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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.

Man spricht aber nicht ohne eine Antwort zu verneh-
men. Der außerordentliche Gesandte der Venezianer war
Leonardo Donato, ein Mitglied jener Gesellschaft des An-
drea Morosini: ganz in der Gesinnung der kirchlich politi-
schen Opposition: ein Mann von der größten, wir wür-
den sagen, diplomatischen Geschicklichkeit, der schon manche
schwierige Unterhandlung zu Ende geführt.

Nicht alle Motive der Venezianer konnte Donato in
Rom auseinandersetzen: er kehrte diejenigen hervor, die bei
dem Papst Eingang finden konnten, die er eigentlich mit
Venedig gemein hatte.

Denn war es nicht offenbar, daß das spanische Ueber-
gewicht in dem südlichen Europa sich von Jahr zu Jahr
immer gewaltiger erhob? Der Papst fühlte es so gut wie
jeder andere italienische Fürst: ohne die Genehmhaltung der
Spanier konnte er schon in Italien keinen Schritt thun.
Was sollte geschehen wenn sie erst Herrn in Frankreich ge-
worden? Diese Betrachtung hauptsächlich, die Ansicht
von dem europäischen Gleichgewichte und die Nothwendig-
keit seiner Wiederherstellung hob Donato hervor. Er suchte
zu zeigen, daß die Republik den Papst nicht zu beleidigen,
daß sie vielmehr ein großes Interesse des römischen Stuh-
les selbst zu begünstigen, zu beschützen gedacht habe.

Der Papst hörte ihn an, doch schien er unerschütter-
lich, nicht zu überzeugen. Donato verzweifelte etwas aus-
zurichten, und bat um seine Abschiedsaudienz. Am 16ten
Dezember 1589 erhielt er sie, und der Papst machte Miene

augumento della fede cattolica. An diesem Jubiläum will er Nie-
mand sehen "per viver a se stesso et a sue divotioni."
Buch VI. Innere Streitigkeiten.

Man ſpricht aber nicht ohne eine Antwort zu verneh-
men. Der außerordentliche Geſandte der Venezianer war
Leonardo Donato, ein Mitglied jener Geſellſchaft des An-
drea Moroſini: ganz in der Geſinnung der kirchlich politi-
ſchen Oppoſition: ein Mann von der groͤßten, wir wuͤr-
den ſagen, diplomatiſchen Geſchicklichkeit, der ſchon manche
ſchwierige Unterhandlung zu Ende gefuͤhrt.

Nicht alle Motive der Venezianer konnte Donato in
Rom auseinanderſetzen: er kehrte diejenigen hervor, die bei
dem Papſt Eingang finden konnten, die er eigentlich mit
Venedig gemein hatte.

Denn war es nicht offenbar, daß das ſpaniſche Ueber-
gewicht in dem ſuͤdlichen Europa ſich von Jahr zu Jahr
immer gewaltiger erhob? Der Papſt fuͤhlte es ſo gut wie
jeder andere italieniſche Fuͤrſt: ohne die Genehmhaltung der
Spanier konnte er ſchon in Italien keinen Schritt thun.
Was ſollte geſchehen wenn ſie erſt Herrn in Frankreich ge-
worden? Dieſe Betrachtung hauptſaͤchlich, die Anſicht
von dem europaͤiſchen Gleichgewichte und die Nothwendig-
keit ſeiner Wiederherſtellung hob Donato hervor. Er ſuchte
zu zeigen, daß die Republik den Papſt nicht zu beleidigen,
daß ſie vielmehr ein großes Intereſſe des roͤmiſchen Stuh-
les ſelbſt zu beguͤnſtigen, zu beſchuͤtzen gedacht habe.

Der Papſt hoͤrte ihn an, doch ſchien er unerſchuͤtter-
lich, nicht zu uͤberzeugen. Donato verzweifelte etwas aus-
zurichten, und bat um ſeine Abſchiedsaudienz. Am 16ten
Dezember 1589 erhielt er ſie, und der Papſt machte Miene

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mand ſehen „per viver a se stesso et a sue divotioni.“
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[206/0218] Buch VI. Innere Streitigkeiten. Man ſpricht aber nicht ohne eine Antwort zu verneh- men. Der außerordentliche Geſandte der Venezianer war Leonardo Donato, ein Mitglied jener Geſellſchaft des An- drea Moroſini: ganz in der Geſinnung der kirchlich politi- ſchen Oppoſition: ein Mann von der groͤßten, wir wuͤr- den ſagen, diplomatiſchen Geſchicklichkeit, der ſchon manche ſchwierige Unterhandlung zu Ende gefuͤhrt. Nicht alle Motive der Venezianer konnte Donato in Rom auseinanderſetzen: er kehrte diejenigen hervor, die bei dem Papſt Eingang finden konnten, die er eigentlich mit Venedig gemein hatte. Denn war es nicht offenbar, daß das ſpaniſche Ueber- gewicht in dem ſuͤdlichen Europa ſich von Jahr zu Jahr immer gewaltiger erhob? Der Papſt fuͤhlte es ſo gut wie jeder andere italieniſche Fuͤrſt: ohne die Genehmhaltung der Spanier konnte er ſchon in Italien keinen Schritt thun. Was ſollte geſchehen wenn ſie erſt Herrn in Frankreich ge- worden? Dieſe Betrachtung hauptſaͤchlich, die Anſicht von dem europaͤiſchen Gleichgewichte und die Nothwendig- keit ſeiner Wiederherſtellung hob Donato hervor. Er ſuchte zu zeigen, daß die Republik den Papſt nicht zu beleidigen, daß ſie vielmehr ein großes Intereſſe des roͤmiſchen Stuh- les ſelbſt zu beguͤnſtigen, zu beſchuͤtzen gedacht habe. Der Papſt hoͤrte ihn an, doch ſchien er unerſchuͤtter- lich, nicht zu uͤberzeugen. Donato verzweifelte etwas aus- zurichten, und bat um ſeine Abſchiedsaudienz. Am 16ten Dezember 1589 erhielt er ſie, und der Papſt machte Miene 1) 1) augumento della fede cattolica. An dieſem Jubilaͤum will er Nie- mand ſehen „per viver a se stesso et a sue divotioni.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/218>, abgerufen am 24.11.2024.