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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
die zur Bekämpfung der Ketzer trefflich diene, in alle dem
möge man diesen Doctoren folgen.

Schon dieß veranlaßte in Spanien, wo die theologi-
schen Katheder noch größtentheils von Dominicanern ein-
genommen waren, eine gewaltige Aufregung. Man erklärte
die Studienordnung für das verwegenste, anmaßendste, ge-
fährlichste Buch in seiner Art: man ging König und Papst
darüber an 1).

Wie viel größer aber mußte die Bewegung werden,
als nun wirklich das thomistische System in einem der
wichtigsten Lehrstücke von den Jesuiten verlassen ward.

In der gesammten Theologie, der katholischen wie der
protestantischen, waren die Streitfragen über Gnade und
Verdienst, freien Willen und Prädestination noch immer
die wichtigsten, wirksamsten: sie beschäftigten noch immer
Gemüth, Gelehrsamkeit und Speculation der Geistlichen
wie der Laien. Auf der protestantischen Seite fanden nun
damals die strengen Lehren Calvins von dem particularen
Rathschluß Gottes, nach welchem "Einigen die ewige
Seligkeit, Andern die Verdammniß vorherbestimmt wor-
den", den meisten Beifall: die Lutheraner mit ihren
mildern Begriffen hierüber waren im Nachtheil, und erlit-
ten bald hier bald dort Verluste. Eine entgegengesetzte

1) Pegna in Serry: Historia congregationum de auxiliis di-
vinae gratiae p. 8. y dado a censurar, fue dicho por aquellos
censores
(Mariana und Serry reden sogar von der Inquisition)
que aquel libro era el mas peligroso, temerario y arrogante
que jamas havia salido in semejante materia, y que si se metia
en pratica lo que contenia, causaria infinitos dannos y alborotos
en la republica christiana.

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
die zur Bekaͤmpfung der Ketzer trefflich diene, in alle dem
moͤge man dieſen Doctoren folgen.

Schon dieß veranlaßte in Spanien, wo die theologi-
ſchen Katheder noch groͤßtentheils von Dominicanern ein-
genommen waren, eine gewaltige Aufregung. Man erklaͤrte
die Studienordnung fuͤr das verwegenſte, anmaßendſte, ge-
faͤhrlichſte Buch in ſeiner Art: man ging Koͤnig und Papſt
daruͤber an 1).

Wie viel groͤßer aber mußte die Bewegung werden,
als nun wirklich das thomiſtiſche Syſtem in einem der
wichtigſten Lehrſtuͤcke von den Jeſuiten verlaſſen ward.

In der geſammten Theologie, der katholiſchen wie der
proteſtantiſchen, waren die Streitfragen uͤber Gnade und
Verdienſt, freien Willen und Praͤdeſtination noch immer
die wichtigſten, wirkſamſten: ſie beſchaͤftigten noch immer
Gemuͤth, Gelehrſamkeit und Speculation der Geiſtlichen
wie der Laien. Auf der proteſtantiſchen Seite fanden nun
damals die ſtrengen Lehren Calvins von dem particularen
Rathſchluß Gottes, nach welchem „Einigen die ewige
Seligkeit, Andern die Verdammniß vorherbeſtimmt wor-
den“, den meiſten Beifall: die Lutheraner mit ihren
mildern Begriffen hieruͤber waren im Nachtheil, und erlit-
ten bald hier bald dort Verluſte. Eine entgegengeſetzte

1) Pegna in Serry: Historia congregationum de auxiliis di-
vinae gratiae p. 8. y dado a censurar, fue dicho por aquellos
censores
(Mariana und Serry reden ſogar von der Inquiſition)
que aquel libro era el mas peligroso, temerario y arrogante
que jamas havia salido in semejante materia, y que si se metia
en pratica lo que contenia, causaria infinitos daños y alborotos
en la republica christiana.
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[294/0306] Buch VI. Innere Streitigkeiten. die zur Bekaͤmpfung der Ketzer trefflich diene, in alle dem moͤge man dieſen Doctoren folgen. Schon dieß veranlaßte in Spanien, wo die theologi- ſchen Katheder noch groͤßtentheils von Dominicanern ein- genommen waren, eine gewaltige Aufregung. Man erklaͤrte die Studienordnung fuͤr das verwegenſte, anmaßendſte, ge- faͤhrlichſte Buch in ſeiner Art: man ging Koͤnig und Papſt daruͤber an 1). Wie viel groͤßer aber mußte die Bewegung werden, als nun wirklich das thomiſtiſche Syſtem in einem der wichtigſten Lehrſtuͤcke von den Jeſuiten verlaſſen ward. In der geſammten Theologie, der katholiſchen wie der proteſtantiſchen, waren die Streitfragen uͤber Gnade und Verdienſt, freien Willen und Praͤdeſtination noch immer die wichtigſten, wirkſamſten: ſie beſchaͤftigten noch immer Gemuͤth, Gelehrſamkeit und Speculation der Geiſtlichen wie der Laien. Auf der proteſtantiſchen Seite fanden nun damals die ſtrengen Lehren Calvins von dem particularen Rathſchluß Gottes, nach welchem „Einigen die ewige Seligkeit, Andern die Verdammniß vorherbeſtimmt wor- den“, den meiſten Beifall: die Lutheraner mit ihren mildern Begriffen hieruͤber waren im Nachtheil, und erlit- ten bald hier bald dort Verluſte. Eine entgegengeſetzte 1) Pegna in Serry: Historia congregationum de auxiliis di- vinae gratiae p. 8. y dado a censurar, fue dicho por aquellos censores (Mariana und Serry reden ſogar von der Inquiſition) que aquel libro era el mas peligroso, temerario y arrogante que jamas havia salido in semejante materia, y que si se metia en pratica lo que contenia, causaria infinitos daños y alborotos en la republica christiana.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/306>, abgerufen am 23.11.2024.