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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Gegensätze des 14ten u. 15ten Jahrh.
mußte dafür viele andre Gefälle missen; und was die Haupt-
sache, er überließ dem König das Recht, zu den Bisthü-
mern und allen höheren Pfründen zu ernennen. Es ist
unläugbar: die gallicanische Kirche verlor ihre Rechte, aber
bei weitem weniger an den Papst als an den König. Das
Axiom, für das Gregor VII. die Welt bewegt, gab Leo X.
ohne viele Schwierigkeit auf.

So weit konnte es nun in Deutschland nicht kommen.
Die Baseler Beschlüsse, die in Frankreich zur pragmatischen
Sanction ausgebildet worden 1), wurden in Deutschland,
wo man sie Anfangs auch angenommen, durch die Wiener
Concordate ungemein ermäßigt. Aber diese Ermäßigung
selbst war doch nicht ohne Opfer des römischen Stuhles
erworben worden. In Deutschland war es nicht genug,
sich mit dem Reichsoberhaupte zu verständigen; man mußte
die einzelnen Stände gewinnen. Die Erzbischöse von Mainz
und Trier erhielten das Recht, auch in den päpstlichen
Monaten die erledigten Pfründen zu vergeben; der Chur-
fürst von Brandenburg erwarb die Befugniß, die drei Bis-
thümer in seinem Lande zu besetzen: auch minder bedeu-
tende Stände, Straßburg, Salzburg, Metz erhielten

1) Man erkennt das Verhältniß aus folgenden Worten des
Aeneas Sylvius. "Propter decreta Basiliensis concilii inter se-
dem apostolicam et nationem vestram dissidium coepit, cum vos
illa prorsus tenenda diceretis, apostolica vero sedes omnia reji-
ceret. Itaque fuit denique compositio facta -- per quam aliqua
ex decretis concilii praedicti recepta videntur, aliqua rejecta.
Aen. Sylvii Epistola ad Martinum Maierum contra murmur
gravaminis Germanicae nationis 1457."
In Müller's Reichstags-
theatrum unter Friedrich III. Vorst. III. p. 604.

Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh.
mußte dafuͤr viele andre Gefaͤlle miſſen; und was die Haupt-
ſache, er uͤberließ dem Koͤnig das Recht, zu den Bisthuͤ-
mern und allen hoͤheren Pfruͤnden zu ernennen. Es iſt
unlaͤugbar: die gallicaniſche Kirche verlor ihre Rechte, aber
bei weitem weniger an den Papſt als an den Koͤnig. Das
Axiom, fuͤr das Gregor VII. die Welt bewegt, gab Leo X.
ohne viele Schwierigkeit auf.

So weit konnte es nun in Deutſchland nicht kommen.
Die Baſeler Beſchluͤſſe, die in Frankreich zur pragmatiſchen
Sanction ausgebildet worden 1), wurden in Deutſchland,
wo man ſie Anfangs auch angenommen, durch die Wiener
Concordate ungemein ermaͤßigt. Aber dieſe Ermaͤßigung
ſelbſt war doch nicht ohne Opfer des roͤmiſchen Stuhles
erworben worden. In Deutſchland war es nicht genug,
ſich mit dem Reichsoberhaupte zu verſtaͤndigen; man mußte
die einzelnen Staͤnde gewinnen. Die Erzbiſchoͤſe von Mainz
und Trier erhielten das Recht, auch in den paͤpſtlichen
Monaten die erledigten Pfruͤnden zu vergeben; der Chur-
fuͤrſt von Brandenburg erwarb die Befugniß, die drei Bis-
thuͤmer in ſeinem Lande zu beſetzen: auch minder bedeu-
tende Staͤnde, Straßburg, Salzburg, Metz erhielten

1) Man erkennt das Verhaͤltniß aus folgenden Worten des
Aeneas Sylvius. „Propter decreta Basiliensis concilii inter se-
dem apostolicam et nationem vestram dissidium coepit, cum vos
illa prorsus tenenda diceretis, apostolica vero sedes omnia reji-
ceret. Itaque fuit denique compositio facta — per quam aliqua
ex decretis concilii praedicti recepta videntur, aliqua rejecta.
Aen. Sylvii Epistola ad Martinum Maierum contra murmur
gravaminis Germanicae nationis 1457.“
In Muͤller’s Reichstags-
theatrum unter Friedrich III. Vorſt. III. p. 604.
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[39/0065] Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh. mußte dafuͤr viele andre Gefaͤlle miſſen; und was die Haupt- ſache, er uͤberließ dem Koͤnig das Recht, zu den Bisthuͤ- mern und allen hoͤheren Pfruͤnden zu ernennen. Es iſt unlaͤugbar: die gallicaniſche Kirche verlor ihre Rechte, aber bei weitem weniger an den Papſt als an den Koͤnig. Das Axiom, fuͤr das Gregor VII. die Welt bewegt, gab Leo X. ohne viele Schwierigkeit auf. So weit konnte es nun in Deutſchland nicht kommen. Die Baſeler Beſchluͤſſe, die in Frankreich zur pragmatiſchen Sanction ausgebildet worden 1), wurden in Deutſchland, wo man ſie Anfangs auch angenommen, durch die Wiener Concordate ungemein ermaͤßigt. Aber dieſe Ermaͤßigung ſelbſt war doch nicht ohne Opfer des roͤmiſchen Stuhles erworben worden. In Deutſchland war es nicht genug, ſich mit dem Reichsoberhaupte zu verſtaͤndigen; man mußte die einzelnen Staͤnde gewinnen. Die Erzbiſchoͤſe von Mainz und Trier erhielten das Recht, auch in den paͤpſtlichen Monaten die erledigten Pfruͤnden zu vergeben; der Chur- fuͤrſt von Brandenburg erwarb die Befugniß, die drei Bis- thuͤmer in ſeinem Lande zu beſetzen: auch minder bedeu- tende Staͤnde, Straßburg, Salzburg, Metz erhielten 1) Man erkennt das Verhaͤltniß aus folgenden Worten des Aeneas Sylvius. „Propter decreta Basiliensis concilii inter se- dem apostolicam et nationem vestram dissidium coepit, cum vos illa prorsus tenenda diceretis, apostolica vero sedes omnia reji- ceret. Itaque fuit denique compositio facta — per quam aliqua ex decretis concilii praedicti recepta videntur, aliqua rejecta. Aen. Sylvii Epistola ad Martinum Maierum contra murmur gravaminis Germanicae nationis 1457.“ In Muͤller’s Reichstags- theatrum unter Friedrich III. Vorſt. III. p. 604.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/65>, abgerufen am 06.05.2024.