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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
thematik lehrte, daß er sich geistig-bedeutendere Stellen aus
den Schriften des Confucius aneignete und sie recitirte:
Zutritt in Peking verschaffte ihm das Geschenk einer Schlag-
uhr, das er dem Kaiser machte: in dessen Gunst und Gnade
hob ihn dann nichts so sehr, als daß er ihm eine Landkarte
entwarf, durch welche alle Versuche der Sinesen in diesem
Fache bei weitem übertroffen wurden. Es bezeichnet Ricci,
daß er, als der Kaiser zehn solcher Tafeln auf Seide zu
mahlen und in seinen Zimmern aufzuhängen befahl, die
Gelegenheit ergriff dabei auch etwas für das Christenthum
zu thun und in den Zwischenräumen der Karte christliche
Symbole und Sprüche anbrachte. So war sein Unterricht
überhaupt: er fing gewöhnlich mit Mathematik an und hörte
mit Religion auf: seine wissenschaftlichen Talente verschaff-
ten seinen Religionslehren Ansehen. Nicht allein wurden
seine unmittelbaren Schüler gewonnen, auch viele Manda-
rinen, deren Tracht er angenommen, gingen zu ihm über:
schon im Jahre 1605 ward eine marianische Societät in
Peking gegründet. Ricci starb schon 1610, nicht allein
von überhäufter Arbeit, sondern hauptsächlich von den vie-
len Besuchen, den langen Mittagsessen und alle den übri-
gen gesellschaftlichen Pflichten Sina's aufgerieben; aber
auch nach seinem Tode folgte man dem Rathe den er
gegeben "ohne Aufsehen und Lärm zu Werke zu gehn,
sich bei diesem stürmischen Meere nahe an die Küsten zu
halten" und seinem wissenschaftlichen Beispiele. Im Jahre
1610 trat eine Mondfinsterniß ein: die Vorangaben der
einheimischen Astronomen und der Jesuiten waren um eine
volle Stunde verschieden; daß die Jesuiten aufs neue Recht

Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung
thematik lehrte, daß er ſich geiſtig-bedeutendere Stellen aus
den Schriften des Confucius aneignete und ſie recitirte:
Zutritt in Peking verſchaffte ihm das Geſchenk einer Schlag-
uhr, das er dem Kaiſer machte: in deſſen Gunſt und Gnade
hob ihn dann nichts ſo ſehr, als daß er ihm eine Landkarte
entwarf, durch welche alle Verſuche der Sineſen in dieſem
Fache bei weitem uͤbertroffen wurden. Es bezeichnet Ricci,
daß er, als der Kaiſer zehn ſolcher Tafeln auf Seide zu
mahlen und in ſeinen Zimmern aufzuhaͤngen befahl, die
Gelegenheit ergriff dabei auch etwas fuͤr das Chriſtenthum
zu thun und in den Zwiſchenraͤumen der Karte chriſtliche
Symbole und Spruͤche anbrachte. So war ſein Unterricht
uͤberhaupt: er fing gewoͤhnlich mit Mathematik an und hoͤrte
mit Religion auf: ſeine wiſſenſchaftlichen Talente verſchaff-
ten ſeinen Religionslehren Anſehen. Nicht allein wurden
ſeine unmittelbaren Schuͤler gewonnen, auch viele Manda-
rinen, deren Tracht er angenommen, gingen zu ihm uͤber:
ſchon im Jahre 1605 ward eine marianiſche Societaͤt in
Peking gegruͤndet. Ricci ſtarb ſchon 1610, nicht allein
von uͤberhaͤufter Arbeit, ſondern hauptſaͤchlich von den vie-
len Beſuchen, den langen Mittagseſſen und alle den uͤbri-
gen geſellſchaftlichen Pflichten Sina’s aufgerieben; aber
auch nach ſeinem Tode folgte man dem Rathe den er
gegeben „ohne Aufſehen und Laͤrm zu Werke zu gehn,
ſich bei dieſem ſtuͤrmiſchen Meere nahe an die Kuͤſten zu
halten“ und ſeinem wiſſenſchaftlichen Beiſpiele. Im Jahre
1610 trat eine Mondfinſterniß ein: die Vorangaben der
einheimiſchen Aſtronomen und der Jeſuiten waren um eine
volle Stunde verſchieden; daß die Jeſuiten aufs neue Recht

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[494/0506] Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung thematik lehrte, daß er ſich geiſtig-bedeutendere Stellen aus den Schriften des Confucius aneignete und ſie recitirte: Zutritt in Peking verſchaffte ihm das Geſchenk einer Schlag- uhr, das er dem Kaiſer machte: in deſſen Gunſt und Gnade hob ihn dann nichts ſo ſehr, als daß er ihm eine Landkarte entwarf, durch welche alle Verſuche der Sineſen in dieſem Fache bei weitem uͤbertroffen wurden. Es bezeichnet Ricci, daß er, als der Kaiſer zehn ſolcher Tafeln auf Seide zu mahlen und in ſeinen Zimmern aufzuhaͤngen befahl, die Gelegenheit ergriff dabei auch etwas fuͤr das Chriſtenthum zu thun und in den Zwiſchenraͤumen der Karte chriſtliche Symbole und Spruͤche anbrachte. So war ſein Unterricht uͤberhaupt: er fing gewoͤhnlich mit Mathematik an und hoͤrte mit Religion auf: ſeine wiſſenſchaftlichen Talente verſchaff- ten ſeinen Religionslehren Anſehen. Nicht allein wurden ſeine unmittelbaren Schuͤler gewonnen, auch viele Manda- rinen, deren Tracht er angenommen, gingen zu ihm uͤber: ſchon im Jahre 1605 ward eine marianiſche Societaͤt in Peking gegruͤndet. Ricci ſtarb ſchon 1610, nicht allein von uͤberhaͤufter Arbeit, ſondern hauptſaͤchlich von den vie- len Beſuchen, den langen Mittagseſſen und alle den uͤbri- gen geſellſchaftlichen Pflichten Sina’s aufgerieben; aber auch nach ſeinem Tode folgte man dem Rathe den er gegeben „ohne Aufſehen und Laͤrm zu Werke zu gehn, ſich bei dieſem ſtuͤrmiſchen Meere nahe an die Kuͤſten zu halten“ und ſeinem wiſſenſchaftlichen Beiſpiele. Im Jahre 1610 trat eine Mondfinſterniß ein: die Vorangaben der einheimiſchen Aſtronomen und der Jeſuiten waren um eine volle Stunde verſchieden; daß die Jeſuiten aufs neue Recht

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/506>, abgerufen am 18.06.2024.