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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
er umarmte ihn mit Thränen; er ward sein zweiter Be-
schützer.

Auf das entschiedenste hielt sich seitdem Fra Felice Pe-
retti zu der strengen Partei, die so eben in der Kirche em-
porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle
drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver-
trautem Verhältniß. Daß er in seinem Orden, den er zu
reformiren suchte, Widerstand fand, und von seinen Or-
densbrüdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver-
mehrte nur sein Ansehn bei den Vertretern der zur Macht
gelangenden Gesinnung. Er ward bei Paul IV. eingeführt
und oft in schwierigen Fällen zu Rathe gezogen: er arbeitete
als Theolog in der Congregation für das tridentinische Con-
cilium, als Consultor bei der Inquisition: an der Verur-
theilung des Erzbischofs Carranza hatte er großen Antheil:
er hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, in den Schrif-
ten der Protestanten die Stellen aufzusuchen, welche Car-
ranza in die seinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V.
erwarb er völlig. Dieser Papst ernannte ihn zum Gene-
ralvicar der Franziscaner, -- ausdrücklich in der Absicht,
um ihn zur Reformation des Ordens zu autorisiren --
und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er setzte die
Generalcommissäre ab, die bisher die höchste Gewalt in
demselben besessen: er stellte die alte Verfassung her, nach
welcher diese den Provincialen zustand, und führte die
strengste Visitation aus. Pius sah seine Erwartungen über-
troffen: die Zuneigung, die er für Peretti hatte, hielt er
für eine Art von göttlicher Eingebung: ohne auf die Af-
terreden zu hören, die denselben verfolgten, ernannte er

Buch IV. Staat und Hof.
er umarmte ihn mit Thraͤnen; er ward ſein zweiter Be-
ſchuͤtzer.

Auf das entſchiedenſte hielt ſich ſeitdem Fra Felice Pe-
retti zu der ſtrengen Partei, die ſo eben in der Kirche em-
porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle
drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver-
trautem Verhaͤltniß. Daß er in ſeinem Orden, den er zu
reformiren ſuchte, Widerſtand fand, und von ſeinen Or-
densbruͤdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver-
mehrte nur ſein Anſehn bei den Vertretern der zur Macht
gelangenden Geſinnung. Er ward bei Paul IV. eingefuͤhrt
und oft in ſchwierigen Faͤllen zu Rathe gezogen: er arbeitete
als Theolog in der Congregation fuͤr das tridentiniſche Con-
cilium, als Conſultor bei der Inquiſition: an der Verur-
theilung des Erzbiſchofs Carranza hatte er großen Antheil:
er hat ſich die Muͤhe nicht verdrießen laſſen, in den Schrif-
ten der Proteſtanten die Stellen aufzuſuchen, welche Car-
ranza in die ſeinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V.
erwarb er voͤllig. Dieſer Papſt ernannte ihn zum Gene-
ralvicar der Franziscaner, — ausdruͤcklich in der Abſicht,
um ihn zur Reformation des Ordens zu autoriſiren —
und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er ſetzte die
Generalcommiſſaͤre ab, die bisher die hoͤchſte Gewalt in
demſelben beſeſſen: er ſtellte die alte Verfaſſung her, nach
welcher dieſe den Provincialen zuſtand, und fuͤhrte die
ſtrengſte Viſitation aus. Pius ſah ſeine Erwartungen uͤber-
troffen: die Zuneigung, die er fuͤr Peretti hatte, hielt er
fuͤr eine Art von goͤttlicher Eingebung: ohne auf die Af-
terreden zu hoͤren, die denſelben verfolgten, ernannte er

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[442/0468] Buch IV. Staat und Hof. er umarmte ihn mit Thraͤnen; er ward ſein zweiter Be- ſchuͤtzer. Auf das entſchiedenſte hielt ſich ſeitdem Fra Felice Pe- retti zu der ſtrengen Partei, die ſo eben in der Kirche em- porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver- trautem Verhaͤltniß. Daß er in ſeinem Orden, den er zu reformiren ſuchte, Widerſtand fand, und von ſeinen Or- densbruͤdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver- mehrte nur ſein Anſehn bei den Vertretern der zur Macht gelangenden Geſinnung. Er ward bei Paul IV. eingefuͤhrt und oft in ſchwierigen Faͤllen zu Rathe gezogen: er arbeitete als Theolog in der Congregation fuͤr das tridentiniſche Con- cilium, als Conſultor bei der Inquiſition: an der Verur- theilung des Erzbiſchofs Carranza hatte er großen Antheil: er hat ſich die Muͤhe nicht verdrießen laſſen, in den Schrif- ten der Proteſtanten die Stellen aufzuſuchen, welche Car- ranza in die ſeinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V. erwarb er voͤllig. Dieſer Papſt ernannte ihn zum Gene- ralvicar der Franziscaner, — ausdruͤcklich in der Abſicht, um ihn zur Reformation des Ordens zu autoriſiren — und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er ſetzte die Generalcommiſſaͤre ab, die bisher die hoͤchſte Gewalt in demſelben beſeſſen: er ſtellte die alte Verfaſſung her, nach welcher dieſe den Provincialen zuſtand, und fuͤhrte die ſtrengſte Viſitation aus. Pius ſah ſeine Erwartungen uͤber- troffen: die Zuneigung, die er fuͤr Peretti hatte, hielt er fuͤr eine Art von goͤttlicher Eingebung: ohne auf die Af- terreden zu hoͤren, die denſelben verfolgten, ernannte er

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/468>, abgerufen am 22.11.2024.