größte Veränderung wahrnahm. Ein Venezianer versichert, die Zahl der Protestanten habe um 70 Procent abgenom- men: das gemeine Volk war wieder ganz katholisch. Fri- sche Anregung, Neuheit und Kraft des Impulses waren wieder auf Seiten des Katholicismus 1).
In dieser Entwickelung bekam er aber eine neue Stel- lung gegen die königliche Gewalt.
Schon an sich lebte der Hof in lauter Widersprü- chen. Es ließ sich nicht zweifeln, daß Heinrich III. gut katholisch war: man kam bei ihm nicht fort, wenn man nicht die Messe besuchte, er wollte keine protestantischen Magistrate mehr in den Städten: aber trotz alle dem blieb er doch nach wie vor dabei die geistlichen Stellen nach der Convenienz der Hofgunst zu besetzen, ohne alle Rück- sicht auf Würdigkeit und Talent, die geistlichen Güter an sich zu ziehen und zu vergeuden. Er liebte religiöse Uebun- gen, Processionen, ersparte sich keine Casteiung: aber dieß hinderte ihn nicht das anstößigste Leben selbst zu führen und Andern zu gestatten. Eine recht verworfene Liederlich- keit war am Hofe an der Tagesordnung. Die Ausschwei- fungen des Carnevals erregten die Entrüstungen der Predi- ger: zuweilen wollte man die Hofleute wegen der Art ih- res Todes und ihrer letzten Aeußerungen nicht beerdigen: es waren eben die Lieblinge des Königs.
1)Lorenzo Priuli: Relatione di Franza 5 Giugno 1582. Dovemo maravigliarci, umanamente parlando, che le cose non siano in peggiore stato di quello che si trovano: poiche per gratia di Dio, con tutto il poco pensiero che li e stato messo e che se li mette, e sminuito il numero degli Ugonotti 70 0/0 et e grande il zelo et il fervor che mostrano cattolici nelle cose della religione.
10*
Die Ligue.
groͤßte Veraͤnderung wahrnahm. Ein Venezianer verſichert, die Zahl der Proteſtanten habe um 70 Procent abgenom- men: das gemeine Volk war wieder ganz katholiſch. Fri- ſche Anregung, Neuheit und Kraft des Impulſes waren wieder auf Seiten des Katholicismus 1).
In dieſer Entwickelung bekam er aber eine neue Stel- lung gegen die koͤnigliche Gewalt.
Schon an ſich lebte der Hof in lauter Widerſpruͤ- chen. Es ließ ſich nicht zweifeln, daß Heinrich III. gut katholiſch war: man kam bei ihm nicht fort, wenn man nicht die Meſſe beſuchte, er wollte keine proteſtantiſchen Magiſtrate mehr in den Staͤdten: aber trotz alle dem blieb er doch nach wie vor dabei die geiſtlichen Stellen nach der Convenienz der Hofgunſt zu beſetzen, ohne alle Ruͤck- ſicht auf Wuͤrdigkeit und Talent, die geiſtlichen Guͤter an ſich zu ziehen und zu vergeuden. Er liebte religioͤſe Uebun- gen, Proceſſionen, erſparte ſich keine Caſteiung: aber dieß hinderte ihn nicht das anſtoͤßigſte Leben ſelbſt zu fuͤhren und Andern zu geſtatten. Eine recht verworfene Liederlich- keit war am Hofe an der Tagesordnung. Die Ausſchwei- fungen des Carnevals erregten die Entruͤſtungen der Predi- ger: zuweilen wollte man die Hofleute wegen der Art ih- res Todes und ihrer letzten Aeußerungen nicht beerdigen: es waren eben die Lieblinge des Koͤnigs.
1)Lorenzo Priuli: Relatione di Franza 5 Giugno 1582. Dovemo maravigliarci, umanamente parlando, che le cose non siano in peggiore stato di quello che si trovano: poichè per gratia di Dio, con tutto il poco pensiero che li è stato messo e che se li mette, è sminuito il numero degli Ugonotti 70 0/0 et è grande il zelo et il fervor che mostrano cattolici nelle cose della religione.
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Die Ligue.
groͤßte Veraͤnderung wahrnahm. Ein Venezianer verſichert,
die Zahl der Proteſtanten habe um 70 Procent abgenom-
men: das gemeine Volk war wieder ganz katholiſch. Fri-
ſche Anregung, Neuheit und Kraft des Impulſes waren
wieder auf Seiten des Katholicismus 1).
In dieſer Entwickelung bekam er aber eine neue Stel-
lung gegen die koͤnigliche Gewalt.
Schon an ſich lebte der Hof in lauter Widerſpruͤ-
chen. Es ließ ſich nicht zweifeln, daß Heinrich III. gut
katholiſch war: man kam bei ihm nicht fort, wenn man
nicht die Meſſe beſuchte, er wollte keine proteſtantiſchen
Magiſtrate mehr in den Staͤdten: aber trotz alle dem blieb
er doch nach wie vor dabei die geiſtlichen Stellen nach
der Convenienz der Hofgunſt zu beſetzen, ohne alle Ruͤck-
ſicht auf Wuͤrdigkeit und Talent, die geiſtlichen Guͤter an
ſich zu ziehen und zu vergeuden. Er liebte religioͤſe Uebun-
gen, Proceſſionen, erſparte ſich keine Caſteiung: aber dieß
hinderte ihn nicht das anſtoͤßigſte Leben ſelbſt zu fuͤhren
und Andern zu geſtatten. Eine recht verworfene Liederlich-
keit war am Hofe an der Tagesordnung. Die Ausſchwei-
fungen des Carnevals erregten die Entruͤſtungen der Predi-
ger: zuweilen wollte man die Hofleute wegen der Art ih-
res Todes und ihrer letzten Aeußerungen nicht beerdigen:
es waren eben die Lieblinge des Koͤnigs.
1) Lorenzo Priuli: Relatione di Franza 5 Giugno 1582.
Dovemo maravigliarci, umanamente parlando, che le cose non
siano in peggiore stato di quello che si trovano: poichè per
gratia di Dio, con tutto il poco pensiero che li è stato messo
e che se li mette, è sminuito il numero degli Ugonotti 70 0/0 et
è grande il zelo et il fervor che mostrano cattolici nelle cose
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/159>, abgerufen am 08.07.2024.
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