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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
haft, streng in der Hauptsache, in den Nebendingen nach-
sichtig; -- er befahl nie, er gab nur Rathschläge: er bat
gleichsam; er docirte nicht: er unterhielt sich; er besaß den
Scharfsinn, welcher dazu gehört, die besondere Richtung
jedes Gemüthes zu unterscheiden. Sein Oratorium erwuchs
ihm aus Besuchen, die man ihm machte, durch die An-
hänglichkeit einiger jüngeren Leute, die sich als seine Schü-
ler betrachteten und mit ihm zu leben wünschten. Der
berühmteste unter ihnen ist der Annalist der Kirche, Cäsar
Baronius. Filippo Neri erkannte sein Talent, und hielt
ihn an, ohne daß er anfangs große Neigung dazu gehabt
hätte, die Kirchengeschichte in dem Oratorium vorzutra-
gen 1). Dreißig Jahr lang hat Baronius diese Arbeit
fortgesetzt. Auch als er Cardinal geworden, stand er noch
immer vor Tage auf, um daran fortzuarbeiten: er speiste
mit seinen Hausgenossen regelmäßig an Einem Tische; er
ließ nur Demuth und Gottergebenheit an sich wahrneh-
men. Wie in dem Oratorium, so war er in dieser Würde
auf das engste mit Tarugi verbunden, der sich als Pre-
diger und Beichtvater viel Ansehn verschafft hatte, und
eine eben so unschuldige Gottesfurcht zeigte: ihre Freund-
schaft hielt ihnen bis zum Tode aus: glücklich sind sie
darin zu preisen: neben einander sind sie beerdigt worden.
Ein dritter Schüler S. Filippo's war Silvio Antoniano, der
zwar eine freiere literarische Tendenz hatte, sich mit poeti-
schen Arbeiten beschäftigte, und als ihm später ein Papst
die Abfassung seiner Breven auftrug, dieß mit ungewohn-

1) Gallonius: Vita Phil. Nerii. Mog. 1602. p. 163.

Buch IV. Staat und Hof.
haft, ſtreng in der Hauptſache, in den Nebendingen nach-
ſichtig; — er befahl nie, er gab nur Rathſchlaͤge: er bat
gleichſam; er docirte nicht: er unterhielt ſich; er beſaß den
Scharfſinn, welcher dazu gehoͤrt, die beſondere Richtung
jedes Gemuͤthes zu unterſcheiden. Sein Oratorium erwuchs
ihm aus Beſuchen, die man ihm machte, durch die An-
haͤnglichkeit einiger juͤngeren Leute, die ſich als ſeine Schuͤ-
ler betrachteten und mit ihm zu leben wuͤnſchten. Der
beruͤhmteſte unter ihnen iſt der Annaliſt der Kirche, Caͤſar
Baronius. Filippo Neri erkannte ſein Talent, und hielt
ihn an, ohne daß er anfangs große Neigung dazu gehabt
haͤtte, die Kirchengeſchichte in dem Oratorium vorzutra-
gen 1). Dreißig Jahr lang hat Baronius dieſe Arbeit
fortgeſetzt. Auch als er Cardinal geworden, ſtand er noch
immer vor Tage auf, um daran fortzuarbeiten: er ſpeiſte
mit ſeinen Hausgenoſſen regelmaͤßig an Einem Tiſche; er
ließ nur Demuth und Gottergebenheit an ſich wahrneh-
men. Wie in dem Oratorium, ſo war er in dieſer Wuͤrde
auf das engſte mit Tarugi verbunden, der ſich als Pre-
diger und Beichtvater viel Anſehn verſchafft hatte, und
eine eben ſo unſchuldige Gottesfurcht zeigte: ihre Freund-
ſchaft hielt ihnen bis zum Tode aus: gluͤcklich ſind ſie
darin zu preiſen: neben einander ſind ſie beerdigt worden.
Ein dritter Schuͤler S. Filippo’s war Silvio Antoniano, der
zwar eine freiere literariſche Tendenz hatte, ſich mit poeti-
ſchen Arbeiten beſchaͤftigte, und als ihm ſpaͤter ein Papſt
die Abfaſſung ſeiner Breven auftrug, dieß mit ungewohn-

1) Gallonius: Vita Phil. Nerii. Mog. 1602. p. 163.
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[504/0530] Buch IV. Staat und Hof. haft, ſtreng in der Hauptſache, in den Nebendingen nach- ſichtig; — er befahl nie, er gab nur Rathſchlaͤge: er bat gleichſam; er docirte nicht: er unterhielt ſich; er beſaß den Scharfſinn, welcher dazu gehoͤrt, die beſondere Richtung jedes Gemuͤthes zu unterſcheiden. Sein Oratorium erwuchs ihm aus Beſuchen, die man ihm machte, durch die An- haͤnglichkeit einiger juͤngeren Leute, die ſich als ſeine Schuͤ- ler betrachteten und mit ihm zu leben wuͤnſchten. Der beruͤhmteſte unter ihnen iſt der Annaliſt der Kirche, Caͤſar Baronius. Filippo Neri erkannte ſein Talent, und hielt ihn an, ohne daß er anfangs große Neigung dazu gehabt haͤtte, die Kirchengeſchichte in dem Oratorium vorzutra- gen 1). Dreißig Jahr lang hat Baronius dieſe Arbeit fortgeſetzt. Auch als er Cardinal geworden, ſtand er noch immer vor Tage auf, um daran fortzuarbeiten: er ſpeiſte mit ſeinen Hausgenoſſen regelmaͤßig an Einem Tiſche; er ließ nur Demuth und Gottergebenheit an ſich wahrneh- men. Wie in dem Oratorium, ſo war er in dieſer Wuͤrde auf das engſte mit Tarugi verbunden, der ſich als Pre- diger und Beichtvater viel Anſehn verſchafft hatte, und eine eben ſo unſchuldige Gottesfurcht zeigte: ihre Freund- ſchaft hielt ihnen bis zum Tode aus: gluͤcklich ſind ſie darin zu preiſen: neben einander ſind ſie beerdigt worden. Ein dritter Schuͤler S. Filippo’s war Silvio Antoniano, der zwar eine freiere literariſche Tendenz hatte, ſich mit poeti- ſchen Arbeiten beſchaͤftigte, und als ihm ſpaͤter ein Papſt die Abfaſſung ſeiner Breven auftrug, dieß mit ungewohn- 1) Gallonius: Vita Phil. Nerii. Mog. 1602. p. 163.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/530>, abgerufen am 23.11.2024.