In den unterworfenen Städten hielten sich zwar in jener Zeit die mittleren Stände, die Bürger, auch wenn sie Einkünfte besaßen, um davon zu leben, die Kaufleute und Handwerker ruhig und gehorsam: in ewiger Bewegung aber sah man die Patrizier, die Nobili, welche es doch waren, die die municipale Gewalt in ihren Händen hat- ten. Sie trieben keine Gewerbe; sie bekümmerten sich we- nig um den Ackerbau; weder höhere Bildung noch Ge- wandtheit in der Führung der Waffen lag ihnen sehr am Herzen; nur ihre Entzweiungen und Feindseligkeiten be- schäftigten sie. Noch immer bestanden die alten Parteiun- gen der guelfischen und gibellinischen Geschlechter; durch die letzten Kriege, die eine Eroberung bald von der einen, bald von der andern Seite herbeigeführt, waren sie ge- nährt worden: man kannte alle Familien, die zu der einen oder zu der andern gehörten. In Faenza, Ravenna, Forli waren die Gibellinen, in Rimini die Guelfen am stärksten, doch hielten sich in jeder dieser Städte auch die entgegenge- setzten Factionen; in Cesena und Imola waren sie einander gleich. Auch bei äußerlicher Ruhe ging doch ein geheimer Krieg fort; ein Jeder ließ es sich vor allem angelegen seyn, seine Gegner von der andern Partei niederzuhalten, in Schatten zu stellen 1). Die Oberhäupter hatten An-
1)Relatione della Romagna (Bibl. Alt.): Li nobili hanno seguito di molte persone delle quali alcune volte si vagliono ne consegli per consequire qualche carica o per se o per altri, per potere vincere o per impedire all' altri qualche richiesta; ne giuditii per provare et alcune volte per testificare nelle inimi- citie per fare vendette ingiurie: alcuni ancora a Ravenna Imola e Faenza usavano de contrabandare grano.
BuchIV.Staat und Hof.
In den unterworfenen Staͤdten hielten ſich zwar in jener Zeit die mittleren Staͤnde, die Buͤrger, auch wenn ſie Einkuͤnfte beſaßen, um davon zu leben, die Kaufleute und Handwerker ruhig und gehorſam: in ewiger Bewegung aber ſah man die Patrizier, die Nobili, welche es doch waren, die die municipale Gewalt in ihren Haͤnden hat- ten. Sie trieben keine Gewerbe; ſie bekuͤmmerten ſich we- nig um den Ackerbau; weder hoͤhere Bildung noch Ge- wandtheit in der Fuͤhrung der Waffen lag ihnen ſehr am Herzen; nur ihre Entzweiungen und Feindſeligkeiten be- ſchaͤftigten ſie. Noch immer beſtanden die alten Parteiun- gen der guelfiſchen und gibelliniſchen Geſchlechter; durch die letzten Kriege, die eine Eroberung bald von der einen, bald von der andern Seite herbeigefuͤhrt, waren ſie ge- naͤhrt worden: man kannte alle Familien, die zu der einen oder zu der andern gehoͤrten. In Faenza, Ravenna, Forli waren die Gibellinen, in Rimini die Guelfen am ſtaͤrkſten, doch hielten ſich in jeder dieſer Staͤdte auch die entgegenge- ſetzten Factionen; in Ceſena und Imola waren ſie einander gleich. Auch bei aͤußerlicher Ruhe ging doch ein geheimer Krieg fort; ein Jeder ließ es ſich vor allem angelegen ſeyn, ſeine Gegner von der andern Partei niederzuhalten, in Schatten zu ſtellen 1). Die Oberhaͤupter hatten An-
1)Relatione della Romagna (Bibl. Alt.): Li nobili hanno seguito di molte persone delle quali alcune volte si vagliono ne consegli per consequire qualche carica o per se o per altri, per potere vincere o per impedire all’ altri qualche richiesta; ne giuditii per provare et alcune volte per testificare nelle inimi- citie per fare vendette ingiurie: alcuni ancora a Ravenna Imola e Faenza usavano de contrabandare grano.
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Buch IV. Staat und Hof.
In den unterworfenen Staͤdten hielten ſich zwar in
jener Zeit die mittleren Staͤnde, die Buͤrger, auch wenn
ſie Einkuͤnfte beſaßen, um davon zu leben, die Kaufleute
und Handwerker ruhig und gehorſam: in ewiger Bewegung
aber ſah man die Patrizier, die Nobili, welche es doch
waren, die die municipale Gewalt in ihren Haͤnden hat-
ten. Sie trieben keine Gewerbe; ſie bekuͤmmerten ſich we-
nig um den Ackerbau; weder hoͤhere Bildung noch Ge-
wandtheit in der Fuͤhrung der Waffen lag ihnen ſehr am
Herzen; nur ihre Entzweiungen und Feindſeligkeiten be-
ſchaͤftigten ſie. Noch immer beſtanden die alten Parteiun-
gen der guelfiſchen und gibelliniſchen Geſchlechter; durch
die letzten Kriege, die eine Eroberung bald von der einen,
bald von der andern Seite herbeigefuͤhrt, waren ſie ge-
naͤhrt worden: man kannte alle Familien, die zu der einen
oder zu der andern gehoͤrten. In Faenza, Ravenna, Forli
waren die Gibellinen, in Rimini die Guelfen am ſtaͤrkſten,
doch hielten ſich in jeder dieſer Staͤdte auch die entgegenge-
ſetzten Factionen; in Ceſena und Imola waren ſie einander
gleich. Auch bei aͤußerlicher Ruhe ging doch ein geheimer
Krieg fort; ein Jeder ließ es ſich vor allem angelegen
ſeyn, ſeine Gegner von der andern Partei niederzuhalten,
in Schatten zu ſtellen 1). Die Oberhaͤupter hatten An-
1) Relatione della Romagna (Bibl. Alt.): Li nobili hanno
seguito di molte persone delle quali alcune volte si vagliono ne
consegli per consequire qualche carica o per se o per altri, per
potere vincere o per impedire all’ altri qualche richiesta; ne
giuditii per provare et alcune volte per testificare nelle inimi-
citie per fare vendette ingiurie: alcuni ancora a Ravenna Imola
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/414>, abgerufen am 24.11.2024.
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