prinzip, ſey es der
Religion oder der Politik: bei Urban bemerkte man Laune.
Man konnte nie ſagen, ob man ein Ja oder ein Nein zu
erwarten haben wuͤrde. Die gewandten Venezianer lauſch-
ten ihm ab, daß er den Widerſpruch liebe, daß er durch
eine faſt unwillkuͤhrliche Hinneigung immer auf das Gegen-
theil von dem Vorgetragenen verfalle: um zu ihrem Zwecke
zu gelangen, brauchten ſie das Mittel ſich ſelbſt Einwuͤrfe
zu machen. Indem der Papſt das Entgegengeſetzte aufſuchte,
gerieth er dann von ſelbſt auf Vorſchlaͤge, zu denen ihn ſonſt
keine Ueberredung der Welt zu bringen vermocht haͤtte.

Eine Geſinnung, die ſich auch in untergeordneten Krei-
ſen auf ihre Weiſe zeigen kann, und damals in Italienern
und Spaniern nicht ſelten vorkam. Sie betrachtet eine
oͤffentliche Stellung gleichſam als einen Tribut, welcher dem
Verdienſte, der Perſoͤnlichkeit gebuͤhre. In der Verwaltung
eines Amtes folgt ſie dann auch bei weitem mehr dieſen
perſoͤnlichen Antrieben als den Forderungen der Sache. Nicht
viel anders, als ein Autor der von dem Gefuͤhle ſeines Ta-
lentes erfuͤllt, nicht ſowohl den Gegenſtand ins Auge faßt
der ihm vorliegt, als dem Spiele ſeiner Willkuͤr freien
Lauf laͤßt.

Gehoͤrte doch Urban ſelbſt zu dieſer Art von Autoren!
Die Gedichte, die von ihm uͤbrig ſind, zeigen Witz und Ge-
wandtheit. Aber wie ſeltſam ſind darin doch die heiligen
Gegenſtaͤnde behandelt! Die Geſaͤnge und Spruͤche des
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[540/0552] Buch VII. Kap. 4. er abſchlug. Auch bei andern Paͤpſten erfolgten viele ab- ſchlaͤgliche Beſcheide, aber aus einem Prinzip, ſey es der Religion oder der Politik: bei Urban bemerkte man Laune. Man konnte nie ſagen, ob man ein Ja oder ein Nein zu erwarten haben wuͤrde. Die gewandten Venezianer lauſch- ten ihm ab, daß er den Widerſpruch liebe, daß er durch eine faſt unwillkuͤhrliche Hinneigung immer auf das Gegen- theil von dem Vorgetragenen verfalle: um zu ihrem Zwecke zu gelangen, brauchten ſie das Mittel ſich ſelbſt Einwuͤrfe zu machen. Indem der Papſt das Entgegengeſetzte aufſuchte, gerieth er dann von ſelbſt auf Vorſchlaͤge, zu denen ihn ſonſt keine Ueberredung der Welt zu bringen vermocht haͤtte. Eine Geſinnung, die ſich auch in untergeordneten Krei- ſen auf ihre Weiſe zeigen kann, und damals in Italienern und Spaniern nicht ſelten vorkam. Sie betrachtet eine oͤffentliche Stellung gleichſam als einen Tribut, welcher dem Verdienſte, der Perſoͤnlichkeit gebuͤhre. In der Verwaltung eines Amtes folgt ſie dann auch bei weitem mehr dieſen perſoͤnlichen Antrieben als den Forderungen der Sache. Nicht viel anders, als ein Autor der von dem Gefuͤhle ſeines Ta- lentes erfuͤllt, nicht ſowohl den Gegenſtand ins Auge faßt der ihm vorliegt, als dem Spiele ſeiner Willkuͤr freien Lauf laͤßt. Gehoͤrte doch Urban ſelbſt zu dieſer Art von Autoren! Die Gedichte, die von ihm uͤbrig ſind, zeigen Witz und Ge- wandtheit. Aber wie ſeltſam ſind darin doch die heiligen Gegenſtaͤnde behandelt! Die Geſaͤnge und Spruͤche des alten wie des neuen Teſtamentes muͤſſen ſich in horaziſche Metra fuͤgen, der Lobgeſang des alten Simeon in zwei

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/552>, abgerufen am 22.11.2024.