Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Letzte Zeiten Sixtus V.
ihm seinen Segen zu versagen 1). Aber nicht so ganz be-
fangen war doch Sixtus V., daß nicht Gegengründe von
wesentlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht hätten. Er
war eigensinnig, hochfahrend, rechthaberisch, hartnäckig:
aber dabei doch auch innerlich umzustimmen, für eine
fremde Ansicht zu gewinnen, im Grunde gutmüthig. In-
dem er noch stritt, seinen Satz hartnäckig verfocht, fühlte
er sich im Herzen erschüttert, überzeugt. Mitten in je-
ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig 2).
"Wer einen Gefährten hat", rief er aus, "hat einen Herrn,
ich will mit der Congregation reden, ich will ihr sagen,
daß ich mit Euch gezürnt habe, aber von Euch besiegt
worden bin." Noch ein paar Tage warteten sie: dann er-
klärte der Papst: er könne nicht billigen, was die Repu-
blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge-
gen sie beabsichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato sei-
nen Segen und küßte ihn.

Eine kaum bemerkbare Umwandlung persönlicher Ge-
sinnung: die aber die größte Bedeutung entwickelte. Der
Papst selbst ließ von der Strenge nach, mit der er den
protestantischen König verfolgte: die katholische Partei, die
sich in Widerspruch mit seiner bisherigen Politik zu demsel-
ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein erster
Schritt ist darum so viel, weil er eine ganze Richtung in

1) Disp. Donato 16 Dec. "dopo si lungo negotio restando
quasi privi d'ogni speranza."
2) Ibid. Finalmente inspirata dal Sr Dio -- -- disse di
contentarsene
(ihnen seinen Segen zu geben) e di essersi lasciato
vincer da noi.

Letzte Zeiten Sixtus V.
ihm ſeinen Segen zu verſagen 1). Aber nicht ſo ganz be-
fangen war doch Sixtus V., daß nicht Gegengruͤnde von
weſentlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht haͤtten. Er
war eigenſinnig, hochfahrend, rechthaberiſch, hartnaͤckig:
aber dabei doch auch innerlich umzuſtimmen, fuͤr eine
fremde Anſicht zu gewinnen, im Grunde gutmuͤthig. In-
dem er noch ſtritt, ſeinen Satz hartnaͤckig verfocht, fuͤhlte
er ſich im Herzen erſchuͤttert, uͤberzeugt. Mitten in je-
ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig 2).
„Wer einen Gefaͤhrten hat“, rief er aus, „hat einen Herrn,
ich will mit der Congregation reden, ich will ihr ſagen,
daß ich mit Euch gezuͤrnt habe, aber von Euch beſiegt
worden bin.“ Noch ein paar Tage warteten ſie: dann er-
klaͤrte der Papſt: er koͤnne nicht billigen, was die Repu-
blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge-
gen ſie beabſichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato ſei-
nen Segen und kuͤßte ihn.

Eine kaum bemerkbare Umwandlung perſoͤnlicher Ge-
ſinnung: die aber die groͤßte Bedeutung entwickelte. Der
Papſt ſelbſt ließ von der Strenge nach, mit der er den
proteſtantiſchen Koͤnig verfolgte: die katholiſche Partei, die
ſich in Widerſpruch mit ſeiner bisherigen Politik zu demſel-
ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein erſter
Schritt iſt darum ſo viel, weil er eine ganze Richtung in

