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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Die Curie.
sitation venezianischer Kirchen übertragen ward, alle durch
Gewandtheit und Eifer für ihre Religion emporgekommen.

Einen bedeutenden Rang nahmen die Gelehrten ein:
Bellarmin, Professor, Grammatiker, der größte Contro-
versist der katholischen Kirche, dem man ein apostolisches
Leben nachrühmt: ein anderer Jesuit: Maffei, der die Ge-
schichten der portugiesischen Eroberungen in Indien beson-
ders aus dem Gesichtspunct der Ausbreitung des Christen-
thums im Süden und Osten, und das Leben des Loyola,
Phrase für Phrase, mit bedachtsamer Langsamkeit und
abgewägter Eleganz ausführte 1); zuweilen Fremde, wie
unser Clavius, der tiefe Wissenschaft mit unschuldigem
Leben verband, und Jedermanns Verehrung genoß; oder
Muret, ein Franzose, der beste Latinist jener Zeit; nachdem
er lange Zeit die Pandecten auf eine originelle und classische
Weise erläutert hatte -- er war eben so witzig, als beredt --
ward er noch in seinem Alter Priester, widmete sich theo-
logischen Studien und las alle Tage Messe; der spanische
Canonist Azpilcueta, dessen Responsa am Hofe und in der
ganzen katholischen Welt wie Orakel betrachtet wurden: Papst
Gregor XIII. hatte man oft Stundenlang vor seinem Hause
halten und sich mit ihm unterreden sehen: dabei verrichtete
er doch auch in den Spitälern die niedrigsten Dienste.

Unter diesen merkwürdigen Persönlichkeiten erwarb
sich Filippo Neri, Stifter der Congregation des Orato-
riums, ein großer Beichtvater und Seelsorger, einen tie-
fen und ausgebreiteten Einfluß: er war gutmüthig, scherz-

1) Vita Jo. Petri Maffeji Serassio auctore. In der Aus-
gabe der Werke Maffei's, Berg. 1747.

Die Curie.
ſitation venezianiſcher Kirchen uͤbertragen ward, alle durch
Gewandtheit und Eifer fuͤr ihre Religion emporgekommen.

Einen bedeutenden Rang nahmen die Gelehrten ein:
Bellarmin, Profeſſor, Grammatiker, der groͤßte Contro-
verſiſt der katholiſchen Kirche, dem man ein apoſtoliſches
Leben nachruͤhmt: ein anderer Jeſuit: Maffei, der die Ge-
ſchichten der portugieſiſchen Eroberungen in Indien beſon-
ders aus dem Geſichtspunct der Ausbreitung des Chriſten-
thums im Suͤden und Oſten, und das Leben des Loyola,
Phraſe fuͤr Phraſe, mit bedachtſamer Langſamkeit und
abgewaͤgter Eleganz ausfuͤhrte 1); zuweilen Fremde, wie
unſer Clavius, der tiefe Wiſſenſchaft mit unſchuldigem
Leben verband, und Jedermanns Verehrung genoß; oder
Muret, ein Franzoſe, der beſte Latiniſt jener Zeit; nachdem
er lange Zeit die Pandecten auf eine originelle und claſſiſche
Weiſe erlaͤutert hatte — er war eben ſo witzig, als beredt —
ward er noch in ſeinem Alter Prieſter, widmete ſich theo-
logiſchen Studien und las alle Tage Meſſe; der ſpaniſche
Canoniſt Azpilcueta, deſſen Reſponſa am Hofe und in der
ganzen katholiſchen Welt wie Orakel betrachtet wurden: Papſt
Gregor XIII. hatte man oft Stundenlang vor ſeinem Hauſe
halten und ſich mit ihm unterreden ſehen: dabei verrichtete
er doch auch in den Spitaͤlern die niedrigſten Dienſte.

Unter dieſen merkwuͤrdigen Perſoͤnlichkeiten erwarb
ſich Filippo Neri, Stifter der Congregation des Orato-
riums, ein großer Beichtvater und Seelſorger, einen tie-
fen und ausgebreiteten Einfluß: er war gutmuͤthig, ſcherz-

1) Vita Jo. Petri Maffeji Serassio auctore. In der Aus-
gabe der Werke Maffei’s, Berg. 1747.
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[503/0529] Die Curie. ſitation venezianiſcher Kirchen uͤbertragen ward, alle durch Gewandtheit und Eifer fuͤr ihre Religion emporgekommen. Einen bedeutenden Rang nahmen die Gelehrten ein: Bellarmin, Profeſſor, Grammatiker, der groͤßte Contro- verſiſt der katholiſchen Kirche, dem man ein apoſtoliſches Leben nachruͤhmt: ein anderer Jeſuit: Maffei, der die Ge- ſchichten der portugieſiſchen Eroberungen in Indien beſon- ders aus dem Geſichtspunct der Ausbreitung des Chriſten- thums im Suͤden und Oſten, und das Leben des Loyola, Phraſe fuͤr Phraſe, mit bedachtſamer Langſamkeit und abgewaͤgter Eleganz ausfuͤhrte 1); zuweilen Fremde, wie unſer Clavius, der tiefe Wiſſenſchaft mit unſchuldigem Leben verband, und Jedermanns Verehrung genoß; oder Muret, ein Franzoſe, der beſte Latiniſt jener Zeit; nachdem er lange Zeit die Pandecten auf eine originelle und claſſiſche Weiſe erlaͤutert hatte — er war eben ſo witzig, als beredt — ward er noch in ſeinem Alter Prieſter, widmete ſich theo- logiſchen Studien und las alle Tage Meſſe; der ſpaniſche Canoniſt Azpilcueta, deſſen Reſponſa am Hofe und in der ganzen katholiſchen Welt wie Orakel betrachtet wurden: Papſt Gregor XIII. hatte man oft Stundenlang vor ſeinem Hauſe halten und ſich mit ihm unterreden ſehen: dabei verrichtete er doch auch in den Spitaͤlern die niedrigſten Dienſte. Unter dieſen merkwuͤrdigen Perſoͤnlichkeiten erwarb ſich Filippo Neri, Stifter der Congregation des Orato- riums, ein großer Beichtvater und Seelſorger, einen tie- fen und ausgebreiteten Einfluß: er war gutmuͤthig, ſcherz- 1) Vita Jo. Petri Maffeji Serassio auctore. In der Aus- gabe der Werke Maffei’s, Berg. 1747.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/529>, abgerufen am 23.11.2024.