erneuern, sondern zu übertreffen suchte. Einsamkeit, Still- schweigen, Enthaltsamkeit wurden so weit als möglich getrie- ben. Diese Mönche verließen ihr Kloster niemals anders, als um in einem benachbarten Orte zu predigen: innerhalb desselben trugen sie weder Schuhe noch eine Kopfbedeckung: sie versagten sich nicht nur Fleisch und Wein, sondern auch Fische und Eier: sie lebten von Brod und Wasser, höch- stens ein wenig Gemüse 1). Diese Strenge verfehlte nicht Aufsehen zu erregen und Nachfolge zu erwecken: gar bald ward Dom Jean de la Barriere an den Hof von Vin- cennes berufen. Er zog mit 62 Gefährten, ohne von den Uebungen des Klosters etwas nachzulassen, durch einen großen Theil von Frankreich: bald darauf ward sein Institut von dem Papst bestätigt, und breitete sich über das Land aus.
Es war aber auch, als sey über die gesammte Welt- geistlichkeit, obwohl die Stellen unverantwortlich vergeben wurden, ein neuer Eifer gekommen. Die Weltpriester nah- men sich der Seelsorge wieder eifrig an. Die Bischöfe forderten im Jahre 1570 nicht allein die Annahme des tridentinischen Concils, sondern sogar die Abschaffung des Concordats, dem sie doch selbst ihr Daseyn verdankten; von Zeit zu Zeit erneuten und schärften sie diese Anträge 2).
Wer will die Momente genau angeben, durch welche das geistige Leben in diese Richtung getrieben wurde: so viel ist gewiß, daß man bereits um das Jahr 1580 die
1)Felibien: Histoire de Paris tom. II, p. 1158.
2)Remontrance de l'assemblee generale du clerge de France convoquee en la ville de Melun, faite au roi Henry III le 3 juillet 1579. Recueil des actes du clerge tom. XIV. Auch hat Thuanus einen Auszug.
Buch V. Gegenreformationen.
erneuern, ſondern zu uͤbertreffen ſuchte. Einſamkeit, Still- ſchweigen, Enthaltſamkeit wurden ſo weit als moͤglich getrie- ben. Dieſe Moͤnche verließen ihr Kloſter niemals anders, als um in einem benachbarten Orte zu predigen: innerhalb deſſelben trugen ſie weder Schuhe noch eine Kopfbedeckung: ſie verſagten ſich nicht nur Fleiſch und Wein, ſondern auch Fiſche und Eier: ſie lebten von Brod und Waſſer, hoͤch- ſtens ein wenig Gemuͤſe 1). Dieſe Strenge verfehlte nicht Aufſehen zu erregen und Nachfolge zu erwecken: gar bald ward Dom Jean de la Barriere an den Hof von Vin- cennes berufen. Er zog mit 62 Gefaͤhrten, ohne von den Uebungen des Kloſters etwas nachzulaſſen, durch einen großen Theil von Frankreich: bald darauf ward ſein Inſtitut von dem Papſt beſtaͤtigt, und breitete ſich uͤber das Land aus.
Es war aber auch, als ſey uͤber die geſammte Welt- geiſtlichkeit, obwohl die Stellen unverantwortlich vergeben wurden, ein neuer Eifer gekommen. Die Weltprieſter nah- men ſich der Seelſorge wieder eifrig an. Die Biſchoͤfe forderten im Jahre 1570 nicht allein die Annahme des tridentiniſchen Concils, ſondern ſogar die Abſchaffung des Concordats, dem ſie doch ſelbſt ihr Daſeyn verdankten; von Zeit zu Zeit erneuten und ſchaͤrften ſie dieſe Antraͤge 2).
Wer will die Momente genau angeben, durch welche das geiſtige Leben in dieſe Richtung getrieben wurde: ſo viel iſt gewiß, daß man bereits um das Jahr 1580 die
1)Felibien: Histoire de Paris tom. II, p. 1158.
2)Remontrance de l’assemblée générale du clergé de France convoquée en la ville de Melun, faite au roi Henry III le 3 juillet 1579. Recueil des actes du clergé tom. XIV. Auch hat Thuanus einen Auszug.
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Buch V. Gegenreformationen.
erneuern, ſondern zu uͤbertreffen ſuchte. Einſamkeit, Still-
ſchweigen, Enthaltſamkeit wurden ſo weit als moͤglich getrie-
ben. Dieſe Moͤnche verließen ihr Kloſter niemals anders,
als um in einem benachbarten Orte zu predigen: innerhalb
deſſelben trugen ſie weder Schuhe noch eine Kopfbedeckung:
ſie verſagten ſich nicht nur Fleiſch und Wein, ſondern auch
Fiſche und Eier: ſie lebten von Brod und Waſſer, hoͤch-
ſtens ein wenig Gemuͤſe 1). Dieſe Strenge verfehlte nicht
Aufſehen zu erregen und Nachfolge zu erwecken: gar bald
ward Dom Jean de la Barriere an den Hof von Vin-
cennes berufen. Er zog mit 62 Gefaͤhrten, ohne von den
Uebungen des Kloſters etwas nachzulaſſen, durch einen großen
Theil von Frankreich: bald darauf ward ſein Inſtitut von
dem Papſt beſtaͤtigt, und breitete ſich uͤber das Land aus.
Es war aber auch, als ſey uͤber die geſammte Welt-
geiſtlichkeit, obwohl die Stellen unverantwortlich vergeben
wurden, ein neuer Eifer gekommen. Die Weltprieſter nah-
men ſich der Seelſorge wieder eifrig an. Die Biſchoͤfe
forderten im Jahre 1570 nicht allein die Annahme des
tridentiniſchen Concils, ſondern ſogar die Abſchaffung des
Concordats, dem ſie doch ſelbſt ihr Daſeyn verdankten; von
Zeit zu Zeit erneuten und ſchaͤrften ſie dieſe Antraͤge 2).
Wer will die Momente genau angeben, durch welche
das geiſtige Leben in dieſe Richtung getrieben wurde: ſo
viel iſt gewiß, daß man bereits um das Jahr 1580 die
1) Felibien: Histoire de Paris tom. II, p. 1158.
2) Remontrance de l’assemblée générale du clergé de France
convoquée en la ville de Melun, faite au roi Henry III le 3
juillet 1579. Recueil des actes du clergé tom. XIV. Auch hat
Thuanus einen Auszug.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/158>, abgerufen am 08.07.2024.
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