1) Disp. Donato 16 Dec. „dopo si lungo negotio restando
quasi privi d’ogni speranza.“
2) Ibid. Finalmente inspirata dal Sr Dio — — disse di
contentarsene
(ihnen ſeinen Segen zu geben) e di essersi lasciato
vincer da noi.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Letzte Zeiten Sixtus</hi><hi rendition="#aq">V.</hi></fw><lb/>
ihm &#x017F;einen Segen zu ver&#x017F;agen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Disp. Donato 16 Dec. &#x201E;dopo si lungo negotio restando<lb/>
quasi privi d&#x2019;ogni speranza.&#x201C;</hi></note>. Aber nicht &#x017F;o ganz be-<lb/>
fangen war doch Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi>, daß nicht Gegengru&#x0364;nde von<lb/>
we&#x017F;entlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht ha&#x0364;tten. Er<lb/>
war eigen&#x017F;innig, hochfahrend, rechthaberi&#x017F;ch, hartna&#x0364;ckig:<lb/>
aber dabei doch auch innerlich umzu&#x017F;timmen, fu&#x0364;r eine<lb/>
fremde An&#x017F;icht zu gewinnen, im Grunde gutmu&#x0364;thig. In-<lb/>
dem er noch &#x017F;tritt, &#x017F;einen Satz hartna&#x0364;ckig verfocht, fu&#x0364;hlte<lb/>
er &#x017F;ich im Herzen er&#x017F;chu&#x0364;ttert, u&#x0364;berzeugt. Mitten in je-<lb/>
ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Ibid. Finalmente inspirata dal S<hi rendition="#sup">r</hi> Dio &#x2014; &#x2014; disse di<lb/>
contentarsene</hi> (ihnen &#x017F;einen Segen zu geben) <hi rendition="#aq">e di essersi lasciato<lb/>
vincer da noi.</hi></note>.<lb/>
&#x201E;Wer einen Gefa&#x0364;hrten hat&#x201C;, rief er aus, &#x201E;hat einen Herrn,<lb/>
ich will mit der Congregation reden, ich will ihr &#x017F;agen,<lb/>
daß ich mit Euch gezu&#x0364;rnt habe, aber von Euch be&#x017F;iegt<lb/>
worden bin.&#x201C; Noch ein paar Tage warteten &#x017F;ie: dann er-<lb/>
kla&#x0364;rte der Pap&#x017F;t: er ko&#x0364;nne nicht billigen, was die Repu-<lb/>
blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge-<lb/>
gen &#x017F;ie beab&#x017F;ichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato &#x017F;ei-<lb/>
nen Segen und ku&#x0364;ßte ihn.</p><lb/>
          <p>Eine kaum bemerkbare Umwandlung per&#x017F;o&#x0364;nlicher Ge-<lb/>
&#x017F;innung: die aber die gro&#x0364;ßte Bedeutung entwickelte. Der<lb/>
Pap&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t ließ von der Strenge nach, mit der er den<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Ko&#x0364;nig verfolgte: die katholi&#x017F;che Partei, die<lb/>
&#x017F;ich in Wider&#x017F;pruch mit &#x017F;einer bisherigen Politik zu dem&#x017F;el-<lb/>
ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein er&#x017F;ter<lb/>
Schritt i&#x017F;t darum &#x017F;o viel, weil er eine ganze Richtung in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0219] Letzte Zeiten Sixtus V. ihm ſeinen Segen zu verſagen 1). Aber nicht ſo ganz be- fangen war doch Sixtus V., daß nicht Gegengruͤnde von weſentlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht haͤtten. Er war eigenſinnig, hochfahrend, rechthaberiſch, hartnaͤckig: aber dabei doch auch innerlich umzuſtimmen, fuͤr eine fremde Anſicht zu gewinnen, im Grunde gutmuͤthig. In- dem er noch ſtritt, ſeinen Satz hartnaͤckig verfocht, fuͤhlte er ſich im Herzen erſchuͤttert, uͤberzeugt. Mitten in je- ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig 2). „Wer einen Gefaͤhrten hat“, rief er aus, „hat einen Herrn, ich will mit der Congregation reden, ich will ihr ſagen, daß ich mit Euch gezuͤrnt habe, aber von Euch beſiegt worden bin.“ Noch ein paar Tage warteten ſie: dann er- klaͤrte der Papſt: er koͤnne nicht billigen, was die Repu- blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge- gen ſie beabſichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato ſei- nen Segen und kuͤßte ihn. Eine kaum bemerkbare Umwandlung perſoͤnlicher Ge- ſinnung: die aber die groͤßte Bedeutung entwickelte. Der Papſt ſelbſt ließ von der Strenge nach, mit der er den proteſtantiſchen Koͤnig verfolgte: die katholiſche Partei, die ſich in Widerſpruch mit ſeiner bisherigen Politik zu demſel- ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein erſter Schritt iſt darum ſo viel, weil er eine ganze Richtung in 1) Disp. Donato 16 Dec. „dopo si lungo negotio restando quasi privi d’ogni speranza.“ 2) Ibid. Finalmente inspirata dal Sr Dio — — disse di contentarsene (ihnen ſeinen Segen zu geben) e di essersi lasciato vincer da noi.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/219
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/219>, abgerufen am 24.11.2024.