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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
wirkung hervorrief. Die streng katholische Gesinnung hing
nicht so durchaus von dem Papst ab, daß sie sich ihm
nicht auch hätte widersetzen können: die spanische Macht gab
ihr einen Rückhalt, an den sie sich gewaltig anschloß.

In Frankreich klagten die Liguisten den Papst des Gei-
zes an: er wolle nur den Beutel nicht ziehen, das im Ca-
stell aufgehäufte Geld wolle er für seine Nepoten und Ver-
wandten aufsparen. In Spanien predigte ein Jesuit über
den beklagenswürdigen Zustand, in dem die Kirche sey.
Nicht allein die Republik Venedig begünstige die Ketzer:
sondern -- "stille stille", sagte er, indem er den Finger
an den Mund legte, sondern sogar der Papst selbst. In
Italien tönte das wieder. Sixtus V. war bereits so em-
pfindlich, daß er eine Ermahnung zu allgemeinem Gebet,
die der Capuzinergeneral hatte ergehn lassen, "um in Sa-
chen der Kirche die Gnade Gottes anzurufen", für eine
persönliche Beleidigung nahm und den General suspen-
dirte.

Jedoch bei bloßen Andeutungen, Privatklagen blieb
es nicht. Am 22. Merz 1590 erschien der spanische Bot-
schafter in den päpstlichen Gemächern, um im Namen sei-
nes Herrn gegen das Betragen des Papstes förmlich zu
protestiren 1). Es gab eine Meinung, sehen wir, die noch

1) Schon am 10ten Merz hatte der Botschafter dem Papst
folgende Fragen vorgelegt: li ha ricercato la risposta sopra le tre
cose, cioe di licentiar Lucenburg, iscommunicar li cli et altri
prelati che seguono il Navarra, e prometter di non habilitar
mai esso Navarra alla successione della corona:
-- und eine Pro-
testation angekündigt. Der Papst hatte darauf mit der Excommu-
cation gedroht: Minaccia di iscommunicar quei e castigarli nella

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
wirkung hervorrief. Die ſtreng katholiſche Geſinnung hing
nicht ſo durchaus von dem Papſt ab, daß ſie ſich ihm
nicht auch haͤtte widerſetzen koͤnnen: die ſpaniſche Macht gab
ihr einen Ruͤckhalt, an den ſie ſich gewaltig anſchloß.

In Frankreich klagten die Liguiſten den Papſt des Gei-
zes an: er wolle nur den Beutel nicht ziehen, das im Ca-
ſtell aufgehaͤufte Geld wolle er fuͤr ſeine Nepoten und Ver-
wandten aufſparen. In Spanien predigte ein Jeſuit uͤber
den beklagenswuͤrdigen Zuſtand, in dem die Kirche ſey.
Nicht allein die Republik Venedig beguͤnſtige die Ketzer:
ſondern — „ſtille ſtille“, ſagte er, indem er den Finger
an den Mund legte, ſondern ſogar der Papſt ſelbſt. In
Italien toͤnte das wieder. Sixtus V. war bereits ſo em-
pfindlich, daß er eine Ermahnung zu allgemeinem Gebet,
die der Capuzinergeneral hatte ergehn laſſen, „um in Sa-
chen der Kirche die Gnade Gottes anzurufen“, fuͤr eine
perſoͤnliche Beleidigung nahm und den General ſuspen-
dirte.

Jedoch bei bloßen Andeutungen, Privatklagen blieb
es nicht. Am 22. Merz 1590 erſchien der ſpaniſche Bot-
ſchafter in den paͤpſtlichen Gemaͤchern, um im Namen ſei-
nes Herrn gegen das Betragen des Papſtes foͤrmlich zu
proteſtiren 1). Es gab eine Meinung, ſehen wir, die noch

1) Schon am 10ten Merz hatte der Botſchafter dem Papſt
folgende Fragen vorgelegt: li ha ricercato la risposta sopra le tre
cose, cioè di licentiar Lucenburg, iscommunicar li cli et altri
prelati che seguono il Navarra, e prometter di non habilitar
mai esso Navarra alla successione della corona:
— und eine Pro-
teſtation angekuͤndigt. Der Papſt hatte darauf mit der Excommu-
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[210/0222] Buch VI. Innere Streitigkeiten. wirkung hervorrief. Die ſtreng katholiſche Geſinnung hing nicht ſo durchaus von dem Papſt ab, daß ſie ſich ihm nicht auch haͤtte widerſetzen koͤnnen: die ſpaniſche Macht gab ihr einen Ruͤckhalt, an den ſie ſich gewaltig anſchloß. In Frankreich klagten die Liguiſten den Papſt des Gei- zes an: er wolle nur den Beutel nicht ziehen, das im Ca- ſtell aufgehaͤufte Geld wolle er fuͤr ſeine Nepoten und Ver- wandten aufſparen. In Spanien predigte ein Jeſuit uͤber den beklagenswuͤrdigen Zuſtand, in dem die Kirche ſey. Nicht allein die Republik Venedig beguͤnſtige die Ketzer: ſondern — „ſtille ſtille“, ſagte er, indem er den Finger an den Mund legte, ſondern ſogar der Papſt ſelbſt. In Italien toͤnte das wieder. Sixtus V. war bereits ſo em- pfindlich, daß er eine Ermahnung zu allgemeinem Gebet, die der Capuzinergeneral hatte ergehn laſſen, „um in Sa- chen der Kirche die Gnade Gottes anzurufen“, fuͤr eine perſoͤnliche Beleidigung nahm und den General ſuspen- dirte. Jedoch bei bloßen Andeutungen, Privatklagen blieb es nicht. Am 22. Merz 1590 erſchien der ſpaniſche Bot- ſchafter in den paͤpſtlichen Gemaͤchern, um im Namen ſei- nes Herrn gegen das Betragen des Papſtes foͤrmlich zu proteſtiren 1). Es gab eine Meinung, ſehen wir, die noch 1) Schon am 10ten Merz hatte der Botſchafter dem Papſt folgende Fragen vorgelegt: li ha ricercato la risposta sopra le tre cose, cioè di licentiar Lucenburg, iscommunicar li cli et altri prelati che seguono il Navarra, e prometter di non habilitar mai esso Navarra alla successione della corona: — und eine Pro- teſtation angekuͤndigt. Der Papſt hatte darauf mit der Excommu- cation gedroht: Minaccia di iscommunicar quei e castigarli nella

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/222>, abgerufen am 03.05.2024.