Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Sixtus V. Verwaltung.
wie wenig systematisch der Papst hierbei zu Werke ging;
wie sehr er vorübergehende Interessen mit allgemeinen gleich-
stellte: nichts destominder hat er es damit gut getroffen und
seine Einrichtung hat sich mit leichten Abänderungen Jahr-
hunderte lang erhalten.

Von den Cardinälen selbst stellte er übrigens einen ho-
hen Begriff auf. Es sollen alles ausgezeichnete Männer
seyn, ihre Sitten musterhaft, ihre Worte Orakel, ihre
Aussprüche eine Norm des Lebens und Denkens für an-
dere; das Salz der Erde, der Leuchter auf dem Candela-
ber 1). Man muß darum nicht glauben, daß er bei den
Ernennungen jedes Mal sehr gewissenhaft verfahren sey.
Für Gallo, den er zu dieser Würde erhob, wußte er nichts
anzuführen, als daß derselbe sein Diener sey, dem er aus
vielen Gründen wohlwolle, der ihn einmal auf einer Reise
sehr gut aufgenommen habe 2). Auch hier aber gab er
eine Regel: die man später, wenn nicht immer befolgt,
doch meistentheils in Gedanken gehabt hat. Er setzte die
Zahl der Cardinäle auf siebzig fest: "gleichwie Moses,"
sagt er, "siebzig Greise aus allem Volke gewählt, um sich
mit ihnen zu berathen."

Nicht selten hat man auch diesem Papste die Zerstö-

1) Bulla: postquam verus ille. 1586. 3 Dec. Bullar. M.
IV, IV. 279.
2) Da Sixtus keinen andern Widerspruch litt, erfuhr er den
der Opposition der Predigt. Der Jesuit Franz Toledo sagte hierauf
in einer Predigt: man sündige, wenn man Jemand um privater
Dienste willen eine öffentliche Stelle gebe. "Non perche," fuhr
er fort, "uno sia buon coppiere o scalco, gli si commette senza
nota d'imprudenza o un vescovato o un cardinalato.
Eben Kü-
chenmeister war Gallo gewesen. (Memorie della vita di Sisto V.)

Sixtus V. Verwaltung.
wie wenig ſyſtematiſch der Papſt hierbei zu Werke ging;
wie ſehr er voruͤbergehende Intereſſen mit allgemeinen gleich-
ſtellte: nichts deſtominder hat er es damit gut getroffen und
ſeine Einrichtung hat ſich mit leichten Abaͤnderungen Jahr-
hunderte lang erhalten.

Von den Cardinaͤlen ſelbſt ſtellte er uͤbrigens einen ho-
hen Begriff auf. Es ſollen alles ausgezeichnete Maͤnner
ſeyn, ihre Sitten muſterhaft, ihre Worte Orakel, ihre
Ausſpruͤche eine Norm des Lebens und Denkens fuͤr an-
dere; das Salz der Erde, der Leuchter auf dem Candela-
ber 1). Man muß darum nicht glauben, daß er bei den
Ernennungen jedes Mal ſehr gewiſſenhaft verfahren ſey.
Fuͤr Gallo, den er zu dieſer Wuͤrde erhob, wußte er nichts
anzufuͤhren, als daß derſelbe ſein Diener ſey, dem er aus
vielen Gruͤnden wohlwolle, der ihn einmal auf einer Reiſe
ſehr gut aufgenommen habe 2). Auch hier aber gab er
eine Regel: die man ſpaͤter, wenn nicht immer befolgt,
doch meiſtentheils in Gedanken gehabt hat. Er ſetzte die
Zahl der Cardinaͤle auf ſiebzig feſt: „gleichwie Moſes,“
ſagt er, „ſiebzig Greiſe aus allem Volke gewaͤhlt, um ſich
mit ihnen zu berathen.“

