Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Urban VIII.
sapphische Strophen! Von der Eigenthümlichkeit des Tex-
tes kann hiebei wie natürlich nichts übrig bleiben: der In-
halt muß sich einer Form fügen, die ihm an sich wider-
spricht, nur weil der Verfasser sie eben beliebt.

Aber diese Talente, der Glanz mit dem sie die Person
des Papstes umgaben, die athletische Gesundheit selbst de-
ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selbstgefühl,
das ihm seine hohe Stellung ohnehin einflößte 1).

Ich wüßte keinen Papst der es in dem Grade gehabt
hätte. Man machte ihm einst einen Einwurf aus den al-
ten päpstlichen Constitutionen: er antwortete, der Ausspruch
eines lebenden Papstes sey mehr werth als die Satzun-
gen von hundert verstorbenen.

Jenen Beschluß des römischen Volkes niemals wie-
der einem Papste bei seinen Lebzeiten eine Bildsäule zu er-
richten hob er mit den Worten auf, "ein solcher Beschluß
könne einem Papste nicht gelten wie er einer sey."

Man lobte ihm das Betragen eines seiner Nuntien
in einer schwierigen Angelegenheit: er versetzte, "der Nun-
tius habe nach seiner Instruction gehandelt."

Ein solcher Mann war es -- so erfüllt von der Idee
ein großer Fürst zu seyn: so französisch gestimmt durch
seine frühere Thätigkeit wie durch die Förderung die er
von Frankreich erfahren: endlich so eigenwillig, kräftig und
voll Selbstgefühls -- an den in diesem Augenblicke die Lei-

1) Von Anfang an bemerkte man dieß. Relatione de' quat-
tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu-
singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacita dei
proprj pensieri: -- -- e sempre intento a quelle cose che pos-
sono ringrandire il concetto della sua persona.

Urban VIII.
ſapphiſche Strophen! Von der Eigenthuͤmlichkeit des Tex-
tes kann hiebei wie natuͤrlich nichts uͤbrig bleiben: der In-
halt muß ſich einer Form fuͤgen, die ihm an ſich wider-
ſpricht, nur weil der Verfaſſer ſie eben beliebt.

Aber dieſe Talente, der Glanz mit dem ſie die Perſon
des Papſtes umgaben, die athletiſche Geſundheit ſelbſt de-
ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selbſtgefuͤhl,
das ihm ſeine hohe Stellung ohnehin einfloͤßte 1).

Ich wuͤßte keinen Papſt der es in dem Grade gehabt
haͤtte. Man machte ihm einſt einen Einwurf aus den al-
ten paͤpſtlichen Conſtitutionen: er antwortete, der Ausſpruch
eines lebenden Papſtes ſey mehr werth als die Satzun-
gen von hundert verſtorbenen.

Jenen Beſchluß des roͤmiſchen Volkes niemals wie-
der einem Papſte bei ſeinen Lebzeiten eine Bildſaͤule zu er-
richten hob er mit den Worten auf, „ein ſolcher Beſchluß
koͤnne einem Papſte nicht gelten wie er einer ſey.“

Man lobte ihm das Betragen eines ſeiner Nuntien
in einer ſchwierigen Angelegenheit: er verſetzte, „der Nun-
tius habe nach ſeiner Inſtruction gehandelt.“

Ein ſolcher Mann war es — ſo erfuͤllt von der Idee
ein großer Fuͤrſt zu ſeyn: ſo franzoͤſiſch geſtimmt durch
ſeine fruͤhere Thaͤtigkeit wie durch die Foͤrderung die er
von Frankreich erfahren: endlich ſo eigenwillig, kraͤftig und
voll Selbſtgefuͤhls — an den in dieſem Augenblicke die Lei-

