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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
zu Rom eine französische Partei zu bilden. Mit Freuden
wurden sie empfangen. Die Schwester des Cardinals, Si-
gnora Olympia, erklärte den Angekommenen tausend Mal,
ihr Haus werde sich unbedingt in französischen Schutz be-
geben. Baronius behauptete, durch seine Geschichte gelernt
zu haben, daß der römische Stuhl keiner andern Nation
so viel verdanke wie der französischen: als er ein Bild des
Königs sah, brach er in ein Lebehoch aus. Er suchte sich
zu unterrichten, ob nach dem Verluste von Saluzzo gar kein
Alpen-Paß mehr in den Händen der Franzosen geblieben
sey. Dieser Baronius war aber nicht bloß ein Geschicht-
schreiber, er war der Beichtvater des Papstes, und sah ihn
alle Tage. Der Papst und Aldobrandino nahmen sich in
Acht und ließen sich nicht so weit heraus. Allein eben so
viel schien es zu bedeuten, wenn ihre nächsten Angehörigen
sich so unverholen ausdrückten: nur die Gesinnung der
Herrn schienen sie zu wiederholen. Da sich nun Hein-
rich IV. entschloß auch Pensionen zu zahlen, so hatte er
bald eine Partei, die der spanischen ein Gegengewicht gab.

Allein noch viel weiter gingen die Absichten Aldobran-
dinos. Oft stellte er den venezianischen Gesandten und
Cardinälen die Nothwendigkeit vor, dem Uebermuthe der Spa-
nier Schranken zu setzen. Könne man ertragen, daß sie in
dem Hause eines Andern zum Trotz diesem gebieten wollten? 1)
Zwar sey es für Jemand, der in kurzem in den Privat-
stand zurückzutreten habe, gefährlich, sich den Unwillen die-
ser Macht zuzuziehen, doch könne er auch um seiner Ehre
willen nicht zugeben, daß das Papstthum unter seinem

1) Du Perron au roi 25 janv. 1605 (Ambass. I, 509).

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
zu Rom eine franzoͤſiſche Partei zu bilden. Mit Freuden
wurden ſie empfangen. Die Schweſter des Cardinals, Si-
gnora Olympia, erklaͤrte den Angekommenen tauſend Mal,
ihr Haus werde ſich unbedingt in franzoͤſiſchen Schutz be-
geben. Baronius behauptete, durch ſeine Geſchichte gelernt
zu haben, daß der roͤmiſche Stuhl keiner andern Nation
ſo viel verdanke wie der franzoͤſiſchen: als er ein Bild des
Koͤnigs ſah, brach er in ein Lebehoch aus. Er ſuchte ſich
zu unterrichten, ob nach dem Verluſte von Saluzzo gar kein
Alpen-Paß mehr in den Haͤnden der Franzoſen geblieben
ſey. Dieſer Baronius war aber nicht bloß ein Geſchicht-
ſchreiber, er war der Beichtvater des Papſtes, und ſah ihn
alle Tage. Der Papſt und Aldobrandino nahmen ſich in
Acht und ließen ſich nicht ſo weit heraus. Allein eben ſo
viel ſchien es zu bedeuten, wenn ihre naͤchſten Angehoͤrigen
ſich ſo unverholen ausdruͤckten: nur die Geſinnung der
Herrn ſchienen ſie zu wiederholen. Da ſich nun Hein-
rich IV. entſchloß auch Penſionen zu zahlen, ſo hatte er
bald eine Partei, die der ſpaniſchen ein Gegengewicht gab.

Allein noch viel weiter gingen die Abſichten Aldobran-
dinos. Oft ſtellte er den venezianiſchen Geſandten und
Cardinaͤlen die Nothwendigkeit vor, dem Uebermuthe der Spa-
nier Schranken zu ſetzen. Koͤnne man ertragen, daß ſie in
dem Hauſe eines Andern zum Trotz dieſem gebieten wollten? 1)
Zwar ſey es fuͤr Jemand, der in kurzem in den Privat-
ſtand zuruͤckzutreten habe, gefaͤhrlich, ſich den Unwillen die-
ſer Macht zuzuziehen, doch koͤnne er auch um ſeiner Ehre
willen nicht zugeben, daß das Papſtthum unter ſeinem

1) Du Perron au roi 25 janv. 1605 (Ambass. I, 509).
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[316/0328] Buch VI. Innere Streitigkeiten. zu Rom eine franzoͤſiſche Partei zu bilden. Mit Freuden wurden ſie empfangen. Die Schweſter des Cardinals, Si- gnora Olympia, erklaͤrte den Angekommenen tauſend Mal, ihr Haus werde ſich unbedingt in franzoͤſiſchen Schutz be- geben. Baronius behauptete, durch ſeine Geſchichte gelernt zu haben, daß der roͤmiſche Stuhl keiner andern Nation ſo viel verdanke wie der franzoͤſiſchen: als er ein Bild des Koͤnigs ſah, brach er in ein Lebehoch aus. Er ſuchte ſich zu unterrichten, ob nach dem Verluſte von Saluzzo gar kein Alpen-Paß mehr in den Haͤnden der Franzoſen geblieben ſey. Dieſer Baronius war aber nicht bloß ein Geſchicht- ſchreiber, er war der Beichtvater des Papſtes, und ſah ihn alle Tage. Der Papſt und Aldobrandino nahmen ſich in Acht und ließen ſich nicht ſo weit heraus. Allein eben ſo viel ſchien es zu bedeuten, wenn ihre naͤchſten Angehoͤrigen ſich ſo unverholen ausdruͤckten: nur die Geſinnung der Herrn ſchienen ſie zu wiederholen. Da ſich nun Hein- rich IV. entſchloß auch Penſionen zu zahlen, ſo hatte er bald eine Partei, die der ſpaniſchen ein Gegengewicht gab. Allein noch viel weiter gingen die Abſichten Aldobran- dinos. Oft ſtellte er den venezianiſchen Geſandten und Cardinaͤlen die Nothwendigkeit vor, dem Uebermuthe der Spa- nier Schranken zu ſetzen. Koͤnne man ertragen, daß ſie in dem Hauſe eines Andern zum Trotz dieſem gebieten wollten? 1) Zwar ſey es fuͤr Jemand, der in kurzem in den Privat- ſtand zuruͤckzutreten habe, gefaͤhrlich, ſich den Unwillen die- ſer Macht zuzuziehen, doch koͤnne er auch um ſeiner Ehre willen nicht zugeben, daß das Papſtthum unter ſeinem 1) Du Perron au roi 25 janv. 1605 (Ambass. I, 509).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/328>, abgerufen am 25.11.2024.