Nicht ſelten hat man auch dieſem Papſte die Zerſtoͤ-

1) Bulla: postquam verus ille. 1586. 3 Dec. Bullar. M.
IV, IV. 279.
2) Da Sixtus keinen andern Widerſpruch litt, erfuhr er den
der Oppoſition der Predigt. Der Jeſuit Franz Toledo ſagte hierauf
in einer Predigt: man ſuͤndige, wenn man Jemand um privater
Dienſte willen eine oͤffentliche Stelle gebe. „Non perche,“ fuhr
er fort, „uno sia buon coppiere o scalco, gli si commette senza
nota d’imprudenza o un vescovato o un cardinalato.
Eben Kuͤ-
chenmeiſter war Gallo geweſen. (Memorie della vita di Sisto V.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0483" n="457"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi> Verwaltung</hi>.</fw><lb/>
wie wenig &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch der Pap&#x017F;t hierbei zu Werke ging;<lb/>
wie &#x017F;ehr er voru&#x0364;bergehende Intere&#x017F;&#x017F;en mit allgemeinen gleich-<lb/>
&#x017F;tellte: nichts de&#x017F;tominder hat er es damit gut getroffen und<lb/>
&#x017F;eine Einrichtung hat &#x017F;ich mit leichten Aba&#x0364;nderungen Jahr-<lb/>
hunderte lang erhalten.</p><lb/>
              <p>Von den Cardina&#x0364;len &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tellte er u&#x0364;brigens einen ho-<lb/>
hen Begriff auf. Es &#x017F;ollen alles ausgezeichnete Ma&#x0364;nner<lb/>
&#x017F;eyn, ihre Sitten mu&#x017F;terhaft, ihre Worte Orakel, ihre<lb/>
Aus&#x017F;pru&#x0364;che eine Norm des Lebens und Denkens fu&#x0364;r an-<lb/>
dere; das Salz der Erde, der Leuchter auf dem Candela-<lb/>
ber <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Bulla: postquam verus ille. 1586. 3 Dec. Bullar. M.<lb/>
IV, IV. 279.</hi></note>. Man muß darum nicht glauben, daß er bei den<lb/>
Ernennungen jedes Mal &#x017F;ehr gewi&#x017F;&#x017F;enhaft verfahren &#x017F;ey.<lb/>
Fu&#x0364;r Gallo, den er zu die&#x017F;er Wu&#x0364;rde erhob, wußte er nichts<lb/>
anzufu&#x0364;hren, als daß der&#x017F;elbe &#x017F;ein Diener &#x017F;ey, dem er aus<lb/>
vielen Gru&#x0364;nden wohlwolle, der ihn einmal auf einer Rei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ehr gut aufgenommen habe <note place="foot" n="2)">Da Sixtus keinen andern Wider&#x017F;pruch litt, erfuhr er den<lb/>
der Oppo&#x017F;ition der Predigt. Der Je&#x017F;uit Franz Toledo &#x017F;agte hierauf<lb/>
in einer Predigt: man &#x017F;u&#x0364;ndige, wenn man Jemand um privater<lb/>
Dien&#x017F;te willen eine o&#x0364;ffentliche Stelle gebe. <hi rendition="#aq">&#x201E;Non perche,&#x201C;</hi> fuhr<lb/>
er fort, <hi rendition="#aq">&#x201E;uno sia buon coppiere o scalco, gli si commette senza<lb/>
nota d&#x2019;imprudenza o un vescovato o un cardinalato.</hi> Eben Ku&#x0364;-<lb/>
chenmei&#x017F;ter war Gallo gewe&#x017F;en. <hi rendition="#aq">(Memorie della vita di Sisto V.)</hi></note>. Auch hier aber gab er<lb/>
eine Regel: die man &#x017F;pa&#x0364;ter, wenn nicht immer befolgt,<lb/>
doch mei&#x017F;tentheils in Gedanken gehabt hat. Er &#x017F;etzte die<lb/>
Zahl der Cardina&#x0364;le auf &#x017F;iebzig fe&#x017F;t: &#x201E;gleichwie Mo&#x017F;es,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agt er, &#x201E;&#x017F;iebzig Grei&#x017F;e aus allem Volke gewa&#x0364;hlt, um &#x017F;ich<lb/>
mit ihnen zu berathen.&#x201C;</p><lb/>
              <p>Nicht &#x017F;elten hat man auch die&#x017F;em Pap&#x017F;te die Zer&#x017F;to&#x0364;-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[457/0483] Sixtus V. Verwaltung. wie wenig ſyſtematiſch der Papſt hierbei zu Werke ging; wie ſehr er voruͤbergehende Intereſſen mit allgemeinen gleich- ſtellte: nichts deſtominder hat er es damit gut getroffen und ſeine Einrichtung hat ſich mit leichten Abaͤnderungen Jahr- hunderte lang erhalten. Von den Cardinaͤlen ſelbſt ſtellte er uͤbrigens einen ho- hen Begriff auf. Es ſollen alles ausgezeichnete Maͤnner ſeyn, ihre Sitten muſterhaft, ihre Worte Orakel, ihre Ausſpruͤche eine Norm des Lebens und Denkens fuͤr an- dere; das Salz der Erde, der Leuchter auf dem Candela- ber 1). Man muß darum nicht glauben, daß er bei den Ernennungen jedes Mal ſehr gewiſſenhaft verfahren ſey. Fuͤr Gallo, den er zu dieſer Wuͤrde erhob, wußte er nichts anzufuͤhren, als daß derſelbe ſein Diener ſey, dem er aus vielen Gruͤnden wohlwolle, der ihn einmal auf einer Reiſe ſehr gut aufgenommen habe 2). Auch hier aber gab er eine Regel: die man ſpaͤter, wenn nicht immer befolgt, doch meiſtentheils in Gedanken gehabt hat. Er ſetzte die Zahl der Cardinaͤle auf ſiebzig feſt: „gleichwie Moſes,“ ſagt er, „ſiebzig Greiſe aus allem Volke gewaͤhlt, um ſich mit ihnen zu berathen.“ Nicht ſelten hat man auch dieſem Papſte die Zerſtoͤ- 1) Bulla: postquam verus ille. 1586. 3 Dec. Bullar. M. IV, IV. 279. 2) Da Sixtus keinen andern Widerſpruch litt, erfuhr er den der Oppoſition der Predigt. Der Jeſuit Franz Toledo ſagte hierauf in einer Predigt: man ſuͤndige, wenn man Jemand um privater Dienſte willen eine oͤffentliche Stelle gebe. „Non perche,“ fuhr er fort, „uno sia buon coppiere o scalco, gli si commette senza nota d’imprudenza o un vescovato o un cardinalato. Eben Kuͤ- chenmeiſter war Gallo geweſen. (Memorie della vita di Sisto V.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/483
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/483>, abgerufen am 18.05.2024.