1) Von Anfang an bemerkte man dieß. Relatione de’ quat-
tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu-
singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacità dei
proprj pensieri: — — è sempre intento a quelle cose che pos-
sono ringrandire il concetto della sua persona.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0553" n="541"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Urban</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
&#x017F;apphi&#x017F;che Strophen! Von der Eigenthu&#x0364;mlichkeit des Tex-<lb/>
tes kann hiebei wie natu&#x0364;rlich nichts u&#x0364;brig bleiben: der In-<lb/>
halt muß &#x017F;ich einer Form fu&#x0364;gen, die ihm an &#x017F;ich wider-<lb/>
&#x017F;pricht, nur weil der Verfa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ie eben beliebt.</p><lb/>
            <p>Aber die&#x017F;e Talente, der Glanz mit dem &#x017F;ie die Per&#x017F;on<lb/>
des Pap&#x017F;tes umgaben, die athleti&#x017F;che Ge&#x017F;undheit &#x017F;elb&#x017F;t de-<lb/>
ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl,<lb/>
das ihm &#x017F;eine hohe Stellung ohnehin einflo&#x0364;ßte <note place="foot" n="1)">Von Anfang an bemerkte man dieß. <hi rendition="#aq">Relatione de&#x2019; quat-<lb/>
tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu-<lb/>
singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacità dei<lb/>
proprj pensieri: &#x2014; &#x2014; è sempre intento a quelle cose che pos-<lb/>
sono ringrandire il concetto della sua persona.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Ich wu&#x0364;ßte keinen Pap&#x017F;t der es in dem Grade gehabt<lb/>
ha&#x0364;tte. Man machte ihm ein&#x017F;t einen Einwurf aus den al-<lb/>
ten pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Con&#x017F;titutionen: er antwortete, der Aus&#x017F;pruch<lb/>
eines lebenden Pap&#x017F;tes &#x017F;ey mehr werth als die Satzun-<lb/>
gen von hundert ver&#x017F;torbenen.</p><lb/>
            <p>Jenen Be&#x017F;chluß des ro&#x0364;mi&#x017F;chen Volkes niemals wie-<lb/>
der einem Pap&#x017F;te bei &#x017F;einen Lebzeiten eine Bild&#x017F;a&#x0364;ule zu er-<lb/>
richten hob er mit den Worten auf, &#x201E;ein &#x017F;olcher Be&#x017F;chluß<lb/>
ko&#x0364;nne einem Pap&#x017F;te nicht gelten wie er einer &#x017F;ey.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Man lobte ihm das Betragen eines &#x017F;einer Nuntien<lb/>
in einer &#x017F;chwierigen Angelegenheit: er ver&#x017F;etzte, &#x201E;der Nun-<lb/>
tius habe nach &#x017F;einer In&#x017F;truction gehandelt.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Ein &#x017F;olcher Mann war es &#x2014; &#x017F;o erfu&#x0364;llt von der Idee<lb/>
ein großer Fu&#x0364;r&#x017F;t zu &#x017F;eyn: &#x017F;o franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch ge&#x017F;timmt durch<lb/>
&#x017F;eine fru&#x0364;here Tha&#x0364;tigkeit wie durch die Fo&#x0364;rderung die er<lb/>
von Frankreich erfahren: endlich &#x017F;o eigenwillig, kra&#x0364;ftig und<lb/>
voll Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hls &#x2014; an den in die&#x017F;em Augenblicke die Lei-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[541/0553] Urban VIII. ſapphiſche Strophen! Von der Eigenthuͤmlichkeit des Tex- tes kann hiebei wie natuͤrlich nichts uͤbrig bleiben: der In- halt muß ſich einer Form fuͤgen, die ihm an ſich wider- ſpricht, nur weil der Verfaſſer ſie eben beliebt. Aber dieſe Talente, der Glanz mit dem ſie die Perſon des Papſtes umgaben, die athletiſche Geſundheit ſelbſt de- ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selbſtgefuͤhl, das ihm ſeine hohe Stellung ohnehin einfloͤßte 1). Ich wuͤßte keinen Papſt der es in dem Grade gehabt haͤtte. Man machte ihm einſt einen Einwurf aus den al- ten paͤpſtlichen Conſtitutionen: er antwortete, der Ausſpruch eines lebenden Papſtes ſey mehr werth als die Satzun- gen von hundert verſtorbenen. Jenen Beſchluß des roͤmiſchen Volkes niemals wie- der einem Papſte bei ſeinen Lebzeiten eine Bildſaͤule zu er- richten hob er mit den Worten auf, „ein ſolcher Beſchluß koͤnne einem Papſte nicht gelten wie er einer ſey.“ Man lobte ihm das Betragen eines ſeiner Nuntien in einer ſchwierigen Angelegenheit: er verſetzte, „der Nun- tius habe nach ſeiner Inſtruction gehandelt.“ Ein ſolcher Mann war es — ſo erfuͤllt von der Idee ein großer Fuͤrſt zu ſeyn: ſo franzoͤſiſch geſtimmt durch ſeine fruͤhere Thaͤtigkeit wie durch die Foͤrderung die er von Frankreich erfahren: endlich ſo eigenwillig, kraͤftig und voll Selbſtgefuͤhls — an den in dieſem Augenblicke die Lei- 1) Von Anfang an bemerkte man dieß. Relatione de’ quat- tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu- singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacità dei proprj pensieri: — — è sempre intento a quelle cose che pos- sono ringrandire il concetto della sua persona.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/553
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/553>, abgerufen am 25.11.2024.